Dienstag, 30. Januar 2018

Mary Miller: Süßer König Jesus



"Zwei Lolitas auf dem Rücksitz eines Fords: Jess, immer auf der Suche nach Süßigkeiten und einem Jungen, der sie liebt, und Elise, heimlich schwanger. Am Steuer: die religiös-fundamentalistischen Eltern auf ihrem Road-Trip von Alabama nach Kalifornien, dem Weltuntergang entgegen." (Umschlagtext)

Und schon hat es mich gekriegt. ;) Ob das Debüt von Mary Miller halten kann, was die Beschreibung verspricht? ^^

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Montag, 29. Januar 2018

Mosaik #506



Ach, ich verlängere jetzt einfach das Wochenende um eine Stunde. 😉

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Samstag, 27. Januar 2018

Chloé Vollmer-Lo/ Carole Maurel: Magdas Apokalypse



"Was, wenn die Welt in einem Jahr untergehen wird und man wie Magda gerade erst seinen 13. Geburtstag feiert? Sie fühlt sich um ihre Zukunft betrogen und beschließt, das Leben, das ihr vorenthalten bleiben soll, mit aller Macht an sich zu reißen. In einer Welt, die im Zeitraffer aus den Fugen gerät, ist zum Warten keine Zeit mehr. Jedoh: Die Folgen ihrer Entscheidung sind dramatisch, zumal im Angesicht der Apokalypse Wahnsinn und Verzweiflung der Vernunft zunehmend das Wasser abzugraben drohen. Das Ende der Zivilisation vollzieht sich schleichend, und obwohl Magdas Mitmenschen alles daran setzen, die Normalität ihres alten Lebens aufrechtzuerhalten, wird mit jedem Tag spürbarer, dass die Bedingungen für eine unschuldige Jugend längst ihre Gültigkeit verloren haben ..." (Umschlagtext)

Coming- of- Age und Apokalypse gehen ja irgendwie immer. Warum also nicht auch im Comic. ^^

Ob das Ganze eher in Richtung bekannter Blockbuster tendiert oder das Genre ordentlich vermessen wird, darauf bin ich dann doch mal gespannt. ;)

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Donnerstag, 25. Januar 2018

Uffa Jensen: Zornpolitik



"Unsere Gefühle sind keine reinen Affekte, die uns unbewusst steuern. In diesem Sinne sollten wir als Einzelne und als Gesellschaft lernen, uns zu unseren Gefühlen gegen Andere zu verhalten. Wir sollten mehr über sie herausfinden. Wir sollten sie befragen, mit ihnen umgehen. Kurz: Wir brauchen eine Praxis der Gefühle." (Umschlagtext)

"Gäbe es ein Messgerät für die Intensität kollektiver Gefühle, es würde derzeit Spitzenwerte anzeigen: In den politischen Debatten sind vielerorts Wut, Hass und Angst an die Stelle rationaler Argumente und gegenseitiger Rücksichtnahme getreten. Uffa Jensen verfolgt die Ursprünge der Zornpolitik bis ins 19. Jahrhundert zurück und erläutert, wie solche Gefühle der Ablehnung funktionieren. Dabei wird deutlich, dass Emotionen gerade in Auseinandersetzungen über gesellschaftliche Andere wie Flüchtlinge, Muslime oder Juden hochkochen und bewusst instrumentalisiert werden. Aus dem historischen Zusammenhängen zwischen Vorurteilen und Gefühlen leitet Jensen Strategien ab, mit denen wir der aktuellen Welle des politischen Furors begegnen können." (Verlagstext, Seite 2)

Vielleicht findet sich hier ja ein wenig Erklärung dazu, warum sich gesellschaftliche Debatten und das politische Klima derzeit so enthemmt und irrational anfühlen. Ich hoffe auf ein im besten Sinne aufklärerisches Buch.

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Mittwoch, 24. Januar 2018

Albert Sánchez Piñol: Der Untergang Barcelonas



"Barcelona um 1700: Zuvi ist vierzehn, etwas unverschämt, ein Taugenichts m mit rabenschwarzem Haar. Als ihn der Graf Vauban auf sein Schloss einlädt, ändert sich Zuvis Leben schlagartig. Tochter Jeanne führt ihn in die Liebeskunst ein und Vater Vauban, der berühmteste Baumeister seiner Zeit, lehrt ihn, die sichersten und schönsten Festungsmauern zu bauen. Aber dann robbt der Spanische Erbfolgekrieg, und Zuvi erlebt mehr als nur ein Abenteuer." (Umschlagtext)

Literarisch habe ich Barcelona mit Eduardo Mendoza und Carlos Ruiz Zafón kennengelernt. Mit Piñol war ich zuletzt in Afrika unterwegs, im Kongobecken. Jetzt freu ich mich darauf, Barcelona mit seinen Augen zu sehen. *jippieeee* ;)

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Montag, 22. Januar 2018

Hans Pleschinski: Wiesenstein



Rezensionsexemplar an Verlagskarte. *juchzundfreu* ;)

"Der alte Mann, eine Berühmtheit, Nobelpreisträger, verlässt mit seiner Frau das Sanatorium, wo beide Erholung gesucht haben, und wird mit militärischem Begleitschutz zum Zug gebracht. Doch es ist März 1945, das Sanatorium liegt im eben zerstörten Dresden und der Zug fährt nach Osten. Gerhart und Margarete Hauptmann wollen nirgendwo anders hin als nach Schlesien, in ihre Villa 'Wiesenstein', ein prächtiges Anwesen im Riesengebirge. Dort wollen sie ihr immer noch luxuriöses Leben weiterleben - inmitten der Barbarei." (Umschlagtext)

Olle Hauptmann - puh, das ist ewig her, dass der mir begegnet ist. "Der Biberpelz", Literaturunterricht in der Oberstufe? Die Beschreibung verheißt zumindest schon mal eine skurrile historische Momentaufnahme.

Na, dann mal los. ^^

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Samstag, 20. Januar 2018

Vladimir Sorokin/ Yaroslav Schwarzstein: Pferdesuppe



Noch blättern wir in der Illustrierten Novelle, aus der gleich da vorn gelesen werden wird. Autor Vladimir Sorokin und Illustrator Yaroslav Schwarzstein sind persönlich da und gleich auch noch im Gespräch zu erleben.

Samstag Abend in Pankow - und mit Freunden. ;)

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Donnerstag, 18. Januar 2018

Jeff Lemire: Der Unterwasser-Schweißer



"Als Taucher auf einer Plattform vor der Küste Neuschottlands ist Jack hohen Druck gewöhnt. Aber der Druck, der gerade auf dem werdenden Vater lastet, lässt ihn viel tiefer tauchen - dabei entfernt er sich immer weiter von seiner Frau und dem ungeborenen Kind. Plötzlich geschieht wir unter der Wasseroberfläche Unerklärliches. Jack wird mit etwas konfrontiert, das sein Leben für immer verändern wird." (Umschlagtext)

Ok ok, die Beschreibung gibt irgendwie noch nicht so viel her. Aber hey, es ist Jeff Lemire! ^^ Lieber Hinstorff Verlag aus Rostock, da reibe ich mir doch angenehm überrascht und gespannt die Augen. ;)

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Mittwoch, 17. Januar 2018

Andreas Speit (Hrasg.): Reichsbürger. Die unterschätzte Gefahr



"Als im Oktober 2016 im fränkischen Georgensgmünd ein Spezialeinsatzkommando der Polizei in das Wohnhaus eines Reichsbürgers eindringt, um dort gehortete Waffen zu beschlagnahmen, eröffnet dieser das Feuer und verletzt vier Beamte. [...] Der Schütze gehört zu jener Bewegung von Verschwörungsfanatikern, die die Bundesrepublik und ihre Gesetze nicht anerkennen. Bis dahin hatte der Staat die Angehörigen der Szene als `Spinner` und ungefährlich abgetan." (Umschlagtext)

Rechtsextremismus-Experten, Historiker und weitere Fachleute beleuchten und beschreiben Weltbild und Akteure der Szene.

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Dienstag, 16. Januar 2018

Margaret Atwood: Das Herz kommt zuletzt



"Wie wäre das: Man bekommt ein zauberhaftes Heim, eine angenehme Arbeit und ein sorgenfreies Leben garantiert - das einzige, was man dafür tun muss, ist jeden zweiten Monat im Gefängnis zu verbringen?" (Umschlagtext)

Atwood, Atwood everywhere. Da schließe ich mich dem Hype doch gern an. ;)

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Montag, 15. Januar 2018

Ari Folman/ David Polonsky: Das Tagebuch der Anne Frank. Graphic Diary



„[…] Das halte ich nicht aus, wenn so auf mich aufgepasst wird, dann werde ich erst schnippisch, dann traurig, und schließlich drehe ich mein Herz wieder um, drehe das Schlechte nach außen, das Gute nach innen und suche dauernd nach einem Mittel, um so zu werden, wie ich gern sein würde und wie ich sein könnte, wenn … wenn keine anderen Menschen auf der Welt leben würden. Deine Anne M. Frank“ (Seite 146, letzter Satz vom letzten Tagebucheintrag vom 01.08.1944)

Spannend ist es schon zu sehen, dass das Medium Comic seine über Jahrzehnte behaglich eingerichtete Nische dann verlässt, wenn es entweder um Verfilmungen (Superhelden Blockbuster zum Beispiel) oder um Adaptionen von literarischen Werken geht. Schon ist die große Bühne bereit; Buchhandlungen finden gar nichts dabei, Comics ins Regal zu stellen, denn auch große Literaturverlage können mit Comics in dieser Form offenbar gut leben.

Der Haken an der Sache ist, dass es anscheinend ein anderes Medium braucht, um dem Comic diesen Camouflage Auftritt zu ermöglichen. Insbesondere beim Literaturadaptionen geht es dann gern darum, Menschen, die keine langen Texte lesen können oder wollen, an den eigentlichen Stoff heranzuführen – an die literarische Vorlage. Gern gebe ich zu, dass mir da immer wieder das Herz blutet, weil das Klischee, Comic sei etwas für Dumme oder Lesefaule, so unverstellt bedient wird. Und leider fügen so viele Literaturadaptionen dem ursprünglichen Stoff auch nichts hinzu.

Puh, soweit das Klagelied des Comic-Freundes. Im letzten Jahr bekam ich also das „Graphic Diary“ als Leseexemplar vom Verlag auf den Tisch, in dem das Tagebuch der Anne Frank verarbeitet wurde. Dummerweise funktionieren Klischees und Vorurteile ja in verschiedene Richtungen. So gern ich mich in die Rüstung werfe, um für den guten Ruf des Comics zu streiten, so leicht tappe ich natürlich auch in die Meinungsfalle, die schneller zuschnappt als ein Buchdeckel aufgeschlagen ist.

Da hilft dann nur noch eines: die Rüstung wieder im Schrank verstauen, ab in den Lesesessel, Füße hoch und schmökern.

Anne Franks Tagebuch dürfte eines der meistgelesenen Bücher über den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg sein. Die Geschichte ist vermutlich sattsam bekannt: Anne muss sich im Alter von 13 Jahren mit ihrer Familie und einigen weiteren Menschen vor den Nazis und Denunzianten verstecken, im Versuch, dem Tod im Konzentrationslager zu entgehen. Über zwei Jahre leben diese acht Menschen versteckt in einem Hinterhaus, unterstützt und versorgt von Helfern, bis sie schließlich doch entdeckt werden. Einzig Annes Vater überlebt das Grauen der Lager und gibt später ihr Tagebuch heraus.

In diesem Tagebuch beschreibt Anne Frank eindringlich und zugleich mit poetischer Kraft ihren Alltag in dem Versteck, dass ihnen zur Freiheit verhelfen soll aber eben auch ein nicht selbstgewähltes Gefängnis ist. Das Ringen um tagtägliche Routinen, während acht Menschen auf engem Raum aufeinander hocken, ohne dem auch nur einen Tag entkommen zu können, aber auch ihr Erwachsenwerden in dieser Enge und im steten aneinander Reiben, sind die Themen, die sie ihrem Tagebuch anvertraut. Mit wem sollte sie auch sonst reden, abgeschlossen von der Außenwelt, die allenfalls als kurzer, hastiger Blick aus dem Fenster noch existiert.

Das „Graphic Diary“ ist keine buchstabengetreue Übersetzung des Tagebuchs in Comic-Form. Ari Folman beschreibt in seinem Nachwort, wie versucht wurde, den Themen, die Anne Frank beschäftigten, ihren Raum zu geben, Einträge und Gedanken zusammenzufassen, Dialoge zu finden, die dem entsprechen und abzuwägen, wann Anne selbst mit ihren Gedanken zu Wort kommen soll.

Und dies ist, nach meinem Gefühl, bestens gelungen. Das Nachwort habe ich tatsächlich erst am Ende gelesen und kann so sagen, dass ich Annes Stimme in der Version von Folman/Polonsky als authentisch, unverstellt und genauso intensiv erlebt habe, wie Jahre zuvor beim Lesen der ursprünglichen Textversion.

Die Bilder nehmen Annes Stimme nichts weg, skandalisieren nicht, behaupten keinen Anspruch auf mehr Authentizität als die Worte. In Teilen illustrieren sie das Leben der Acht; sie erlauben uns zugleich, diesen Mikrokosmos mit Annes Augen zu sehen, wenn sie sich zum Beispiel mit ihrer Schwester vergleicht oder aber die Mitbewohner in ihren Eigenheiten am Tisch charakterisiert werden, die in dieser bedrückenden Enge jeden von uns in den Wahnsinn treiben würden.

Für mein Gefühl wurde hier mit großer Sorgfalt, viel Sensibilität und großer Kunstfertigkeit gearbeitet. Das notwendig Fragmentarische eines Tagebuches, das nun einmal keine durchkomponierte, handlungsorientierte Story ist, blieb erhalten und entfaltete seinen Sog für mich Seite um Seite.

An dem Begriff „Graphic Diary“ möchte ich mich trotzdem etwas stoßen. Einerseits bin ich ja froh, dass auf das Cover nicht der unvermeidliche „Graphic Novel“ Button gepappt wurde. Zugleich habe ich nicht den Eindruck, dass hier das Comic-Rad so neu erfunden wurde, dass es einen neuen Begriff dafür braucht. Ich ahne, dass die Entscheidung dafür wohl eher eine des Marketings als eine inhaltliche oder künstlerische war, frage ich mich aber trotzdem „warum und wozu?“

Kurz: Ich glaube, der Arbeit von Ari Folman und David Polonsky das größte Kompliment machen zu können, wenn ich festhalte: Diese Comic-Adaption macht große Lust, auch den Rest von Anne Franks Tagebuch zu entdecken oder wiederzuentdecken – ohne das Gefühl, das Eigentliche erst noch vor sich zu haben.

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Mittwoch, 10. Januar 2018

Philipp Ther: Die dunkle Seite der Nationalstaaten. "Ethnische Säuberungen" im modernen Europa



"Organisierter Terror überschattet das 20. Jahrhundert. Zum Szenario des Schreckens gehört die Tatsache, dass in dieser Zeit mindestens 30 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben wurden, die meisten von ihnen nach dem Zweiten Weltkrieg. [...] `Ethnische Säuberungen', so zeigt das Buch, waren weder ein Tabubruch noch eine Erfindung totalitärer Diktaturen, sondern sind bittere Folgen von chauvinistischem Nationalismus." (Umschlagtext)

Wo immer wieder über Europa und Nationalstaaten gesprochen wird, kann eine solche historische Studie zwischendurch nicht schaden.

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Dienstag, 9. Januar 2018

Theodor Buhl: Winnetou August



"Rudi Rachfahl erinnert sich an seine Kindheit: an die Flucht vor der Roten Armee, an das brennende Dresden, den Hunger und an das Mädchen, das direkt neben ihm vergewaltigt wurde. Vor allem jedoch erinnert er sich an seinen Vater August, dessen steifer Arm und Hang zum Alkohol noch aus dem Ersten Weltkrieg herrühren. August rettet seine Familie durch eine Welt, in der Tod und Gewalt alltäglich sind. Neben seinem Vater lässt Rudi nur einen anderen Helden gelten: Karl May, dessen Geschichten für ihn zum Lebenselixier werden." (Umschlagtext)

Das klingt vielversprechend.

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Montag, 8. Januar 2018

Maximilien Le Roy/ Loïc Locatelli Kournowsky: Überlebt!



„Meine Freunde, es ist sicherlich das letzte Mal, dass ich mich an euch wende. Die Luftstreitkräfte haben die Sendeanlagen von Radio Portales und Radio Corporación bombardiert. Es liegt keine Bitterkeit in meinen Worten, nur Enttäuschung …“ (Seite 43)

Am 11. September 1973 putschte das chilenische Militär unter dem späteren Diktator Augusto Pinochet gegen den demokratisch gewählten, linken Präsidenten Salvador Allende. Während der Präsidentenpalast La Moneda von den Putschisten umstellt und unter Feuer genommen wurde, wendete sich der Präsident ein letztes Mal in einer Radioübertragung an das Volk. Diese Rede zieht sich als roter Faden durch die erste Hälfte des Comics – immer wieder neu ansetzend, legt sie sich über die verschiedenen Stationen der Erzählung. In jeder Szene, in der sie erneut aus dem Radio schallt, sich über die Stadt, das Land und die Panel schwingt, kommt ein weiterer Absatz hinzu. Bis der Palast gestürmt ist und Salvador Allende, der sich nicht ergeben mochte, seinem Leben selbst ein Ende setzt.

„Überlebt!“ ist aber nicht die Geschichte vom Präsidenten Salvador Allende sondern die einer Überlebenden. Die Story von Maximilien Le Roy basiert auf den Erinnerungen von Carmen Castillo, die der linksextremen MIR angehörte. Sie überlebte und reiste aus ihrem Exil in Frankreich Jahre später zurück nach Chile, um den Ort zu besuchen, an dem ihr Partner Miguel Enriquez erschossen wurde.

Wir erleben sie im Jetzt dieses Besuches und tauchen gemeinsam mit ihr in die Erinnerungen ein. Die Zeit der Debatten und Diskussionen über die strategische Ausrichtung der Linken in Chile, als der Wahlsieg Allendes noch Zukunftsmusik und so nicht absehbar war; die drei intensiven Jahre der Regierung Allendes, in denen der Kontakt zur extremen Linken nie abbrach und sich die zunehmende Gegenwehr der Rechten abzeichnete; die Zeit des Putsches und der Verfolgung der in den Untergrund abgetauchten linken Aktivist*innen. All diese Zeitebenen der Story werden verwoben durch die Stimme Allendes aus dem Radio. Die stete Wiederholung ergibt einen intensiven Rhythmus, der mich unweigerlich in seinen Bann zog.

Nach dem Tod Allendes konzentrieren sich die Erinnerungen auf die Flucht und das Leben im Untergrund. Nach und nach werden Freunde der Untergetauchten denunziert, enttarnt und, wenn sie nicht gleich ermordet wurden, gefoltert, um die Aufenthaltsorte der anderen zu erfahren. So zieht sich die Schlinge immer enger, bis schließlich auch Carmen und Miguel gefasst werden. Miguel überlebt das nicht, die schwangere Carmen kommt mit dem Leben davon und wird schließlich aus dem Land verstoßen.

Im Exil versucht sie mit ihren Erinnerungen zu leben und wird von anderen Überlebenden als Witwe eines Helden gefeiert. Während sie selbst mit diesem Status hadert, versucht sie dennoch auf diese Art, die Erinnerung an die Ermordeten und Verschwundenen wach zu halten. Schließlich darf sie 1987 Chile wieder besuchen. Sie entscheidet sich, diesen Besuch nicht als Bühne zu nutzen, sondern nur gemeinsam mit einer Freundin die Orte ihres Lebens im Untergrund aufzusuchen. In einem ersten Impuls beschließt sie, das Haus, in dem sie zuletzt lebte und gemeinsam mit Miguel von den Häschern des Regimes gestellt wurde, zu kaufen. Ein Museum, ein Erinnerungsort für Miguel Enriquez solle es werden. Erst in einem Gespräch mit einem linken Aktivisten der späteren Generation, viel jünger als sie, lässt sie sich umstimmen, damit die Toten zwar nicht vergessen werden aber einen Neuanfang nach Pinochet und damit eine gesellschaftliche Aussöhnung auch nicht unmöglich machen. So fand sie ihren Weg zwischen Erinnerung und dem Blick nach vorn.

„Überlebt!“ ist kein Comic, der sich schnell lesen und dann Beiseite legen lässt. Das Ineinandergreifen der verschiedenen Zeitebenen zwingt immer wieder zum Innehalten und entwickelt zugleich einen intensiven Sog. Dabei spricht aus den Erinnerungen zwar persönlich erfahrenes Leid aber kein wehleidiges Klagen, sondern eher der Stolz darauf, was so viele aufrichtige Menschen in Chile bei allen Niederlagen und Rückschlägen erreichen konnten.

Kournwskys Zeichenstil passt sich dem in Form und Farbgebung bestens an. Er findet den passenden Rhythmus der Bilder, ohne im Heldenpathos zu verschwimmen, und kann so sowohl die stillen Momente zeigen wie auch Kampf- und Folterszenen.

Vor- und Nachwort von Le Roy und ein Interview mit Carmen Castillo runden den Band ab, ordnen und laden ein, sich noch einmal genauer anzuschauen, was damals in Chile geschah.

Kurz: Ein intensiver und bewegender Comic in einer von der Edition Moderne gut gemachten Ausgabe. Hervorragend!

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Sonntag, 7. Januar 2018

Ivan Vladislavić: Double Negative



Südafrika - durch die Augen eines Fotografen besehen, der nach Jahren in London in seine Heimat nach dem Ende der Apartheid zurück kehrt.

Der Roman "[...] ist ein subtiles Triptychon, das das gewöhnliche Leben des Neville Listers während der außergewöhnlichen Revolution Südafrikas einfängt. Ivan Vladislavić ist ein äußerst genauer Erzähler der Wirklichkeit, die ihn umgibt, und weiß diese differenziert und mit höchster sprachlicher Eleganz in poetische Bilder umzusetzen." (Klappentext)

Ein Vorwort von Teju Cole gibt es gleich auch noch dazu. ^^

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Samstag, 6. Januar 2018

Philipp Felsch: Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte 1960 – 1990



„Andreas Baader, der 1968 wegen Brandstiftung zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, entdeckte im Gefängnis das Briefeschreiben. Er schilderte das Elend des Alleinseins, schimpfte über das Wachpersonal und bat seine Freunde, ihn mit dem Nötigsten zu versorgen. Abgesehen von Wurst und Tabak waren das in erster Linie Bücher.“ (Seite 12)

„Heute, wo die intellektuellen Energien von ´68 in schwach glimmende Substanzen zerfallen sind, fällt es schwer, sich die Faszination eines Genres zu vergegenwärtigen, das Generationen von Lesern in seinen Bann gezogen hat. Theorie war mehr als eine Folge bloßer Kopfgedanken; sie war ein Wahrheitsanspruch, ein Glaubensartikel und ein Lifestyle_Accessoire.“ (Seite 12)

1968 und Westberlin – diese Kombination geistert immer wieder durch politische Debatten, sei es, weil konservative und neurechte Kreise Sittenverfall und Kulturverlust daran festmachen oder mal wieder, wie jüngst aus der CSU zu hören ist, eine konservativ-moralische Wende fordern, die sich am (vermeintlichen) Erbe der 68er abarbeiten soll.

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums wird gern ein sehnsuchtsvoller Blick zurückgeworfen, auf eine wilde Zeit, die so viele gesellschaftliche Gewissheiten gebrochen und so vieles ermöglichte. Junge Menschen interessierten und engagierten sich, es wurde debattiert und theoretische Konstrukte als Zugang zur Welterklärung standen hoch im Kurs. Ohne diese Vorgeschichte als Bestandteil der eigenen Biografie im Gepäck ist manche Diskussion mit so geprägten Alt-Linken recht anstrengend. Das Gefühl nicht mitreden zu können, ohne noch einmal viele Jahre des Textstudiums absolviert zu haben, macht sich da schnell breit.

Ich kenne das Gefühl gut und habe immer wieder versucht in Texten und Gesprächen einen Eindruck davon zu erhalten, was dieses 1968 denn nun war – und was uns davon geblieben ist und vielleicht auch weiterhin bleiben wird. Und auch, wie auf die theorie- und diskussionsfreudigen Spätsechziger und Siebziger dann die hedonistischen Achtziger und Neunziger folgen konnten. Mit Felschs Arbeit über den Merve Verlag fand sich für mich ein weiterer Mosaikstein zum besseren Verständnis – ganz abgesehen davon, dass es für mich eines der besten Sachbücher ist, das ich im letzten Jahr gelesen habe.

„Dieses Buch erzählt von Peter Gentes Bildungserlebnissen, von den Irrfahrten des Merve-Kollektivs und von den Entdeckungen des Verlegerpaares. Es folgt der Spur ihrer Lektüren, ihrer Debatten und Lieblingsbücher – aber es dringt nicht ins Innere der Bleiwüsten ein.“ (Seite 19)

Dafür liefert der Text eine atmosphärische Ahnung vom linken Westberlin im Umfeld des Merve Verlages und viele Theorie-Zipfel, die anregen, um daran zu zupfen und manches nachträglich zu entdecken. Felsch schafft es fesselnd zu erzählen und ließ wenigstens mich nicht erschlagen von all den großen Namen zurück, wie es Berichte dieser Art sonst gern so an sich haben.

Spannend – und für mich nach wie vor offen – ist noch die Frage, wie es passieren konnte, dass trotz so viel Lust am Denken und theoretischer Durchdringung der Welt am Ende so wenig Gegenwehr gegen das Aufkommen des Neoliberalismus erfolgte. Wie wurde es möglich Die Grünen, die sich selbst als Partei ja am deutlichsten in der Tradition von 1968 sehen, vorrangig als grün angestrichene Neoliberale wahrzunehmen?

Ich hoffe sehr, dass es gerade in diesem Jahr – mit 50 Jahren Abstand – viele Publikationen geben wird, die hier weitere Hinweise und Erkenntnisse liefern können. Felschs Buch wird dabei ganz sicher eine der ganz wichtigen Arbeiten bleiben, gerade weil sie in der Lage ist, weit über den wissenschaftlichen Kreis hinaus zu wirken. Immerhin gibt es, kein Scherz, inzwischen eine Verfilmung, an der auch Philipp Felsch mitwirkte.

Kurz: Auch Sachbücher können gut geschrieben und trotzdem informativ sein. Philipp Felsch liefert dafür ein mehr als überzeugendes Beispiel. Lesen! ^^

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Donnerstag, 4. Januar 2018

James Wood: Die Kunst des Erzählens



Leser und Kritiker James Wood macht sich Gedanken über das Erzählen, wie es funktioniert und wirkt, und warum Literatur uns so packen kann.

Ok, ich bin gespannt, ob mich das packt. ;)

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Mittwoch, 3. Januar 2018

Vernor Vinge: Das Ende des Regenbogens



2025 gibt es kaum noch Bücher, als der berühmte Poet Robert Gu nach zwanzig Jahren wieder erwacht. Die Alzheimer Krankheit hat er überstanden und mit seinen 75 Jahren sieht er doch knackig jung aus. Willkommen in der Zukunft also.

Ich bin gespannt auf diese Version des Digitalen Zeitalters. ;)

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Dienstag, 2. Januar 2018

Marcello Quintanilho: Tungstênio



Krimi, Spannung, Brasilien - ähem, geht klar, oder? ;)

"Durch einen scheinbar unbedeutenden Zwischenfall an der Küste v von Salvador de Bahia kreuzen sich die Wege von vier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Caju, schlitzohriger Kleindealer, Seu Ney, autoritärer Ex-Militär, Richard, abgebrühter Undercover-Polizist und Keira, die versucht, aus ihrer gewalttätigen Beziehung zu entkommen. Sie alle vereint vor allem eines: Sie sind Getriebene, deren Vergangenheit immer wieder droht, sie einzuholen, und für die Stillstand den Untergang bedeutet." (Umschlagtext)

Da kann es doch wegen mir heute ruhig draußen noch so grau bleiben. ;)

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