Mittwoch, 26. Februar 2020

Jan Korte: Die Verantwortung der Linken



Seit einigen Jahren gibt es in der Linken immer wieder Debatten darum, was der richtige Weg sei: Die einen kämpfen für Minderheitenrechte und retten das Klima, die anderen kümmern sich vor allem um ökonomische Fragen. Und zwischen beiden Seiten vergrößert sich der Riss. Jan Korte will wieder ein Gleichgewicht zwischen den kulturellen und sozial-ökonomischen Ansichten der Linken herstellen. Die Linke muss Verantwortung übernehmen - für die ganze Gesellschaft. Denn es gilt: Niemals herabblicken!" (Umschlagtext)

Bei Büchern von Politikern muss man ja etwas vorsichtig sein, zumal wenn sie noch aktiv in der Politik sind. Da ich den Jan Korte mag und den Verbrecher Verlag erst recht, bin ich optimistisch gespannt. 🤓

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Freitag, 21. Februar 2020

Patrick Stegemann/ Sören Musyal: Die Rechte Mobilmachung. Wie radikale Netzaktivisten die Demokratie angreifen



"Immer mehr extreme Rechte geben sich harmlos: Sie lächeln freundlich auf Instagram-Fotos oder kochen auf ihrem YouTube-Kanal. Doch sie nutzen das Netz als Radikalisierungsplattform. Die Folgen in der analogen Welt sind dramatisch - vom Mord an Walter Lübcke bis zum Terror-Anschlag in Halle.
Patrick Stegemann und Sören Musyal recherchieren seit Jahren undercover im rechten Netzmillieu, wo Rechtsextreme Propaganda verbreiten, Reichweiten organisieren und Terroristen bejubeln. Ihr Befund: Scheinbar harmlose Vereine und Stiftungen finanzieren rechte Influencer*innen, um Menschen in die rechte Szene zu locken. Plattformen wie Facebook und YouTube sind mitverantwortlich für die Propaganda und den Rechtsruck unserer Gesellschaft. Nur wenn wir verstehen, wie die Rechten im Web agieren, werden wir ihren Einfluss stoppen können." (Umschlagtext)

Langsam bekomme ich wirklich Lust darauf, mal wieder ein politisches Sachbuch zu lesen, das nicht leider auch dringend aktuell ist.

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Dienstag, 18. Februar 2020

Walter Moers/ Florian Biege: Die Stadt der Träumenden Bücher (Teil 1 und 2)



"Als der Pate des jungen Dichters Hildegunst von Mythenmetz stirbt, hinterlässt er ihm ein geheimnisvolles Manuskript. Dieses ist so makellos, dass Hildegunst nicht anders kann, als dem Geheimnis nachzugehen. Die Spur führt nach Buchhaim, der 'Stadt der Träumenden Bücher', wo Bücher nicht nur spannend oder komisch sind, sondern in den Wahnsinn treiben und sogar töten können." (Umschlagtext)

Walter Moers ist und bleibt ein Glücksfall, weil er nicht nur begnadet schreiben kann. Und wer wäre denn besser geeignet, seine fantastischen Geschichten als Comic noch einmal zu erzählen als er selbst?! 🤓🥰

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Montag, 17. Februar 2020

Per Leo/ Maximilian Steinbeis/ Daniel-Pascal Zorn: mit Rechten reden. Ein Leitfaden




„Verehrte Leserinnen und Leser,
sehr geehrte Rechte und Nichte-Rechte,
liebe Schneeflocken, liebe Stachelschweine,

lassen Sie uns zu Beginn ein naheliegendes Missverständnis ausräumen. Von Büchern, die sich Leitfaden nennen, darf man Hilfe erwarten. Alles andere wäre Betrug. Und da wir keine Betrüger sind, wird auch dieser Leitfaden Hilfe anbieten, nur anders, als Sie vielleicht denken.“ (Seite 11)

Wer sich bei dem Wort Leitfaden ein simpel nachzukochendes Kommunikationsrezept erhofft oder einfach nur Bestätigung der eigenen nicht-rechten Position, wird hier tatsächlich enttäuscht werden. Die Autoren sind so freundlich, dass im Vorwort schon mal vorsorglich klarzustellen.

Was das Buch bietet, sind Reflektionen darüber, warum es sinnvoll sein könnte, mit Rechten zu reden, wie Rechte mit uns reden, wie mit Rechten geredet werden kann, worüber mit Rechten geredet werden könnte. Im Kern geht es also um Reflektionen zur Sprachpraxis.

Bevor jetzt jemand vorsorglich entsetzt zuckt: Nein, es geht nicht darum, sich Rechte schönzureden. Aber es geht sehr wohl um politische Umgangs- und Redekultur, die Debatten überhaupt erst möglich macht. Die Autoren behaupten nicht, dass immer und mit allen geredet werden muss, jede Haltung, Äußerung also erstmal hinzunehmen wäre. Dass es aber den Tod der Demokratie bedeuten würde, Debatten grundsätzlich einzustellen, machen sie sehr wohl deutlich.

Im Verlauf ihrer Ausführungen wendet sich das Autorentrio so wohl an Rechte als auch an Nicht-Rechte, die im Übrigen mehr als nur Linke sind. In beide Richtungen analysieren sie charakteristische politische Rede. Moral als Argumentersatz für eine bessere Welt auf der einen Seite – Provokation, um mit der selbstgewählten Opferhaltung stringentes Argumentieren zu vermeiden, auf der anderen.

Einer der Autoren, Daniel-Pascal Zorn, legte schon mit „Logik für Demokraten“ ein Werk vor, das deutlich vorführte, wie sehr gerade Kommunikation in der Demokratie mehr Voraussetzungen benötigt als ein einfaches „isso“. Ein Hinweis findet sich zum Beispiel nun auch im vorliegenden Werk: Unterscheide Rede und Person.

Das klingt natürlich vollkommen banal, wird aber genauso natürlich von uns allen tagtäglich missachtet. Wie leicht lässt sich jemand als pathologisch beschreiben und beschimpfen. Dann ist halt gleich der Mensch dumm und nicht nur seine Rede unlogisch. Der erste Schritt in den Kreislauf kommunikativer Eskalation ist getan. Wer lässt sich schließlich gern als dumm zeihen?

Die Autoren gehen ausführlich auf das ein, was sie das rechte Sprachspiel nennen die inzwischen ja altbekannte Trias aus Provokation, Opferpose, Diskursverschiebung. Sie behaupten kein Allheilmittel dagegen, sondern verweisen zurecht darauf, dass auch Nicht-Rechte ihre sprachlichen Rituale pflegen, die einer Debatte dann gern auch im Weg stehen.

Und noch einmal sei versichert, dass sich die drei Autoren keinerlei Verharmlosung von Rechten oder rechtem Gedankengut schuldig machen. Im Gegenteil ist es ihnen daran gelegen, uns alle daran zu erinnern, dass Differenz und das Aushalten derselben sehr wohl und ausdrücklich zur Demokratie gehören.

Allen, die angesichts aktueller Debattenführung durch alle möglichen Akteure Ratlosigkeit überkommt, die nicht ein wenig Reflektion auch des eigenen Agierens scheuen, all denen sei das Buch wärmstens empfohlen.

Kurz und gut: Kein Ratgeber, wie die Autoren ausdrücklich formulieren. Aber gut für etwas Reflexion und eine Auseinandersetzung mit unserer Debattenkultur, sage ich. 😉

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Sonntag, 16. Februar 2020

Kamel Daoud: Der Fall Meursault - eine Gegendarstellung



"Der namenlose Araber aus Albert Camus' weltberühmtem Roman 'Der Fremde' bekommt hier eine Identität und eine Geschichte. Es ist eine Geschichte voller Wut, Trauer, Leidenschaft und Poesie vor dem Hintergrund der algerischen Befreiungsbewegung, die uns Haroun, der Bruder des Arabers, erzählt.
Kamel Daouds preisgekrönter Roman gilt seit seinem Erscheinen bereits als Klassiker - gleichauf mit dem Meisterwerk von Camus, dem hier sein verlorener Zwilling an die Seite gestellt wird." (Umschlagtext)

Tja, die blinden Flecken auf der literarischen Landkarte ... Mal abgesehen davon, dass natürlich niemand alles kennen kann. Aber es ist schon krass, wie viel an Literatur auf der Welt durch unser literarisches Raster fällt, obwohl schon so viel gedruckt und veröffentlicht wird. Fällt mir bei der Gelegenheit mal wieder auf. 🤫

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Donnerstag, 13. Februar 2020

Sebastian Barry: Tage ohne Ende



(Übersetzung: Hans-Christian Oeser)

„Also, wie sie in Missouri ne Leiche aufbahren, das schießt wirklich den Vogel ab. Als würden sie unsere armen verlorenen Muschkoten für ne Hochzeit herrichten und nicht für den Tod.“ (Seite 9)

Der sich da wundert, das ist Thomas McNulty. Und er erzählt seine Geschichte, die auch die Geschichte von John Cole ist. Die beiden sind nämlich unzertrennlich und gehören zusammen. Damit das gleich mal gesagt ist.

Die aufgebahrten Muschkoten sind Jungs wie sie selbst, die sich kaum siebzehn, achtzehn Jahre alt für ein sattes, geregeltes Leben in der Armee gemeldet haben. Geregelt war es dann auch meistens, satt nicht immer. Die Indianerkriege, die Prärie, der Winter in der Prärie aber auch der Sommer – all das forderte immer wieder seinen Tribut. Und gezahlt wurde der unter anderem mit aufgebahrten Muschkoten. So war das in der Mitte des 19. Jahrhunderts, mitten in Nordamerika.

Die da aufgebahrt wurden waren hergelaufene Kerle wie Thomas und John auch. Thomas, der Erzähler, kam als Knabe nach Amerika, nachdem von seiner Familie in Irland niemand mehr übriggeblieben war. John kam auch aus dem Nirgendwo, nur in Amerika halt. Sie trefen sich als Knaben, halb verhungert, gerade mal dreizehn, vierzehn Jahre alt. Sie klammern sich aneinander, und das darf man auch wörtlich nehmen, und beschließen, fortan gemeinsam diesem Leben entgegenzutreten.

So treten sie zunächst in den Saloon von Mr Noone, der größere, schöne John und der gewitzte Thomas. Mr Noone suchte für seinen Laden in einer Bergarbeiterstadt, in der Frauen eine Seltenheit waren, Jungs, die zart und biegsam mit den hart arbeitenden Bergleuten tanzten. Thomas und John überlegen nicht lang, sagen zu und werden zur Attraktion in der Stadt. Allabendlich schlüpfen sie in Kleider, machen sich zurecht und die harten Kerle werden ganz weich, wenn sie die beiden Jungs beim Tanzen führen.

Aber aus Jungs werden Männer, bei denen der Zauber, wenn sie in Frauenkleidern auftreten einfach nicht mehr derselbe ist. Bevor die Illusion für die Bergleute dahin ist, machen sich Thomas und John auf und treten in die Armee ein.

Gemeinsam erleben sie das gänzlich unromantische Leben in einem Fort mitten im Nichts. Nichts ist vielleicht missverständlich, denn da waren die Prärie und die Indianer. Mit denen ging es mal gut, mal aber auch nicht. Thomas erzählt von den Trecks, langen Ritten unter unendlichem Himmel und von den Gräueln, die sich Menschen so antun. Aber sie überleben und beschließen ihre Verpflichtung – natürlich – gemeinsam.

So selbstverständlich sie sich ins Tanzen und ins Soldatsein gefügt haben, so selbstverständlich brechen sie nun auf, um ihren Lebensunterhalt wieder mit der Verzauberung des Publikums zu verdienen. Mit dabei ist ein kleines Indianermädchen, das sie ins Herz geschlossen und adoptiert haben. Thomas schlüpft wieder in Frauenkleider, John gibt den schönen Galan und Winona singt dazu. Sie sind eine Sensation und können es noch, das Verzaubern.

Doch schon zieht der nächste Krieg herauf, der amerikanische Bürgerkrieg. Sie folgen dem Ruf ihres alten Majors und treten an. Heroischer oder weniger grauenvoll ist dieser Krieg aber auch nicht. Sie überleben gerade so und werden schließlich Farmer in Tennessee. Thomas und John finden einen Priester, der sie traut. Endlich scheinen sie ihr Glück gefunden zu haben. Doch das Leben schlägt einen weiteren Haken.

Eine der vielen Stärken dieses Romans ist die Erzählstimme von Thomas. Es ist die eines einfachen Mannes, mit dem Herz am rechten Fleck und vielleicht nicht immer geschliffenen Worten auf der Zunge. Aber Sebastian Barry schafft es, dass sie so echt klingt, wie nur irgendwas. In ihr widerspiegelt sich der unbedingte Willen, sein Leben in die eigene Hand zu nehmen, sich nicht zu verbiegen und auch im schlimmsten Grauen noch Liebe empfinden zu können. Die beschriebene Zeit und das erzählte Leben lassen große Gefühlsduselei nicht zu, entsprechend lakonisch klingt es mitunter, aber immer mit so viel warmherziger Empathie, dass man diesen Thomas unbedingt ins Herz schließen muss.

Die Geschichte selbst, die hier erzählt wird, hätte auch kitschig und sensationslüstern ausgestellt werden können. Barry braucht das nicht. Vollkommen unaufgeregt überlässt er Thomas das Wort und der braucht nicht viele Schnörkel, um vom Grauen ebenso eindringlich zu erzählen wie von seiner Liebe und davon, wie sehr sich das Tragen von Uniform und Frauenkleidern für ihn unterscheidet, wie sehr er sich darin unterscheidet.

Dank und großes Lob gebühren dem Verlag für die ganz wunderbare Gestaltung und Ausstattung des Buches und dem Übersetzer für solch grandiose Arbeit.

Kurz und gut: Egal wer dieses Kleinod verfilmen will, macht es bitte nicht kaputt. In jedem Fall gilt – lesen, unbedingt!

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Montag, 10. Februar 2020

Eva Berendsen / Katharina Rhein / Tom David Uhlig (Hrsg.): Extrem unbrauchbar. Über Gleichsetzungen von links und rechts



"Rechtspopulistische Strömungen finden auf ihrem Feldzug gegen die Demokratie ein mächtiges b begriffliches Mittel vor: die Extremismustheorie. Im Sprechen über die Gesellschaft hast sich ein Hufeisenmodell durchgesetzt: Eine Mitte der Gesellschaft werde von ihren Rändern bedroht. Islamismus, Rechtsextremismus und Linksextremismus arbeiten daran, die Demokratie zu zerstören. Doch besonders die Gleichsetzung von Rechtsextremismus und Linksextremismus führt oft dazu, ersteren auf Kosten von letzterem zu verharmlosen. Wenn inzwischen in bürgerlichen Debatten selbst der positive Bezug auf das Grundgesetz teilweise als linksradikal diskutiert wird, desavouiert auch dieses Hufeisenmodell endgültig." (Umschlagtext)

Apropos Thüringendebatte - dieser Sammelband passt ja mal wie die Faust aufs Auge. Kemmerichs Wahl und der Tabubruch von FDP und CDU, das bürgerliche Unvermögen machttaktisches Agieren zugunsten der gemeinsamer Verantwortung für die Demokratie hintanzustellen: Als bliebe hier nur die Wahl zwischen der Bedrohung durch das Stellen der Eigentumsfrage auf der einen und Rassismus auf der anderen Seite. Was davon im Zweifelsfall schlimmer sei, die Antwort auf diese Frage birgt offenbar hinreichend selbstzerstörerische Sprengkraft für das bürgerliche Lager. Was, wenn es diese bürgerliche Mitte gar nicht (mehr) gibt?

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Sonntag, 9. Februar 2020

William Finnegan: Barbarentage



(Übersetzung: Tanja Handels)

„Eigentlich hatte ich mich nie für ein behütetes Kind gehalten.“ (Seite 11)

Zugegeben, hätte ich nur „Autobiografie eines Surfers“ gelesen, hätte mich wenig interessiert, dass es dafür den Pulitzerpreis gab. So ein Titel wie „Barbarentage“, dazu eine ansprechende Aufmachung, bei der ich nicht das Gefühl bekomme, dass gleich die Beach Boys um die Ecke kommen – das hat mich dann doch neugierig gemacht. Also rein ins kalte Wasser. Ähem … 😉

Eines gleich vorweg: Die Beach Boys tauchen hier nicht auf. Und der Sound, den ich beim Thema Surfen sofort im Ohr hatte, mit dem hat das Surfen wie es Finnegan sein Leben lang begleitet hat mal so gar nix zu tun. Puh, die quietschbunten Shorts und Hawaiihemden können also im Schrank bleiben. Obwohl Hawaii schon eine gute Überleitung ist. Denn dort beginnt Finnegan mit seinen Erinnerungen. Er ist um die 14 Jahre alt und macht zwei wichtige Erfahrungen.

Zum einen geht er, der als weißer Amerikaner gerade mit seinen Eltern, Leute vom Film, und seinen Geschwistern aus Kalifornien nach Honolulu gezogen ist, auf eine einfache staatliche Schule. Hier gehört er zur Minderheit in einem sozialen Gefüge, in dem es rau zugeht. Und dann ist da der Pazifik vor der Haustür. Wellen branden an ohne Unterlass. Am Surffieber hatte er sich schon in Kalifornien angesteckt. Aber hier gerät es ihm zum Fluchtpunkt vor einer quirligen Familie und einer angespannten Atmosphäre in der Schule. Hier im oder auch auf dem Wasser begegnen ihm die Locals anders. Er erarbeitet sich Anerkennung und Respekt. Diese Erfahrung lässt ihn die Schule besser ertragen und führt ihn zugleich früh weg von seiner Familie, die offenbar lange kaum ahnt, was ihm das Surfen, das Meer, die Wellen bedeuten.

Diese Leidenschaft, seine Hingabe ist auch der rote Faden durch diese mehr als 500 Seiten und bald 60 Jahre Leben, die er hier festhält. Aber er erzählt schon sehr viel mehr als das, auch wenn gerade am Anfang das Surfen der Antrieb für das meiste gewesen zu sein scheint.

Hawaii, Kalifornien, Südpazifik, Australien, Asien, Afrika – über Jahre ist er mit Freunden aber auch allein unterwegs, um die besten Wellen zu finden, den einen Spot, den noch niemand kennt. Wie so oft ist der Weg das Ziel, vor allem, weil er Spots bereist und entdeckt, die damals wenigstens noch allenfalls Geheimtipps waren.

Gefangen genommen hat mich die Begeisterung, mit der Finnegan unglaublich detailreich die Wellen und das Surfen beschreibt. Dass er jahrelange Erfahrung als Reporter und Autor von Reportagen hat, die er hauptsächlich für den New Yorker geschrieben hat, lässt das auch einer Landratte wie mir, ohne auch nur den Hauch einer Vorstellung vom Surfen – außer halt den Beach Boys … - nicht langweilig werden. Was auch hätte rein technisch klingen können, gerät Finnegan geradezu zu Poesie.

Fasziniert haben mich noch zwei weitere Dinge an dem Buch. Finnegan versucht gar nicht erst, sich als Experte darzustellen für jede der Weltgegenden, die er bereist hat. Aber lässt uns teilhaben an den Details, die er vor Ort wahrnehmen konnte. Und die Beschreibungen gelingen ihm so lebendig, ohne dabei pathetisch oder prätentiös zu werden, dass es eine Freude ist, seinem Weg mit dem Finger auf der Landkarte zu folgen und immer wieder innezuhalten und durch Fotos von seinen Stationen zu klicken – dem Internet sei Dank.

Ein Zweites nahm mich restlos für diesen schier rastlosen Typen und dieses Buch ein. Es ist durch und durch uneitel. Gerade Surfen hätte ich, Klischee olé, zuvor als prädestiniert gehalten für so einen testosteronschwangeren Typen, der sich zu sehr selbst in seinen Posen gefällt. Kein Stück davon bei Finnegan. Er lässt uns tief in sein Herz schauen, Ängste wie Hochgefühl miterleben, Selbstzweifel und schlotternde Angst vor dem, was diese hauswandhohen Wellen einem menschlichen Körper anzutun vermögen. Er findet Worte für seinen Respekt, der ihn auch zurückschrecken lässt, aber auch das Glücksgefühl während und nach einem geglückten Wellenritt. Er teilt das Gefühl älter zu werden und seine zunehmend enger gezogenen Grenzen anerkennen zu müssen.

Kurz und gut: Brauchste keinen Strand für. Lesen, einfach nur lesen! 😉

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Freitag, 7. Februar 2020

Cormac McCarthy: Die Strasse



"Ein Mann und ein Kind schleppen sich durch ein verbranntes Amerika. Nichts bewegt sich in der zerstörten Landschaft, nur die Asche schwebt im Wind. Es ist eiskalt, der Schnee schimmert grau. Sie haben kaum etwas bei sich: ihre Kleider am Leib, einen Einkaufswagen mit der nötigsten Habe und einen Revolver m mit zwei Schuss Munition. Ihr Ziel ist die Küste, obwohl sie nicht wissen, was sie dort erwartet. Die Geschichte der beiden ist eine düstere Parabel auf das Leben, und sie erzählt von der herzzerreißenden Liebe eines Vaters zu seinem Sohn." (Umschlagtext)

Dass McCarthy "düster" wirklich gut kann, davon konnte ich mich schon bei der Border-Trilogie überzeugen. Mal abgesehen davon, dass ich das erste Mal seit Karl May vor vielen vielen Jahren wieder Spaß an Western hatte.

Die Verfilmung von "Die Strasse" habe ich, glaube ich zumindest, einmal zufällig so halb gesehen. Da brachte ich den Film und Cormac McCarthy aber noch nicht zusammen. 🤷‍♂️

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Mittwoch, 5. Februar 2020

Timothy Snyder: Über Tyrannei. Zwanzig Lektionen für den Widerstand



"Geschichte wiederholt sich nicht. Aber ihr Verlauf wird von Konstellationen und Rahmenbedingungen in den jeweiligen Gesellschaften mitbestimmt, die nicht singulär sind: Durch die jüngere Vergangenheit insbesondere Europas ziehen sich wie ein roter Faden Obrigkeitshörigkeit, Verantwortungslosigkeit, fehlende Reflexionsbereitschaft und Mutlosigkeit bei den einen, Menschenfeindlichkeit, Machtmissbrauch und Demagogie bei den anderen. Verächter von Demokratie und Menschenrechten aber gewinnen, so Timothy Snyder, ihre zerstörerische Machtfülle nicht über Nacht. Daher gelte es, den Anfängen jedweder Tyrannei zu wehren. Snyders pointierte zwanzig Lektionen rufen dazu auf, emphatisch und engagiert für demokratische Prinzipien weitere Meinungs- und Pressefreiheit, Gewaltenteilung, Menschenwürde, Wahrhaftigkeit und Toleranz einzutreten." (Umschlagtext)

Kannste dir manchmal nicht ausdenken. Erfurt, 05.02.2020, Landtag. Demokratie-Bildung kann es offensichtlich nicht genug geben. Und Bildung in Sachen Geschichte auch nicht.

Schämt euch, FDP und CDU in Thüringen!

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Montag, 3. Februar 2020

Maya Angelou: Ich weiß, warum der gefangene Vogel singt



"Die Ikone der afroamerikanischen Literatur, ihr epochemachendes Werk: Maya Angelou erlöst in den Dreißigerjahren im Krämerladen ihrer Großmutter am Rande einer Baumwollplantage auf. Für sie und ihren Bruder ein Ort des Zaubers und des Spiels inmitten einer schwarzen Gemeinde, die der Hass und die Armut auszulöschen drohen ..." (Umschlagtext)

Mal wieder so ein Zufallsfund, bei dem ich sehr gespannt bin - auch, weil mir Maya Angelou bisher unbekannt war.

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