Sonntag, 7. Oktober 2018

Detlef Grumbach (Hrsg.): DEMO.FÜR.ALLE. Homophobie als Herausforderung



„Orlando, 12. Juni 2016: Ein Attentäter betritt den queeren Club Pulse. Dort feiern Latinos eine Party, die meisten sind schwul, lesbisch, bisexuell oder transgender. Er tötet 49 Besucher*Innen und verletzt 53 weitere.“ (Seite 7, Vorwort von Detlef Grumbach)

Das Attentat von Orlando, das dem Vorwort des Herausgebers als Bezugspunkt dient, war ein trauriger Höhepunkt der an ähnlich schaurigen Gelegenheiten nicht armen Zeit zunehmender gesellschaftlicher Spaltung in den USA noch vor der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten. Kurze Zeit nach dem Erscheinen des Debattenbandes gab es in Deutschland wiederum diesen euphorischen Moment, in dem die Ehe für alle so ganz plötzlich auf der Tagesordnung stand und möglich wurde. Wie lässt sich anhand zweier so gegensätzlicher Ereignisse argumentieren, dass dieser und ähnliche weitere Beiträge zu einer gesellschaftlichen Debatte notwendig sind?

Der Begriff der Klasse lag der gesellschaftlichen Linken lange schwer im Magen, erreicht aber inzwischen wieder ein immer jüngeres Publikum. Sie suchen und finden damit ein Instrumentarium die mehr und mehr fragmentierte Gesellschaft zu beschreiben, die immer weiter auseinanderklaffenden Chancen für Einzelne systematisch zu analysieren und zu beschreiben. Zugleich verstärkt sich die Debatte, wie viel Identitätspolitik für immer kleiner werdende Gruppen es braucht entgegen dem einenden Band der Klasse. Aber auch innerhalb der immer kleiner werdenden identitätspolitisch ausgerichteten Gruppen scheint der Kampf um Deutungshoheit noch lange nicht ausgefochten. Ich gebe zu, dass ich hier sehr grob zusammenfasse.

Auch hierzulande ist immer öfter von einer auch durch den Aufschwung der Populisten von Rechts beförderten Polarisierung der Gesellschaft die Rede. Aber noch verteidigen die selbsternannten Retter des Abendlandes „ihre Frauen“ und selbst „ihre Homos“ gegen den Islam und gegen jeden einzelnen geflüchteten Menschen im Besonderen. Das gelingt vor allem, weil sie so konsequent pauschalisieren und damit rassistische Stereotype bedienen. Geflüchtete sind alle Moslems und der Islam ist so und so. Also sind alle Moslems so.

Was aber, wenn keine Geflüchteten mehr kommen, weil unsere Mauern so hochgezogen worden sind, dass sie nicht mehr als einfachste populistische Erklärung für alle herhalten können. Was, wenn dann genauer nachgeschaut wird, wer dem Volkskörper noch alles schädlich sein könnte? Was, wenn dann alle liberalen Errungenschaften wie die Ehe für alle ganz schnell wieder in Frage stehen?

Wird dann ein Klassenbegriff von links helfen, wenn er alle Unterschiede innerhalb der Klassen ausblendet? Werden alle miteinander um die Deutungshoheit ringenden Gruppen dann noch dazu in der Lage sein, auch das Gemeinsame zu sehen?

Natürlich kann ein solches Buch all das nicht verhindern oder auch nur ausführlich beschreiben. Aber es ein Hoffnungsschimmer, dass dieser und auch andere Debattenbände, wie zum Beispiel diejenigen von Patsy l´Amour laLove im Querverlag, schon eine Weile lang sehr gefragt sind und für emotional geführte Diskussionen sorgen. Ich will gern hoffen, dass es ein gutes Zeichen, dass wir diskutieren.

Kurz und gut: Nicht vollständig und allumfassend, aber ein guter Einstieg in eine aktuelle Diskussion. Wir mögen geglaubt haben, dass schon fast alles erreicht sei. Dieser Band lässt erahnen, dass auch für unsere Generation und die nachfolgenden genügend gesellschaftliche Kämpfe übrig sind.

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