„Orlando, 12. Juni 2016: Ein Attentäter betritt den queeren Club
Pulse. Dort feiern Latinos eine Party, die meisten sind schwul, lesbisch,
bisexuell oder transgender. Er tötet 49 Besucher*Innen und verletzt 53
weitere.“ (Seite 7, Vorwort von Detlef Grumbach)
Das Attentat von Orlando, das dem Vorwort des Herausgebers als Bezugspunkt
dient, war ein trauriger Höhepunkt der an ähnlich schaurigen Gelegenheiten
nicht armen Zeit zunehmender gesellschaftlicher Spaltung in den USA noch vor
der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten. Kurze Zeit nach dem Erscheinen des Debattenbandes
gab es in Deutschland wiederum diesen euphorischen Moment, in dem die Ehe für
alle so ganz plötzlich auf der Tagesordnung stand und möglich wurde. Wie lässt
sich anhand zweier so gegensätzlicher Ereignisse argumentieren, dass dieser und
ähnliche weitere Beiträge zu einer gesellschaftlichen Debatte notwendig sind?
Der Begriff der Klasse lag der gesellschaftlichen Linken lange
schwer im Magen, erreicht aber inzwischen wieder ein immer jüngeres Publikum. Sie
suchen und finden damit ein Instrumentarium die mehr und mehr fragmentierte
Gesellschaft zu beschreiben, die immer weiter auseinanderklaffenden Chancen für
Einzelne systematisch zu analysieren und zu beschreiben. Zugleich verstärkt sich
die Debatte, wie viel Identitätspolitik für immer kleiner werdende Gruppen es
braucht entgegen dem einenden Band der Klasse. Aber auch innerhalb der immer
kleiner werdenden identitätspolitisch ausgerichteten Gruppen scheint der Kampf
um Deutungshoheit noch lange nicht ausgefochten. Ich gebe zu, dass ich hier
sehr grob zusammenfasse.
Auch hierzulande ist immer öfter von einer auch durch den
Aufschwung der Populisten von Rechts beförderten Polarisierung der Gesellschaft
die Rede. Aber noch verteidigen die selbsternannten Retter des Abendlandes „ihre
Frauen“ und selbst „ihre Homos“ gegen den Islam und gegen jeden einzelnen
geflüchteten Menschen im Besonderen. Das gelingt vor allem, weil sie so konsequent
pauschalisieren und damit rassistische Stereotype bedienen. Geflüchtete sind
alle Moslems und der Islam ist so und so. Also sind alle Moslems so.
Was aber, wenn keine Geflüchteten mehr kommen, weil unsere Mauern
so hochgezogen worden sind, dass sie nicht mehr als einfachste populistische
Erklärung für alle herhalten können. Was, wenn dann genauer nachgeschaut wird,
wer dem Volkskörper noch alles schädlich sein könnte? Was, wenn dann alle
liberalen Errungenschaften wie die Ehe für alle ganz schnell wieder in Frage
stehen?
Wird dann ein Klassenbegriff von links helfen, wenn er alle Unterschiede
innerhalb der Klassen ausblendet? Werden alle miteinander um die Deutungshoheit
ringenden Gruppen dann noch dazu in der Lage sein, auch das Gemeinsame zu
sehen?
Natürlich kann ein solches Buch all das nicht verhindern oder auch
nur ausführlich beschreiben. Aber es ein Hoffnungsschimmer, dass dieser und
auch andere Debattenbände, wie zum Beispiel diejenigen von Patsy l´Amour laLove
im Querverlag, schon eine Weile lang sehr gefragt sind und für emotional
geführte Diskussionen sorgen. Ich will gern hoffen, dass es ein gutes Zeichen,
dass wir diskutieren.
Kurz und gut: Nicht vollständig und allumfassend, aber ein guter
Einstieg in eine aktuelle Diskussion. Wir mögen geglaubt haben, dass schon fast
alles erreicht sei. Dieser Band lässt erahnen, dass auch für unsere Generation
und die nachfolgenden genügend gesellschaftliche Kämpfe übrig sind.
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