Montag, 29. Mai 2023

Florian Gotschick: Damals im Sommer


„Es sind die großen Ferien, irgendwann Ende der neunziger Jahre. Eine lähmende Hitze liegt über dem kleinen Haus in den Dünen, in dem zwei Brüder mit ihren Eltern den Urlaub verbringen. Die Tage sind durchzogen von der ewigen Konkurrenz der beiden, keine Möglichkeit wird ausgelassen, ihre Kräfte zu messen. Bis sie am Strand den gleichaltrigen Flip kennenlernen, der das Leben der Brüder für immer verändern wird.“ (Umschlagtext)

Nach einem Sommerbuch habe ich gefragt und vertraue der besten Bücherfrau von allen natürlich blindlings. 😉

Ich hab das ja schon das eine oder andere Mal festgestellt, dass es faszinierend ist, wie fasziniert wir immer wieder von diesen Jugendgeschichten sind. Dieser Zauber, Dinge, Situationen, Erfahrungen das erste Mal zu erleben ist offenbar so stark, dass wir ihn immer wieder suchen. Manche lesen solche Geschichten vielleicht mit wehmütigem Blick zurück, andere staunen, welche Wege das Leben so nehmen kann, wenn man andere Entscheidungen trifft. Ich hoffe sehr, dass der Roman die gefährlichen Klippen des vorhersehbaren Kitsches souverän umschiffen kann. 😊

„Ein Sommerurlaub Ende der Neunziger, zwei Brüder mit ihren Eltern am Meer. Der eine knapp siebzehn, vorlaut, sportlich und schon erfahren im Umgang mit Mädchen; der andere fünfzehn, oft in Gedanken versunken, schüchtern und ohne Sixpack. Doch alles wird anders, als der Jüngere am Strand dem geheimnisvollen Filip begegnet. Dieser fasziniert ihn auf eine Weise, die er schwer einordnen kann: mit seinem Lächeln, seinen Segelohren, seinem muskulösen Körper. Am letzten Ferientag geschieht das Undenkbare und doch insgeheim so Ersehnte: Sie verbringen eine gemeinsame Nacht. Danach ebbt der Kontakt ab, Filip bleibt schmerzhaft unerreichbar, verblasst. Bis der Fünfzehnjährige etwas über den Franzosen erfährt, das ihn über Nacht erwachsen werden lässt …

Florian Gotschick erzählt faszinierend direkt, wehmütig und voller Humor von der Euphorie der ersten Liebe und davon, wie ein Erlebnis in der Jugend dem Leben eine ganz eigene Wendung geben kann.“ (Klappentext)

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Samstag, 27. Mai 2023

Mosaik #570


So ein wenig Zeitreise darf bei einem langen Schmökerwochenende ja schon dabei sein, oder?! 😉

https://gregorsliste.blogspot.com/

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Freitag, 26. Mai 2023

Anna Mayr: Die Elenden. Warum unsere Gesellschaft Arbeitslose verachtet und sie dennoch braucht


„Anna Mayr war noch ein Kind und schon arbeitslos. Sie ließ die Armut hinter sich, doch den meisten gelingt das nicht – und das ist so gewollt. Dieses Buch zeigt, warum.

Faul. Ungebildet. Desinteressiert. Selber schuld. Als Kind von zwei Langzeitarbeitslosen weiß Anna Mayr, wie falsch solche Vorurteile sind – was sie nicht davor schützte, dass ein Leben auf Hartz IV ein Leben mit Geldsorgen ist und dem Gefühl, nicht dazuzugehören. Früher schämte sie sich, dass ihre Eltern keine Jobs haben. Heute weiß sie, dass unsere Gesellschaft Menschen wie sie braucht: als drohendes Bild des Elends, damit alle anderen wissen, dass sie das Richtige tun, nämlich arbeiten. In ihrem kämpferischen, thesenstarken Buch zeigt Mayr, warum wir die Geschichte der Arbeit neu denken müssen: als Geschichte der Arbeitslosigkeit. Und wie eine Welt aussehen könnte, in der wir die Elenden nicht mehr brauchen, um unseren Leben Sinn zu geben.“ (Verlagstext)

Armut, Arbeitslosigkeit in unserer reichen Gesellschaft thematisieren – richtig so. Stimmen Raum zu geben, die selbst Arbeitslosigkeit, Armut und alles, was damit verbunden ist, erfahren mussten und sich ein Leben jenseits davon aufbauen konnten – richtig so. Wie oft schaffen wir es aber, mit denen ins Gespräch zu kommen, die nicht zu Lesungen gehen (können), nicht an Diskursen teilnehmen (können), für die es mehr als nur eine Bildungshürde gibt?

Trotzdem und genau deswegen sind Bücher wie dieses wichtig und ich bin gespannt auf die Lektüre.

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Montag, 22. Mai 2023

Svenja Leiber: Kazimira


„Ein abgelegener Ort am Baltischen Meer wird zum Schauplatz des größten Bernsteinabbaus der Geschichte. Svenja Leiber erzählt vom Aufstieg und Fall der ‚Annagrube‘, von der Zeit der Industrialisierung in Europa bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Vor allem aber von Frauen, die sich gegen Hass und Gewalt stellen – im Mittelpunkt: Kazimira und ihr Ringen um Selbstbestimmung.“ (Umschlagtext)

Und schon hab ich den gesamten Messestapel vorgestellt, noch bevor der Mai sich dem Ende zuneigt. 😊

Die Beschreibung lässt erahnen, dass dies einer der Texte ist, in dem Geschichte mit Macht in die Reihen von Familien fährt und grausige Schneisen hinterlässt. Oft genug bietet das die Gelegenheit für gute Literatur, die etwas zu sagen und etwas zu erzählen hat. Genau darauf setze ich bei diesem Buch.

„Ein abgelegener Ort am Baltischen Meer, Ende des 19. Jahrhunderts. Kazimira muss sich um Haus und Kind kümmern, obwohl sie lieber arbeiten will wie ihr Mann. Der ist Vorarbeiter in der ‚Annagrube‘, dem gewaltigen Bernsteinwerk von Moritz Hirschberg. Doch als sich das Wagnis des Untertagebaus endlich auszahlt und die Grube zum Erfolg wird, werden auch Neid und Missgunst laut. Antisemitismus und Nationalismus greifen um sich, die Hirschbergs werden vertrieben. Kazimiras Sohn zerbricht am Ersten Weltkrieg, ihre Urenkelin wird später Opfer der Euthanasie-Morde durch die Deutschen. Und Kazimira muss erfahren, dass sie ihren langen Weg, der sie auch in den Zweiten Weltkrieg geraten lässt, allein zu gehen hat …“ (Verlagstext)

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Freitag, 19. Mai 2023

Bastian Schlange: Das einzig wahre Faktencheckbuch. Recherchen, Einblicke und Erfahrungen von Deutschlands erster Faktencheckredaktion


„Schon gehört? Die Regierung packt winzige Parasiten und Miniroboter auf Corona-Teststäbchen, um unsere Gedanken zu kontrollieren. Das Abhacken von Händen gehört bald zum deutschen Strafrecht. Und geschlechtsneutrale Weihnachtsmänner sind die Vorboten des Bevölkerungsaustausches in Europa.

Solche Fake News und alternative Fakten gehören mittlerweile zur Normalität. Wie konnte es so weit kommen? Wer attackiert mit Lügen unsere Demokratie? Und was sind die Waffen der Desinformierer?

CORRECTIV.Faktencheck hat 2017 als erste Redaktion in Deutschland den Kampf gegen organisierte Lügenkampagnen in den Sozialen Netzwerken aufgenommen. ‚Das einzig wahre Faktencheckbuch‘ erzählt vom unermüdlichen Ringen der Journalisten um die Wahrheit, von Anfeindungen und Momenten des Zweifelns. Es gibt Einblicke in die Abgründe unserer Informationsgesellschaft, entlarvt Scharfmacher und Aufwiegler, ihre Methoden und Netzwerke. Und es gibt Tipps, wie wir es schaffen, uns vor Fake News zu schützen.

Denn nur so können wir als Gesellschaft unsere Demokratie verteidigen.“ (Umschlagtext)

Das Posten ist beim vorletzten Fundstück von der #LBM auf dem Messestapel angekommen. 😊

Am Stand vom CORRECTIV-Verlag fiel mir dieses feine Stück in die Hände. Gut gestaltete Sachbücher … ich muss gar nicht weiterreden. 😊 Also, die redaktionelle Gesellschaft als Gegenmittel zu Desinformation, Fake News, kruden Debatten und populistischem Gehabe im öffentlichen Raum – als Kommunikationstrainer und politischer Bildner fühle ich mich angesprochen. Immerhin beschäftigen diese Themen auch mich nicht nur in Lernräumen, sondern nicht weniger in privaten Diskussionen, im Alltag …

Auf der Messe fand passenderweise eine Veranstaltung mit dem Autor und zum Buch statt. Dieser kleine Einblick in die Redaktionsarbeit hat mich schwer neugierig auf die Arbeit von CORRECTIV gemacht.

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Dienstag, 16. Mai 2023

Anna-Elisabeth Mayer: Kreidezeit


„Als Martha Kopetzky die E-Mail vom Bildungsministerium bekommt, ist sie sofort alarmiert. Ihre Schüler:innen sollen fortan durch die digitale Lernplattform KREIDE – Kreative Intelligenz durch E-Learning – beim Lernen überwacht werden. Aus einer Beschwerdemail wird ein ausgewachsenes politisches Engagement: Martha versucht den Einsatz der KREIDE mit einer Petition zu verhindern und wirbelt damit viel Staub auf. Schließlich hat sie nicht vor, die Kinder kampflos den Tech-Giganten zu überlassen. Aber auch ihrem Gegenspieler Anatol Penzel aus dem Bildungsministerium kommen mehr und mehr Zweifel an dem Vorhaben. Mit der Zeit werden die beiden immer weiter miteinander verstrickt, getrieben vom gemeinsamen Aufbegehren gegen eine zutiefst digitalisierte Welt.

Mit bissiger Ironie und überaus unterhaltsam erzählt Anna-Elisabeth Mayer vom Zusammenleben zwischen Mensch und Maschine in unserer schönen neuen Welt.“ (Umschlagtext)

Der Messestapel nähert sich seinem Ende, aber noch hab ich was zum Posten. 😊

Beim Schöffling Verlag werde ich auch ohne Messe immer wieder fündig. Viel spannender ist es natürlich, auf der LBM am Stand zu stöbern. Und dabei fiel mir dieses hübsche Ding in die Hände. Der Umschlagtext versprach für meinen Geschmack genügend Wiener Schmäh, so dass ich zugriff und mich jetzt auf eine ganz analoge Lektüre mit Papierrascheln und ohne Kabelsalat freue. 😉

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Sonntag, 14. Mai 2023

Xaver Rammbock: Die Welt der Knollennasen. Eine sozio-rhinologische Untersuchung


„Ob Konrad und Paul, Adam und Eva oder Gronzo Granato – Ralf König hat ein ganzes Universum der Knollennasen geschaffen. Was liegt also näher, als diese in zirka dreißig Jahren entstandenen Geschichten einmal gründlich zu analysieren und das ‚Weltbild‘ herauszuarbeiten, das ihnen zugrunde liegt. Man kann nur staunen, auf welche Bereiche in Alltag, Kultur und Geschichte sich die Welt der Knollennasen bereits erstreckt. Wir hoffen, dass die Leser dankbar dafür sein werden, die geballte Lebensweisheit dieser Welt nun in komprimierter Form präsentiert zu bekommen. Ein Muss für Ralf-König-Fans!

Xaver Rammbock wurde als Zwillingsbruder des Pornodarstellers Richie Rammbock in die Welt der Knollennasen geboren, siedelte später jedoch in die USA und dann nach Berlin um. Er studierte Medizin und lehrte Rhinologie an verschiedenen Universitäten. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt auf der Zwillingsforschung. 2009 erhielt er den Dirty-Deal-Preis der Muckraker-Society für seinen investigativen TV-Beitrag ‚Ein Knollen-Ei – zwei rattige Rivalen‘.“ (Umschlagtext)

Nur weil ein paar Tage seit dem letzten Post zum Messestapel vergangen sind, heißt das natürlich nicht, dass der Stapel schon abgeräumt wäre. Nein, nein! 😉

Diesen feinen, kleinen Band habe ich geschenkt bekommen und mich riesig darüber gefreut. Natürlich habe auch ich Ralf Königs Knollennasen lieben gelernt. Und dieses kleine Geschenk, das übrigens schon 2010 erschienen ist, erinnert mich daran, mal wieder in einem König-Comic zu blättern.

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Mittwoch, 10. Mai 2023

Selva Almada: Kein Fluss


„Drei Männer, die zum Angeln fahren und mit den Bewohnern im benachbarten Ort beim abendlichen Tanzfest fast tödlich aneinandergeraten. Warum? Männersachen? Frauengeschichten? Dahinter verbirgt sich viel mehr, und auch deshalb ist dunkle Wasser nicht nur ein Fluss, aus dem riesige Rochen gefischt werden und in dem Männer verschwinden. Die Argentinierin Selva Almada erzählt eine wilde Geschichte, in der vieles mitgeteilt und vielsagend verschwiegen wird. Niemand versteht es, die verhängnisvolle Männerwelt Lateinamerikas mit solch zarter Wucht zu beschwören, wie diese unvergleichliche Autorin.“ (Umschlagtext)

Hat da jemand Messestapel gesagt? 😉

Ein gut gemachter Umschlagtext, ein ansprechendes Cover, sowieso schön gemachte Bücher – ok Berenberg Verlag, ihr habt mich schnell gekriegt. 😊

Ein gerade mal knapp hundert Seiten langer Roman über die Männerwelt Lateinamerikas von einer Autorin, das klingt doch mal spannend. Zumal DIE Romane der lateinamerikanischen Männer, wenn ich so an Marquez und Co denke, eher sehr viel mehr Seiten zählen. Aber egal, das Buch sprach mich am Messestand unverblümt an und durfte direkt mitkommen.

(Übersetzung: Christian Hansen)

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Dienstag, 9. Mai 2023

Amani Abuzahra: Ein Ort namens Wut. Die emotionale Landkarte der Marginalisierten und was Rassismus mit Gefühlen macht


„Wut ist nicht gleich Wut, sie hat viele Gründe: Ungerechtigkeit, Rassismus, Sexismus.

Das Ausleben dieser Emotion ist allerdings nicht allen gleichermaßen möglich. Während ‚besorgte Bürger:innen‘ ihren Ärger auf Demos kundtun, wirken wütende Marginalisierte in der Öffentlichkeit oft zu laut, zu fordernd, zu bedrohlich. Was aber tun mit Wut, die nicht sein darf? Welchen Raum bekommen wütende Marginalisierte? Und was liegt unter und hinter dieser Wut, die von Ausgrenzung erzeugt wird?

Amani Abuzahra stößt in ihrer bestechenden Gesellschaftsanalyse auf Gefühle wie Angst, Scham, Trauer und Erschöpfung, zeichnet eine emotionale Landkarte der Marginalisierten und zeigt, dass Wut nicht nur ein Gefühl mit riesigem Potenzial, sondern auch ein Ort ist, der für alle ein Kraftzentrum sein kann – wenn wir den Mut haben, es zuzulassen.“(Umschlagtext)

Weiter mit dem Messestapel! 😉

Wenn Marginalisierte, Minderheiten laut und wütend auftreten, heißt es gleich: Die sollen mal nicht übertreiben, so schaden sie nur ihren eigenen Anliegen und so weiter. Ehrlich betrachtet, haben wir das alle schon so oder so ähnlich gehört, vielleicht auch einmal gedacht.

Schon seit einer Weile landeten Diskussionen, in die ich gern auch ungeplant gerate, immer wieder bei der Frage, ob Protest, Widerspruch und Forderungen von Marginalisierten nicht auch „netter“ vorgetragen werden könnten. Meine Gegenfrage ist das oft: Welcher Fortschritt für Marginalisierte wurde denn mal durch Nettigkeiten erreicht?

Der Gedanke, dass Wut von Menschen auch danach bewertet wird, wer sie äußert, führt zu einer weiteren Facette und vielleicht besserem Verständnis für die Auseinandersetzungen, die Marginalisierte führen müssen.

Ich freue mich auf hoffentlich neue Erkenntnisse mit diesem Buch und erwähne gerne mal wieder, dass ich auch die Gestaltung der Bücher von Kremayr & Scheriau immer wieder echt gelungen finde. Bei Sachbüchern ist das ja leider noch nicht überall selbstverständlich. 😉

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Montag, 8. Mai 2023

Michael Göring: Dresden. Roman einer Familie


„Fabian reist zum ersten Mal über die deutsch-deutsche Grenze zur Familie Gersberger nach Dresden. Danach kommt er fast jedes Jahr. Er verliebt sich in Anne, freundet sich an mit ihrem Bruder Kai und wird Zeuge, wie die Unzufriedenheit mit dem Staat von Jahr zu Jahr wächst. Gleichzeitig erlebt Fabian eine zwischenmenschliche Wärme in der Familie, die ihn, den Westbesucher, herausfordert und verändert. 

Michael Göring schreibt eine bewegende Familiengeschichte und erzählt einfühlsam und präzise von den entscheidenden Jahren 1975-1989.“(Umschlagtext)

 

Zurück zum Messestapel! 😉

 

Zu Romanen, die vom Erwachsenwerden im Osten – vor oder nach der Wende – erzählen, hatte ich ja schon festgestellt, dass diese Stoffe offenbar seit geraumer Zeit ihr Publikum finden. Spannend fand ich hier die Prämisse der Story, dass ein echter „Wessi“ Teil der Geschichte wird. Also, ich darf gespannt sein! 😉

 

„Als Fabian 1975 zum ersten Mal nach Dresden reist, kommt er bei Freunden der Eltern, den Gersbergers, unter. Der Student aus Köln will sehen, ob das Leben in der ‚Ostzone‘ wirklich so schlecht ist, wie sein Vater immer behauptet. Fabian freundet sich schnell mit Gleichaltrigen an und verliebt sich Hals über Kopf in die Tochter der Familie, Anne. Diese Verwirrung der Gefühle wird rasch eingeholt vom Alltag im geteilten Deutschland, und als Fabian ein Jahr später erneut nach Dresden reist, ist Anne verheiratet und hat ihren Sohn Leo zur Welt gebracht.

 

Was trotz des Eisernen Vorhangs eine große Liebe hätte werden können, entwickelt sich über die Jahre zu einer tiefen Freundschaft. Fabian kommt fast jedes Jahr, sucht Annes Nähe, erlebt, wie ihr Bruder Kai durch die Elbe schwimmend in den Westen will und scheitert. Während Kai sich im Hass auf das DDR-Regime der Familie entzieht, ist dessen Vater Ekki weiterhin davon überzeugt, dass die DDR reformfähig ist. Am 1. Oktober 1989 sitzt Kai im Zug von Prag nach Hof, und Fabian trifft sich mit Anne in Ostberlin.“ (Klappentext)

 

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Sonntag, 7. Mai 2023

Hanya Yanagihara: Ein wenig Leben


(Übersetzung: Stephan Johann Kleiner)

„Die elfte Wohnung hatte nur einen einzigen Schrank, aber es gab eine gläserne Schiebetür, die auf einen kleinen Balkon führte, von dem aus er einen Mann im Haus gegenüber sehen konnte, der nur mit T-Shirt und kurzen Hosen bekleidet im Freien saß und eine Zigarette rauchte, obwohl es schon Oktober war.“ (Seite 11)

Ich muss die Reihe meiner Messeausbeuten mal kurz unterbrechen und dieses kleine Büchlein mit gerade einmal 950 Seiten dazwischenschieben. Mein Intermezzo in Sachen antizyklisches Lesen. 😊

Ich kann mich noch gut erinnern, dass mir dieses Buch eine Zeitlang nun wirklich überall über den Weg gelaufen ist. Wie so oft weckte das meinen Trotz, in jedem Fall das Taschenbuch abzuwarten und dieses dann auch noch einmal so lange liegenzulassen, bis ich wirklich dazu greifen mochte. Jetzt kann ich also mitreden. 😊

Gleich vorneweg kann ich festhalten: Ja, ihr hattet ja alle recht, die ihr das Buch gepriesen und gelobt habt. Es ist wirklich ein grandios gut geschriebenes Werk, eine Geschichte mit Sogwirkung und emotional packend obendrein.

Der Umschlagtext behauptet, es sei die Geschichte von vier Freunden. Das stimmt für mich nicht so ganz. Trotz aller Perspektiv- und Zeitenwechsel ist Jude St. Francis die unangefochtene Hauptfigur. Der Freundeskreis, den wir hier vom College über mehrere Jahrzehnte begleiten können, dreht sich, mal enger, mal schneller, mal weiter und gemächlicher aber eben immer um Jude. Letztlich ist er mit seiner Geschichte der Fixpunkt, auf den alle und alles irgendwie immer ausgerichtet ist.

Dabei ist Jude auch zugleich der Zerbrechlichste und auch Stärkste der vier. Die wenigen Jahre seines Lebens, bevor sich die Vier das erste Mal begegnen, bleiben den Freunden aber auch uns Leser:innen lange verborgen. Nur zaghaft und widerspenstig schält sich Schicht um Schicht ab, bevor sich das ganze Ausmaß an Leid und Drama erkennen lässt.

Dieses sich Häuten der Vergangenheit präsentiert uns Yanagihara zwar mit einer Sprache, einem erzählerischen Rhythmus, der sich bestens verschlingen lässt. Aber so, wie Jude immer wieder zunächst durch neue Höllen gehen muss, bevor er bereit ist, eine weitere Enthüllung hinzunehmen und noch eine und noch eine. So lässt die Autorin auch uns Lesende gekonnt mitleiden, gerade weil alles so lange so schemenhaft bleibt und sich jedes Mal als noch grausamer entpuppt als befürchtet.

Liebe und Freundschaft trotzen diesem eigentlich trostlosen Setting immer wieder Lichtmomente ab, in denen auch ich gegen jede düstere Ahnung auf ein Happy End oder wenigstens einen Hauch davon hoffte. Das über eine solche Strecke aufrecht zu erhalten, ist eine große literarische Leistung, die sicher nicht genug gewürdigt werden kann.

Mit der besten Bücherfrau von allen sprach ich ein paar Mal über etwas, das uns beiden aufgefallen war. Wir waren aber sicher nicht die einzigen. 😊

Alle Figuren in dem Roman durchlaufen auf die eine oder andere Art ihre Tiefen aber auch ihre Höhen. Letztlich leben sie alle in einer Welt, in der Geld keine Rolle spielt, auch wenn das eingangs noch etwas differenzierter ist. Die Geschichte greift das finanziell sehr erfolgreiche Leben der Charaktere nur insofern auf, weil es die Lebensumstände erklärt. Eine Frage, die wir uns gestellt haben, war, wie die Geschichte mit diesen Protagonisten funktioniert hätte, wenn zu allem, womit sie geschlagen sind, auch noch fortwährende existenzielle, finanzielle Sorgen und Nöte hinzugekommen wären? Würde die Geschichte dann genauso funktionieren? Wenn nicht, was ließe sich daraus an Erkenntnis gewinnen?

Ich versuche mal eine Antwort, ohne Anspruch auf Wahrheit: Ich vermute, dass die Geschichte eine deutlich andere geworden wäre, wären die Charaktere arm oder auch nur „normal“ vermögend. Es würde Gewissheiten und Spielräume der Figuren vermutlich deutlich verschieben. Die Geschichte über Liebe und Freundschaft und eine dunkle Vergangenheit würde ganz andere Bilder benötigen, um ähnlich wirkmächtig zu werden. Vielleicht ist es auch gerade der grelle Gegensatz von Reichtum und Leid, der hier besonders wirksam ist. Dem Roman, nimmt diese Überlegung nichts. Aber es ist spannend, darüber nachzudenken.

Kurz und gut: Es kommt schlimmer. Aber das ist Literatur. Unbedingt Lesen!

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Freitag, 5. Mai 2023

Peter Laudenbach: Volkstheater. Der rechte Angriff auf die Kunstfreiheit


„Die Neue Rechte hat die Kultur als Kampffeld entdeckt. Aber weshalb interessieren sich AfD- Politiker plötzlich für Tanztheater und zeitgenössische Musik? Und was geht im Kopf von Leuten vor, die Buchhändlern das Auto anzünden oder Sprengsätze in Jugendzentren werfen?
Der Journalist Peter Laudenbach untersucht den rechten Angriff auf die Kunstfreiheit, die Rolle der AfD, die Handlungsmuster, Feindbildmarkierungen und Bedrohungsallianzen. Es ist ein Angriff auf die offene, liberale Gesellschaft.“ (Umschlagtext)

Und weiter geht es mit meiner Messeausbeute. 😊

Bisher habe ich nur Romane, vorzugsweise von südamerikanischen Autor:innen, aus dem Wagenbach Verlag gelesen. Am Messestand fiel mir die gar nicht so kleine Auswahl aus der Reihe „Einspruch“ ins Auge. Und da mich Laudenbachs Schreibe schon in einem Band zu Organisationsentwicklung überzeugt hatte – Zack!

Rechte Strategien, Diskurshoheit über kulturelle Fragen zu erlangen, sind lange bekannt. Trotzdem stehen wir als Gesellschaft dem immer noch scheinbar hilflos gegenüber. Gibt es eine hundertprozentig sichere Gegenstrategie? Natürlich nicht. Aber Aufklärung hilft. Und die erhoffe ich mir von diesem und ähnlichen Büchern.

„Die Neue Rechte hat die Kultur als Kampffeld entdeckt. Aber weshalb interessieren sich AfD- Politiker plötzlich für Tanztheater und zeitgenössische Musik? Und was geht im Kopf von Leuten vor, die Buchhändlern das Auto anzünden oder Sprengsätze in Jugendzentren werfen?

Theaterintendantinnen und Pianisten erhalten Morddrohungen, das Publikum muss ein Berliner Revuetheater wegen einer Bombenwarnung verlassen, in Zwickau marschieren Skins vor einer Galerie auf, in Stuttgart verlangen AfD-Abgeordnete eine Übersicht über Theatermitarbeiter mit Migrationshintergrund. Rechte Politiker sprechen üble Beleidigungen aus und appellieren ans Volksempfinden. Nichts davon ist ein Einzelfall.

Der Journalist Peter Laudenbach hat über hundert rechte Übergriffe auf die Kunstfreiheit dokumentiert. Welche Muster lassen sich dabei beobachten? Welche Funktionen und Folgen haben die gezielten Gewaltandrohungen in rechten Eskalationsstrategien? Was macht Theater und Kunstinstallationen zu attraktiven Zielen?

Der Angriff auf die Kunstfreiheit ist ein Angriff auf die offene, liberale Gesellschaft. Das Ziel sind die Markierung von Feindbildern, das Schüren von Aggression und die Polarisierung der Gesellschaft. Mit klugen und solidarischen Aktionen halten unzählige Menschen aus Kunst und Kultur dagegen.“ (Verlagstext)

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Donnerstag, 4. Mai 2023

Lars Werner: Zwischen den Dörfern auf hundert


„Benny hat den Punk für sich entdeckt. Da steckt all der Trotz drin, den er braucht, um im Dresdner Umland zu überleben. Pogo, Pillen und exzessive Lebenslust werden zur Antwort auf Attacken sadistischer Neonazis, Schlachten mit der Polizei und Spießereltern. Doch dann, inmitten der Hitzerekorde und nationalen Rauschzustände des WM-Sommers 2006, merkt Benny, dass Trotz ohne eigene Standpunkte nicht viel bringt – eine Erkenntnis, die mit einem Kuss anfängt.

Lars Werner demontiert den Mythos vom Sommermärchen, indem er sein eigenes erzählt. Hellsichtig und humorvoll zeichnet der Autor das Porträt einer ostdeutschen Jugend, die den DDR-Sozialismus nur noch aus Erzählungen kennt, dem Neonazismus dagegen täglich ausgesetzt ist. Ein deutsches Debüt mit Tiefgang, Witz und Kante.“ (Umschlagtext)

Dann starten wir mal mit dem Sichten meiner Messeausbeute. 😊

Dass es zum Albino Verlag eine besondere Verbindung gibt, hatte ich in meinen Messe-Storys ja schon erwähnt. Die Jungs vom Verlag und der Messestand waren unsere kleine Homebase während dieser Leipziger Buchmesse. Danke dafür noch mal! 😊

Das brauchte es aber nicht, um mich auf dieses Buch neugierig zu machen. Cover und Titel hatten mich schon, bevor ich auch nur den Umschlagtext gelesen habe. Das Dorfkind in mir fühlte sich sofort angesprochen und an meine dörfliche Jugend in den frühen 90ern erinnert.

Fasziniert nehme ich außerdem zur Kenntnis, dass die Kombination aus Erwachsenwerden und Ostdeutschland offenbar immer noch und weiterhin literarisch ergiebig zu sein scheint. Spannend ist, dass diese Mischung inzwischen zeitlich in den Nullerjahren angekommen ist, auch wenn der erinnernde Bezug zu dem verschwundenen Land im Osten immer noch ein Punkt ist, der diese Geschichten von ähnlichen aus dem restlichen Deutschland unterscheidet. Ich bin in jedem Fall gespannt auf die Lektüre.

„Zwei Sommer zwischen Punk und Plattenbauten: Im Dresden der Jahre 2005 und 2006 erleben Benny, seine beste Freundin Maren und ihre Clique das Erwachsenwerden im Schleudergang. Ihr Alltag zwischen Pogo-Partys im Jugendzentrum Rosaluchs, Straßenschlachten mit der Polizei und Kollisionen mit Neonazi-Banden ist ein ständiger Taumel zwischen Gefahren und Glücksmomenten. Hinzu kommen die Wirrungen der Pubertät: Eskalationen im Elternhaus, Planlosigkeit in Sachen Zukunft, Verselbständigung der Hormone. Im WM-Sommer 2006 sorgt dann auch noch die neue Fahnenschwenklust der Deutschen für Verwirrung. Und dieser komische Kuss mit seinem Kumpel Arne, der Benny deutlich mehr beschäftigt, als ihm lieb ist. Es wird Zeit, ein paar Entscheidungen zu treffen.

Nach seinen Theatererfolgen Weißer Raum und Deutsche Feiern legt Lars Werner mit Zwischen den Dörfern auf hundert seinen ersten Roman vor. Sein Debüt ist nicht nur eine ambivalente literarische Liebeserklärung an Dresden und sein Umland, sondern auch ein lakonischer Kommentar auf die Zerrissenheit der deutschen Gesellschaft. Das Ringen zwischen Gestern und Heute, Herkunft und Ankunft, Mainstream und Queerness, Stadt und Provinz – all das steckt drin im melancholischen Lebenshunger von Werners Ich-Erzähler. Und natürlich die kostbaren Momente, in denen sich alle Widersprüche auflösen und auf einmal alles richtig erscheint. Oder wie Benny es selbst ausdrückt: ‚Diese gebündelte Wut, die ich sonst wie ein Baby in mir trage, ist weg und an ihre Stelle – ein Quieken der Seele oder so.‘“ (Verlagstext)

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Mittwoch, 3. Mai 2023

Leipziger Buchmesse 2023 Nachlese


Alle vier Tage haben wir uns in diesem Jahr Zeit genommen, um so richtig richtig in die Bücherwelt der #lbm23 eintauchen zu können. Und es war großartig! Es war anstrengend, fusslähmend, rückenschmerzend, intensiv, informativ, Neugierde weckend, kollaborativ, diskursiv. Der MM und ich, wir freuen uns jetzt schon auf die #lbm24!

Ein Dank geht an all die, mit denen es kleine und größere Momente des Austausches oder des gepflegten Abhängens gab, Gespräche an Ständen oder in den Gängen und besonders natürlich an die Jungs vom Albino Verlag! Gerne wieder. 😊

Nun ist Zeit für die Messenachlese, an der ich euch den Mai über hier teilnehmen lassen kann. Die „Ausbeute“ liegt hier schon mal vor mir bereit.

Den Start macht wie bei jeder #lbm das Schmökern des kleinen Stapels an Zeitungen. Im Alltag passiert das seit Jahren schon eigentlich nur noch digital. Umso besser fühlt es sich an, beim Nachrichtenlesen mal wieder mit der Zeitungsseite zu rascheln. 😉

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