Mittwoch, 24. April 2024

Maria José Ferrada: Kramp


„Mit Entschlusskraft und dem richtigen Anzug ist alles möglich selbst als Vertreter für Eisenwaren (Marke Kramp!) in Chile Anfang der 80er Jahre. Und weil Kinderaugen auch Schraubenhändlerherzen schmelzen lassen, nimmt der Vater kurzerhand seine siebenjährige Tochter auf Verkaufstour mit. Die Kleine genießt ihre »Parallelerziehung« auf der Straße, und alles könnte für immer so weitergehen, wenn, ja wenn diese Geschichte nicht zu Chiles schlimmsten Zeiten spielte. So aber findet dieses Vater-Tochter-Roadmovie à la Paper Moon ein jähes Ende - und damit auch eine Kindheit, die doch so munter glänzen sollte wie ein Fuchsschwanz der Marke Kramp.“ (Umschlagtext)

Auch Bücher vom Berenberg Verlag landen ja regelmäßig auf meinem #lbm-Stapel. Texte, die mich neugierig machen, in liebevoll und schön gestalteten Büchern. Lieben wir, wie es heute so schön heißt. 😊

Leben in und unter der Diktatur ist – literarisch gesehen – ganz oft großer Erzählstoff. Und dafür müssen Bücher ja nicht dick sein. Umschlagtext und das Reinschmökern lassen mich einen guten Text erwarten. 😊

(Übersetzung: Peter Kultzen)

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Montag, 22. April 2024

Beate Hausbichler, Noura Maan (Hrsg.): GERADE gerückt. Vorverurteilt, skandalisiert, verleumdet: Wie Biografien prominenter Frauen verzerrt werden


„WAS GLAUBT SIE, WER SIE IST?

Berühmte Männer kommen mit allem durch, Frauen im Rampenlicht verzeihen wir: nichts. Unerbittlich jagt der Boulevard in Ungnade gefallene Royals wie Meghan Markle, verleumdet lebenslustige Starlets wie Paris Hilton und wird zum Richter, wenn Natascha Kampusch sich weigert, das Opfer zu sein. Schmutzkübelkampagnen sorgen dafür, dass widerständige Frauen als schwierig, undankbar oder labil gelten. Warum das so ist, durchleuchten Beate Hausbichler, Noura Maan und viele weitere Autorinnen anhand von Schicksalen berühmter Frauen - und rücken die Perspektive auf sie gerade.

Mit geradegerückten Porträts von: Pamela Anderson, Marie Antoinette, Maria Carey, Mia Farrow, Paris Hilton, Whitney Houston, Janet Jackson, Natascha Kampusch, Amanda Knox, Monica Lewinsky, Gina Lisa Lohfink, Courtney Love, Meghan Markle, Sinéad O'Connor, Yoko Ono, Camilla Parker Bowles, Pocahontas, Romy Schneider, Jean Seberg, Caster Semenya, Anna Nicole Smith, Britney Spears, Sharon Stone, Taylor Swift, Tic Tac Toe, Serena Williams, Chien-Shiung Wu, Bettina Wulff“ (Umschlagtext)

Wenn Blindflecken lange genug unbemerkt bleiben, kommt uns gar nicht in den Sinn, dass es weitere als die altbekannte Perspektive geben könnte. Und dabei geht es nicht um „alternative Fakten“, sondern wie in diesem Fall um lange gewachsene, gesellschaftliche Strukturen wie das Patriarchat.

Wie bei allen anderen Mitbringseln von der diesjährigen #lbm auch bin ich sehr gespannt und bin sehr erfreut über dieses Fundstück.

(Illustrationen: Ula Sveikauskaite)

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Freitag, 19. April 2024

Aidan Truhen: Fuck you very much


(Übersetzung: Andrea Stumpf/ Sven Koch)

„Das hier bin ich, bevor alles losgeht.“ (Seite 9)

Jack Price handelt mit Drogen. So richtig im großen Stil. Er ist cool, smart, clever und besser als alle anderen. Sagt er. Und so startet die Geschichte dieses überaus bescheiden auftretenden Burschen. Und die geht in etwa so:

Ein fast schon bescheiden und zurückgezogen lebender und arbeitender Großhändler im Rauschmittelvertrieb ist auf dem besten Weg, die britische Hauptstadt im Alleingang zu bedienen, als plötzlich in der Etage unter seinem Penthouse ein Mord geschieht. Das beunruhigt ihn, denn die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht nur nicht sondern geizt auch nicht mit Neid.

Und tatsächlich findet Jack Price sich unversehens wieder als von einer miesen Auftragskillergang Gejagter. Doch Price wäre nicht der Coolste, Smarteste, Cleverste, wenn er nicht auch Vorsorge getroffen hätte für genau einen solchen Fall. Um herauszufinden, wer eigentlich die „Seven Demons“ auf ihn angesetzt hat, muss er natürlich selbst auch Hiebe und Niederlagen einstecken. Die kann er – vollkommen überraschend – parieren und letztlich doch zu seinen Gunsten nutzen. Sieben Dämonen, die noch nie einen Auftrag versiebt haben, sind aber dann auch eine Menge Holz. Die Einschläge kommen nicht nur Stück für Stück näher, die Hiebe landen auch immer tiefer.

Wie immer bei solch spannungsgeladenen Stories macht es ja wenig Sinn, hier allzuviel von der Handlung zu spoilern. Vor allem, wenn ich das Lesen des Buches empfehlen möchte. 😉

Statt zu verraten, wie es ausgeht, schreibe ich also lieber noch etwas dazu, wie und warum mir dieser Thriller gefallen hat. 😉

Jack Price ist selbstverständlich kein verlässlicher Erzähler. Er ist ein Selbstdarsteller, auch selbstverliebt, der trotzdem gern zurückhaltend erscheinen möchte. Diese wohlgesetzte Fassade bekommt spätestens dann Risse, als ihm klar wird, wer ihn da mit welchem Ziel jagt. Natürlich kennt auch Price den verführerischen Geschmack der Rache. Und er fühlt sich absolut im Recht.

So offenbart auch dieser vermeintliche Gentleman, wie berauschend Gewalt sein kann, zumal wenn man sich auch noch absolut im Recht sieht. Jack Price fackelt nicht lang herum und ist dabei eben nicht ganz so kaltblütig, wie er sich selbst immer wieder zu beschreiben versucht.

Genau dieses Spiel mit dem unzuverlässigen Ich-Erzähler macht einen großen Reiz beim Lesen aus. Erst vermeintlich zurückgenommen, aber dann doch ein Großmaul und rachsüchtig und gewalttätig obendrein – mit einer immer wieder variierenden Sprache, mal fein, mal richtig derb. Das macht wirklich Spaß zu lesen, weil es zugleich auch fordernd ist und nicht einfach so runtererzählt wird. Um nachvollziehen zu können, was jetzt eigentlich genau passiert, musste ich schon recht aufmerksam bleiben.

Am Ende war ich von der Schreibe so angetan, dass ich erstmal nachschaute, was es von Aidan Truhen noch so an Werken gibt. Und siehe da, das ist nur ein Pseudonym. Mehr und andere Texte finden sich unter dem Namen Nick Harkaway. Was, wenn ich es richtig recherchiert habe, aber auch nur ein Pseudonym ist. Damit ist dieser Autor aber auch nicht der erste, der sich auf diese Art dem langen Schatten des erfolgreich schreibenden Vaters entzieht. Der ist nämlich niemand Geringeres als John le Carré. (Von dem ich allerdings auch noch nichts gelesen habe und Verfilmungen seiner Werke kenne.)

Kurz und gut: Einen guten Thriller in Ehren kann niemand verwehren. Also einfach mal Aidan Truhen lesen! 😉

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Mittwoch, 17. April 2024

Igort: Berichte aus der Ukraine. [Tagebuch einer Invasion]


„‘Sie sind einmarschiert.
Die Russen sind in die Ukraine einmarschiert.‘
So beginnt also ein Krieg.

Mit aufgeregten Stimmen am Telefon vom Schlachtfeld. Unterdrücktes Weinen, aufkeimende Ängste, Wortfetzen. Plötzlich ist alles anders. Du musst dich an die Angst gewöhnen.

Und so überlegst du, ob und womit du helfen könntest. Das Telefon klingelt, Nachrichten prasseln auf uns ein, alles gerät durcheinander. Fragen kommen auf.

Seveta, Mascha, Anatolij, Jenia bitten um Informationen, die dort vielleicht gar nicht ankommen. Und du, der du 2.000 Kilometer weit weg bist, hörst alle Nachrichten, liest alle Zeitungen, siehst alle Sondersendungen im Fernsehen, informierst dich, du versuchst zu beruhigen. Und du lügst.

Wenn dein eigener Verstand sich schon weigert, das Gehörte und Gelesene zu akzeptieren, wie sollen es dann die schaffen, die in diesem Albtraum gefangen sind?

Igort
Bologna – Dnipropetrowsk
25. Februar 2022“ (Umschlagtext)

Igorts Berichte aus Russland, aus Japan und aus der Ukraine sind beeindruckende Zeugnisse seiner Reisen. Zeichnerisch und erzählerisch buchstabiert er Comic-Reportage ganz in seinem Sinne und berichtet von Menschen, die er getroffen hat, lässt sie ihre Geschichte erzählen.

Die Bände zu Russland und zur Ukraine sind schon ein paar Jahre älter. So ist es aber nicht verwunderlich, dass sich Igort zum Überfall Russlands und zur Lage der Menschen in der überfallenen Ukraine wieder zu Wort meldet.

Jenseits all der Kriegsbilder, die uns nach zwei Jahren dann doch abgestumpft haben, jenseits auch all der schlimmen Dinge, die sich seither auch noch ereignet haben, erhoffe ich mir ein kurzes Innehalten, um den Ungehörten in der Ukraine zuzuhören, denen Igort hier eine Stimme gegeben hat.

„Am 24. Februar 2022 begann der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin befohlene Überfall Russlands auf die Ukraine. Igort, der selbst mehr als zwei Jahre in der Ukraine gelebt hat und sich dort vielen Menschen verbunden fühlt, führt von diesem Moment an täglich Dutzende von Telefonaten und berichtet in seinem gezeichneten Tagebuch einer Invasion in Echtzeit von der Not und den Entbehrungen der ukrainischen Bevölkerung. Durch die Stimmen der Menschen in den bombardierten und belagerten Städten legt er Zeugnis ab von der Zwangsevakuierung, der verzweifelten Suche nach Verwandten, Nahrung und Wasser, einem Anschein von Menschlichkeit und Normalität im Horror des Krieges.

Igort berichtet von dem scheinbar unaufhaltsamen Verlauf eines Bruderkriegs. Über den ukrainischen Widerstand, die militärische Überlegenheit Russlands, die Entschlossenheit eines Volks, das leidet, aber nicht aufgibt. Von Menschen zwischen Hoffnung, Desillusionierung, Stolz und Solidarität…

Nachdem Igort in seinen ersten Berichten aus der Ukraine die Wurzeln des russisch-ukrainischen Konflikts in den Zeiten der UdSSR beschrieben hat, gibt er nun denjenigen eine Stimme, die normalerweise ungehört bleiben: den einfachen Menschen, die unter einem sinnlosen und brutalen Krieg leiden.“ (Klappentext)

(Übersetzung: Myriam Alfano)

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Donnerstag, 11. April 2024

Jasmin Schreiber: Endling


„Eine Nachricht von meiner kleinen Schwester.“ (Seite 7)

Ein Endling ist der letzte seiner Art. Titelgebend ist eine Schnecke, die eine zugegeben eher passive Rolle im Text spielt. Vielleicht geht es aber auch um unsere Art, die Menschheit.

Im Jahr 2041, in der Welt des Romans, ist nichts besser geworden. Das Klima konnte nicht gerettet werden, die Umwelt rebelliert gegen die Menschen, das Aussterben immer weiterer Arten ist das sichtbare Zeichen des menschlichen Versagens. Auch gesellschaftlich sieht es nicht besser aus. Der Rechtsruck hat sich weiter fortgesetzt, das politische Klima ist repressiv und richtet sich insbesondere gegen Frauen und deren Rechte, die immer weiter beschnitten werden. Das klingt nicht heimelig und hoffnungsfroh und soll es auch nicht.

Zoe ist Biologin, arbeitet in München und hat noch Familie in Frankfurt. Die besteht aus ihrer Mutter, ihrer kleinen Schwester Hanna und der im gleichen Haus wohnenden Tante Auguste. Wegen immer wieder auftretender Epidemien ist das Reisen schwierig. Als die Mutter zu einer Reha muss, kommt Zoe aber nach Frankfurt, um sich um Hanna und Auguste zu kümmern.

Hanna ist eine aufgeweckte und altersgerecht aufgekratzte Teenagerin, die ohne große Erinnerung an eine Welt ohne Abtreibungs- und Verhütungsverbote aufwächst. Die Tante Auguste, ebenfalls Biologin, hat über die Jahre aufgegeben, wurde immer schrulliger und verlässt einfach nicht mehr das Haus. Zoe, vermutlich in ihren Dreißigern, gehört zu der Generation, die alt genug ist, sich daran zu erinnern, was alles mal anders war, ist aber jung genug, um zu versuchen sich zu arrangieren, um nicht zu verzweifeln.

Die Konstellation allein reichte sicher schon aus, um anhand dieser drei Frauen zu erwählen, wohin ein weiterlaufender Rechtsruck in der Gesellschaft führen könnte, welche Auswirkungen das auf das Leben von Frauen hätte und wie verschiedene Generation ihren Umgang damit zu finden versuchen.

Als sich das Trio vollkommen ungeplant und selbst davon überrascht auf einer Reise von Frankfurt nach Italien und weiter bis nach Schweden wiederfindet, spannt die Autorin den Bogen weiter. In dieser kaputten Welt verschwinden Tierarten nach und nach, doch auf ihrer Reise entdecken sie Orte, an denen sie unverhofft wieder auftauchen. Doch an diesen Orten sammeln sich nicht nur ausgestorben geglaubte Arten, auch auf Gruppen von Frauen treffen sie, die jenseits und abseits der Welt leben. Nur Männer gibt es dort keine. Und was noch mysteriöser ist, kommen Männer in die Nähe, erkranken sie auf geheimnisvolle Weise und sterben. Einfach so.

Ich mochte die Prämissen des Romans, das Setting und auch die Beschreibung der Welt über einen Blick auf bedrohte und aussterbende Tierarten. So trägt jedes Kapitel den Namen einer Art, die dann im Kapitel selbst auch einen Auftritt hat. Das gilt auch für den Endling aus dem Titel, hinter dem sich eine Schnecke verbirgt.

Etwas schade fand ich, dass das für mein Gefühl holpernde Tempo der Handlung dazu führte, dass spannende Momente nicht weiterverfolgt und auserzählt würden. Gerade da, wo diese mysteriösen Orte mit den nicht weniger mysteriösen Frauengruppen auftauchen, hätte ich mich über ein Breitmachen der Erzählung gefreut. Die exemplarische Konstellation der drei Frauen hätte so eine Einbettung in eine größere Erzählidee gefunden, die es ziemlich zweifellos auch gab.

Auch bei meinem offenbar aktuellen Lieblingsthema, den Dialogen, muss ich etwas rumkritteln. Und die Frage, wie sich den Figuren angemessene Stimmen geben lassen, die uns Lesenden authentisch erscheinen, ist ja keine ganz einfache. Schreiber hat hier zum Beispiel Versatzstücke von Jugendlichen aus den 2010er Jahren genommen und sie Zoe in den Mund gelegt, um sie in ihrem Alter zu Kennzeichnen. Vielleicht war die Idee, damit auch eine Verknüpfung zu unserer realen Welt zu legen. Für mich war das nicht wirklich überzeugend, den Tonfall von vor zehn Jahren als Stimme in der Zukunft zu hören.

Insgesamt glaube ich, dass dem Text noch etwas mehr Zeit und Bearbeitung (Lektorat?) gut getan hätte. Der Roman ist zweifellos unterhaltend und auch gut geschrieben, bleibt aber an dem, was ich an Anspruch meine herausgelesen zu haben, eben doch unter seinen Möglichkeiten. Vielleicht gab es ja Produktionszwänge, die hier eine Rolle gespielt haben. Das soll aber insgesamt gar kein Vollverriss sein.

Kurz und gut: Coole Idee, unterhaltsam aber mit noch mehr Potential, das hier leider nicht ganz eingelöst wurde. Kann man lesen, ist aber noch kein Muss!

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Mittwoch, 10. April 2024

bell hooks: Die Welt verändern lernen. Bildung und Praxis der Freiheit


„Die Welt verändern lernen ist ein eindringliches Plädoyer für eine freiheitliche und diversitätssensible Pädagogik

bell hooks (1952-2021) war nicht nur als Schriftstellerin und Kulturkritikerin bekannt, die sich in zahlreichen Werken mit dem Zusammenwirken von Sexismus, Rassismus und Klassismus auseinandergesetzt hat, sondern auch als Literaturwissenschaftlerin, Dozentin und Lehrende, der eine besonders gewinnende Art in Vorlesungen, Reden und öffentlichen Auftritten nachgesagt wurde. In Die Welt verändern lernen plädiert bell hooks – wie immer voller Leidenschaft und mit persönlichem Engagement – für eine neue Pädagogik, in deren Mittelpunkt die Veränderung der Dynamik im Unterricht steht und die weder Traier und Wut noch Eros und Versöhnung ausblendet. Ihre praxisnahen Antworten auf immer noch ungelöste Fragen verändern unsere Vorstellungen davon, was Schulen oder Universitäten sein und tun sollten.

‚Teaching to Transgress‘ hat bell hooks ihr Buch im Original genannt. Es ist der gesammelte Erfahrungsschatz einer kompetenten Lehrperson und Dozentin, die sich mit ganzem Herzen dafür einsetzt, dass Lernen funktioniert. Ihr Hauptanliegen ist es, Bildung als Praxis der Freiheit zu begreifen, als eine Art des Lernens und Lehrens, die jungen Menschen die Möglichkeit eröffnet, rassistische, sexistische und klassistische Barrieren zu durchbrechen und Grenzen zu ‚überschreiten‘ – für die Autorin die wichtigste Aufgabe, das vorrangige Ziel des Lehrens.

Die ‚Teaching‘-Trilogie zählt schon seit Langem zu den meistgelesenen Kultbüchern von bell hooks. Mit Die Welt verändern lernen ist der Eröffnungsband endlich auch auf Deutsch zu lesen.“ (Umschlagtext)

Neben Lerntheorien und Lehrmodellen ist es immer wieder spannend, wenn andere von ihren Lehrerfahrungen berichten. Also kann und darf ich mir ein weiteres Quäntchen Inspiration erhoffen und bin gespannt auf die Lektüre. Jaja, Kultautorin und alle anderen kennen das natürlich schon, wie immer halt. 😊

Dieses #LBM Mitbringsel ist Ergebnis des erfolgreichen Stöberns am Stand vom Unrast Verlag. Sehr lohnenswert – inhaltlich. Was Gestaltung und Korrekturen und so angeht, muss ich leider gerade bei Sachbüchern aus unabhängigen Verlagen manchmal meckern. Ist aber ein herzliches und liebgemeintes. 😊

Mehr:

(Übersetzung: Helene Albers)

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Dienstag, 9. April 2024

Sebastian Barry: Tausend Monde


(Übersetzung: Hans-Christian Oeser)

„Ich bin Winona.“ (Seite 9)

Manchmal wiederhole ich mich ja gern: Lest Sebastian Barry! Ernsthaft!

In „Tage ohne Ende“ lernte ich Thomas McNulty und John Cole kennen. Die Geschichte ihrer Freundschaft und ihrer Liebe in der rauen Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs ist so anrührend wie herzzerreißend. Nicht weniger ist es die von Winona, ein Lakota-Mädchen, dass die beiden Männer als Tochter bei sich aufnahmen. In diesem Band erzählt sie ihre Geschichte.

Der Bürgerkrieg hat tiefe Wunden geschlagen. Sie zerfurchen ein zerschundenes Land, ragen fast unüberwindbar zwischen den Menschen und verknoten so manches Herz. Thomas und John haben im Henry County in Tennessee ein Zuhause auf einer Farm außerhalb der Stadt gefunden. Aus Winona, dem Lakota-Mädchen, dass sie wie eine Tochter lieben, ist eine junge Frau geworden.

Sie arbeitet bei einem gutherzigen Anwalt in der Stadt. Die Arbeit erfüllt sie. Doch die Stadt ist auch der Ort, wo sie die Blicke auf sich zieht: abschätzige, begehrliche, hasserfüllte. So trifft sie auch auf ihre erste Liebe Jan Jonski, der womöglich auch ihr Vergewaltiger war.

Die Dinge spitzen sich zu, während die Welt um sie herum immer weiter im Chaos versinkt, niemand mehr weiß, wer eigentlich die Guten oder die Bösen sind, weil es eigentlich egal ist, wer dich ausraubt, aus dem Hinterhalt erschießt oder Schlimmeres.

In die Schilderungen mischen sich Rückblenden, Erinnerungen daran, wie Winona bei ihrem Stamm aufwuchs, bevor Thomas und John sich ihrer annahmen. Aber nun kann und will sie ihre Angelegenheiten auch selbst regeln, auch um ihre Väter zu schützen. Kann es sowas wie ein Happy End in einer Welt geben, die nur Ende und keinen Anfang zu kennen scheint?

Auch in diesem Band steckt nichts von Wild-West-Romantik. Eine raue, kaum gezähmte Landschaft wird von rauen Menschen bevölkert, versehrt an Körper oder Seele oder beidem. Zärtlichkeiten sind hier nur minimale Gesten, das, was nicht ausgesprochen wird, aber einem dennoch das Herz zuschnürt. Auch Winona spricht mit dieser Stimme, die so authentisch klingt.

Ich kann gar nicht recht erklären, was bei Barrys Texten so einen Sog verursacht, dass man gar nicht wieder aus dieser Welt auftauchen mag und die Charaktere dort zu … naja, echten Menschen macht, deren Herzschlag beim Lesen spürbar auf jeder Seite pulst. Aber es wirkt!

Nicht zuletzt kann ich dem Steidl Verlag nicht genug danken, für die unaufgeregte und trotzdem so wunderbare Gestaltung für diesen wunderbaren Roman.

Kurz und gut: Falls ich es noch nicht deutlich genug gesagt habe: Lest Sebastian Barry! Und los! 😊

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Sonntag, 7. April 2024

Kuzey Topuz: Der Freund


„Ein Geruch von Aceton liegt in der Luft:
Zwei junge Frauen auf der Suche
Nach einem verschwundenen
Geschichtenerzähler,
Verführer,
Manipulator

Wenn der, den wir vermissen,
ein wirklich enger Freund ist,
wird sogar seine Abwesenheit
unser Leben erfüllen.“ (Umschlagtext)

Dann schauen wir uns die Mitbringsel von der diesjährigen LBM doch mal genauer an. Los geht´s:

Vom bestangezogensten Verleger auf der Messe bekam ich diesen Band ans Herz und in die Hand gelegt. Und weil er so charmant von der Geschichte schwärmte, freue ich mich umso mehr über dieses Rezensionsexemplar. Jippieh! 😉

Gespannt bin ich natürlich auch. Immerhin klingt die Konstellation schon mal sehr spannend: Zwei Frauen lieben den gleichen Mann, der vermutlich beide manipuliert hat. Beide werden ihn nicht los, bekommen ihn nicht aus dem Kopf. Wie entwickelt sich das Verhältnis der beiden Frauen? Was hat der Mann, dem beide verfallen scheinen, ihnen angetan? Fragen über Fragen.

Ich freue mich auf jeden Fall auf die Lektüre, dieses außerdem bebilderten Romans. 😊

„Ein Geruch von Aceton liegt in der Luft: Zwei junge Frauen mit einem Geheimnis auf der Suche nach einem verschwundenen Geschichtenerzähler, Verführer, Manipulator. Der Debütroman (2022) der Wahlleipzigerin Kuzey Topuz ist ein Irrgarten voller beschädigter Existenzen, Heldenkult, psychischer Gewalt und toxischer Männlichkeit. Kuzey Topuz veröffentlichte bislang Kurzgeschichten und Gedichte in verschiedenen literarischen Magazinen.“ (Verlagstext)

(Übersetzung: Johannes Neuner)

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Samstag, 6. April 2024

LBM 2024


#lbm24

Im Frühjahr pilgern wir ja alljährlich nach Leipzig. Und „pilgern“ trifft es für mich tatsächlich gut auf den Punkt. Ich weiß, dass gefühlt alle, die in der Buchbranche arbeiten, eher aufstöhnen wegen des ganzen Messestresses. Aber als Leser, der in seinem kleinen beschaulichen Blog über Bücher, Leseerfahrungen und eine gewisse Sammelsucht schreibt, ist es jedes Jahr aufs Neue ein hellstrahlender Fixstern am Lesefirmament.

Ok, das ist kitschig. 😉

Der MM ist als freiberuflicher Lektor ja quasi geschäftlich auf der LBM unterwegs. Ich genieße das Privileg des literarischen +1, weil ich so nicht nur im Alltag viel darüber mitbekomme, wie Texte und Bücher entstehen, welche Schritte und Entscheidungen so fallen, bevor ich ein Buch im Laden entdecken kann. In Leipzig schließlich kann ich Verlagsleute dann nicht nur an den Ständen antreffen, sondern auch im nicht-nur-Verkaufs-und-Präsentations-Modus erleben. Wie mancher Text entdeckt wurde und wie mitunter Entscheidungen zu Veröffentlichungen entstehen – ja, das ist spannend.

Spannend ist natürlich auch jedes Jahr wieder zu hören, wie die Branche die eigene Lage einschätzt. Und obwohl immer auch ein Klagen mitschwingt, wird ja offensichtlich noch gelesen und werden Bücher gekauft. Dieses so oft schon totgesagte Kulturgut ist offenbar nicht unterzukriegen. Für mich ist die LBM immer auch ein guter Pulsmesser dafür.

Imposant kommen natürlich die Messestände insbesondere der großen Verlage und Konzerne daher. Und es ist gut, dass sie da sind und damit natürlich auch das Stattfinden der LBM unterstützen. Interessanter finde ich persönlich ja die Halle mit den unabhängigen und kleinen Verlagen. So ist Halle 5 dann auch stets unser Dreh- und Treffpunkt – ob bei alten Bekannten am Stand oder in der Kaffeelounge der Unabhängigen mit dem besten Kaffee auf der Messe.

Während ich in den ersten Jahren auf der LBM immer rastlos von Halle zu Halle und von Stand zu Stand gehastet bin, um bloß keine spannende Veröffentlichung zu verpassen, bin ich ganz froh, dass sich das über die Jahre gelegt hat. Zwar schaue ich mir immer noch einigermaßen systematisch alle Hallen an, lasse mir aber viel mehr Zeit fürs Stöbern, wenn ich einen interessanten Verlag gefunden habe, ob schon lange bekannt oder vielleicht auch neu auf meinem Radar.

Viel mehr im Blick als früher habe ich auch das unfassbar umfangreiche Veranstaltungsprogramm allein auf der Messe in den unzähligen Foren, Arenen etc. Natürlich bin ich dieses Jahr zu Didier Eribon gerannt, habe Klaus Lederer gleich einfach ein Dutzend Mal getroffen, oder eben auch mit Volker Surmann geplauscht, dessen jüngst erschienenes Jugendbuch mir so das Herz wärmte. 

Auch Abendveranstaltungen in der Stadt nehmen wir heute mehr mit als vor Jahren noch. Und jedes Jahr finden wir so neue und feine Locations. Und Lokale zum Futtern natürlich auch. 😊 

Fürs nächste Jahr haben wir uns schon mal vorgenommen, den Messesamstag eher in der Stadt zu verbringen, um auch mal das Veranstaltungsangebot tagsüber zu nutzen. Die Messehallen sind da ohnehin brechend voll und wir nehmen ja eh alle vier Tage mit. Zeit zum Stöbern bleibt also genug.

Das setzt natürlich voraus, dass die neue Messeleitung an „Leipzig liest“ weiterhin festhält und die Hürden dafür nicht hochschraubt. Die LBM ist eine Publikumsmesse, die nicht BWLern und überzogenen Gewinnerwartungen zum Opfer fallen darf. Die kulturelle Reichweite lässt sich nicht in Excel-Tabellen messen und ist vor allem nicht zu überschätzen.

Wohltuend empfand ich die Abwesenheit von rechten Verlagen. Ich mag Diskurs, auch kontrovers, aber rechtsextremes Gedankengut gehört nicht ausgestellt. Diesseits davon ist genug Raum für Kontroverse und die findet ja auch statt.

Was nehme ich von der LBM mit – na, einen Bücherstapel natürlich. Und ich schwöre, das war gar nicht so geplant. 😉 Mein Stapel ist natürlich nur einer der beiden auf dem Bild. Welcher davon, bleibt mein vermutlich eh offensichtliches Geheimnis. 😉

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Mittwoch, 27. März 2024

Mosaik #580


Puh vier Tage lang Leipziger Buchmesse #lbm24 – es ist gar nicht so leicht, danach wieder einfach so zuhause und im Alltag anzukommen.

Vier Tage lang Menschen, Gespräche, Bücher, noch mehr Menschen und Gedränge, Podien, Lesungen, Autor:innen, Gedränge, Bücher – und Fischbrötchen. 😉

Ich sortiere noch ein wenig meine Eindrücke, bevor ich dazu noch mal ein paar Gedanken aufschreiben kann. Und eine perfekte Hilfe beim Runterkommen sind natürlich die monatlichen Abrafaxe. So! 😉

#lesewinter #comic #mosaik #abrafaxe #abenteuer #zeitreise #alpen #elefant #mittelalter #lesen #leselust #lesenswert #leseratte #bücher #literatur #yesyoucomican

Sonntag, 17. März 2024

Charles King: Schule der Rebellen. Wie ein Kreis verwegener Anthropologen Race, Sex und Gender erfand


(Übersetzung: Nikolaus de Palézieux)

„Ende August 1925 erreichte das Dampfschiff Sonoma, ein Dreidecker auf Fahrt von San Francisco nach Sidney, einen Hafen, der durch einen erloschenen Vulkan entstanden war.“ (Seite 9)

Es sind schon wilde Zeiten. Also so gesellschaftlich gesehen. Unterhaltungen, selbst unter irgendwie Gleichgesinnten, denen das Herz links schlägt, fühlen sich ganz oft wie harter Kulturkampf an. Es reicht, dass jemand „vegan“ sagt oder gar sowas wie „race, class, gender“. Hui, dann geht’s aber los und ist oft gar nicht mehr so einfach einzufangen. Irgendjemand sagt dann auch noch mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass man ja gar nichts mehr sagen dürfe.

Na, hat das Wiedererkennungswert? Auf die eine oder andere Art? 😉

Wenn man es dann schafft, sich doch nicht anzuschreien und wutentbrannt auseinander zu gehen, lässt sich herausfinden, dass es meist doch einen gemeinsamen Nenner gibt. Zum Beispiel gibt es wenig oder keinen Widerspruch zu der Annahme, dass alle Menschen von Geburt an gleich wertvoll sind, ihnen eine allgemeine Menschenwürde nicht abgesprochen werden soll usw. Geschlechtergerechtigkeit finden wir gut, Rassismus doof, Minderheitenrechte sind Menschenrechte … Worüber genau streiten wir uns dann aber eigentlich? Und warum so erbittert?

Dieser Band von Charles King bietet Wissenschaftsgeschichte, Biografisches und auch Gesellschaftsgeschichte, indem er Franz Boas, einen deutschen Wissenschaftler, der in die USA ging, und einen Kreis von Ethnolog_innen um ihn herum vom späten 19. Bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein begleitet. Das ist überaus spannend, weil hier der Grundstein für die Erkenntnis gelegt wurde, die heute Allgemeingut ist: race, class, gender sind gesellschaftliche Konstrukte. Gesellschaften sorgen also für Kategorisierungen von Menschen und das ist nicht naturgegeben, sondern eben menschengemacht.

Es braucht ein bisschen in den eingangs beschriebenen Debatten, aber eigentlich ist diese Erkenntnis inzwischen Allgemeingut. King beschreibt, wie dieses Wissen gegen teils heftige Widerstände und unter großem persönlichen Einsatz von einer Reihe Wissenschaftler_innen erarbeitet wurde. Franz Boas dient hier als Ausgangspunkt, drei seiner Schülerinnen werden nicht weniger gewürdigt und auf ihren Wegen begleitet: Ruth Benedict, Margaret Mead und Zora Neale Hurston.

Sie alle behaupteten nicht nur gesellschaftliche Konstruktion sondern lieferten in zahlreichen Studien, Untersuchungen, mittels Feldforschung etc. all das Material, auf dem so viele weitere Generationen von Wissenschaftler_innen aufbauen konnten. King lässt auch die Kontrahenten auftreten, die für die Welt stehen, in der es ein Naturgesetz sein sollte, dass weiße Menschen mehr wert wären als Schwarze, Männer mehr als Frauen, und in der der Platz in der Gesellschaft, an den die Geburt einen Menschen stellt, unveränderlich sei.

Kings Buch beantwortet nicht die Frage, worüber wir uns nun heute eigentlich streiten und warum so bitterlich. Aber ich empfand diesen historischen und intellektuellen Ausflug als ein erdendes Erlebnis. Erdend, weil ein Bezugspunkt beschrieben wird, der auch in aktuellen politischen Debatten einen guten Anker bietet.

Warum sollten die oben erwähnten Debatten nicht dazu führen können, gemeinsam zu überlegen, was womöglich noch gesellschaftliche Konstruktionen sind. Und wenn es eine Gemeinsamkeit dabei gibt, eine solche Konstruktion falsch zu finden, warum sollte dann kein gemeinsamer Blick auf mögliche Lösungen und Schritte in eine bessere Richtung denkbar und sprechbar sein?

Kings Text ist durchaus anspruchsvoll aber trotzdem gut lesbar, auch wenn man nicht tief in den Debatten steckt, aber genügend Neugierde mitbringt. Für mich eine lohnende Entdeckung.

Kurz und gut: Wissenschaftsgeschichte, Biografie und Bild einer wilden Zeit – alles in Einem. Lesen!

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Samstag, 16. März 2024

Indiebookday 2024 / Adania Shibli: Eine Nebensache / Marie Darrieussecq: Das Meer von unten

 

Spätestens in der nächsten Woche lässt sich auf der Leipziger Buchmesse #lbm24 wieder bewundern, wie unglaublich vielfältig der Buchmarkt ist, wie viele Stoffe gedruckt werden und welche Fülle an Verlagen, großen, noch größeren und kleinen es so gibt.

Seit die Zeiten wieder deutlich politisierter und Debatten polarisierter geworden sind, trauen sich auch die Großen der Branche wieder pointiertere, positionierte Bücher, die zum Streit einladen. Warum braucht es dann eigentlich noch das Extra-Lob für die unabhängigen und kleinen Verlage und so etwas wie den Indiebookday?

Es ist noch nicht soooo lange her, da ließ sich im Buchladen recht leicht feststellen, dass die großen Verlage zwar die großen Namen verlegten, die Buchausgaben aber was die Gestaltung anging, immer liebloser und einheitlicher daherkamen. Frischen Wind brachten da, dank verbesserter und einfacherer Produktionsmöglichkeiten, die kleinen Verlage. Deren Alleinstellungsmerkmal war eine ganze Zeit, dass sie mit wirklich liebevoll und zum Teil aufwendigen Buchgestaltungen und -ausstattungen wirklich ins Auge fielen. Ich bin den Kleinen endlos dankbar dafür, dass sie damit den Druck auf die Großen erhöht haben, hier etwas zu ändern.

Manchen mag das Äußere von Büchern ja etwas egaler sein, und es geht natürlich auch um Inhalte, Stimmen, Repräsentanz, Vielfalt. Wo große Konzernverlage sich Imprints leisten, Label einkaufen, um auch jenseits des Mainstreams Inhalte zu veröffentlichen, sind die Kleinen natürlich von vorneherein eher darauf bedacht, auch Nischen, und seien sie noch so klein, zu besetzen. Oft genug erfüllen sie damit auch die wichtige Funktion, Texten und Autor_innen, eine Bühne zu geben, bevor sie dann von den Großen „entdeckt“ werden. Aber auch das allein, wäre vermutlich zu wenig als Rechtfertigung, warum es unbedingt unabhängige Verlage braucht.

Ich persönlich finde die Vorstellung ja wirklich charmant, dass es echte Menschen sind, die mit Leidenschaft Themen aufgreifen und Autor_innen Gehör verschaffen wollen. Das mag vielleicht ein altbackenes Bild sein, aber es ist eines, das mich anspricht. Und spätestens bei Messeauftritten wird dieses Bild tatsächlich lebendig. Die großen Messestände sind beeindruckend, fühlen sich für meinen Geschmack aber mehr nach Marketingabteilung an als nach Buchverlag. Riesige Wände, an denen genau ein oder zwei Bücher aufgestellt werden, die gerade unbedingt vermarktet werden sollen. Und in zugewandte Gespräche, in denen die Buchleute dem Publikum tatsächlich zuhören, erlebe ich eigentlich auch nur bei den kleineren Verlagen.

Das alles heißt beileibe nicht, dass die Publikumsverlage nicht auch ihre Berechtigung hätten und dort nicht auch tolle und engagierte Leute arbeiten. Aber sie sind, platt gesagt, halt eben doch fest in der Hand der BWLer. Und die haben eindeutig das Sagen.

Und zum Indiebookday gehört ganz unzweifelhaft auch der unabhängige Buchhandel. Das eine ohne das andere zu feiern wäre schon fahrlässig. Darum geht mein dickes Danke nicht nur an die beiden Indieverlage, die heute meine Buchausbeute bereichern, sondern auch an die beste Bücherfrau von allen!

Danke, liebe Krischa, dass ich in den Laden stürzen kann, einen Stapel Empfehlungen aufs Sofa gepackt bekomme, bei dem ich mir sicher sein kann, dass sie meinen Geschmack treffen und meine Lesewelt trotzdem erweitern. Ohne dich und gute Bücher – nee, das mag ich mir gar nicht vorstellen.

Und wenn jetzt dieser Text tatsächlich bis zum Ende gelesen wurde, dann ist doch klar, was nun zu tun ist. Husch und los! 😊

Ach ja, meine beiden Fundstücke werden natürlich noch in eigenen Posts gewürdigt werden. 😉

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Freitag, 15. März 2024

Klaus Lederer: Mit links die Welt retten. Für einen radikalen Humanismus


„Die Welt ist in einer akuten Krise, doch die politische Linke tritt auf der Stelle. Ist links zu sein aus der Zeit gefallen? Oder kann uns nicht gerade ein radikaler Humanismus helfen, unser Land und unseren Globus progressiv zu verändern? Der frühere Kulturbürgermeister Berlins und einer der beliebtesten Politiker seiner Partei denkt Linkssein radikal neu. Er befragt die Geschichte, schildert seine eigenen Umbruchserfahrungen und gibt Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit: Wie können wir unsere Welt gerechter, lebenswerter und nachhaltiger machen? Wie können wir in Freiheit und Gemeinschaft einer besseren Zukunft entgegensehen?“ (Umschlagtext)

Bücher von Politiker_innen sind ja ein ganz eigenes Genre. Oft prangen diese fürchterlich verkitschten Fotos auf dem Cover, die zu sagen scheinen: Siehe hier, wie seriös ich bin. Achja, und Wahlkampf ist dann auch oft kurz nach dem Erscheinen. Falls das jetzt so klingt, als hätte ich grundsätzlich etwas gegen solche Bücher – nein nein, weit gefehlt. 😉

Hier ist mal ein Politikerbuch, auf das ich mich seit der Ankündigung sehr gefreut habe. Gut, als Berliner Linker bin ich jetzt irgendwie auch etwas befangen und voreingenommen. 😉

Dass Lederer sich nach dem Ausscheiden aus dem Amt des Kultursenators und Bürgermeisters von Berlin nicht ins Private zurückgezogen hat, sondern sich auf sein Abgeordnetenmandat konzentriert und über politische Strategien nachdenkt, finde ich pauschal schon mal gut. Vor allem, weil die gesellschaftlichen Zeiten nach klugen Strategien verlangen und so viel Verqueres in den Debatten um sich greift.

Worauf ich hoffe? Auf einen Text, der mal wieder Lust und Mut macht darauf, die Welt von links zu analysieren und zu ändern. Auf eine Selbstvergewisserung, die linke Politik in ihrem Anspruch an sich selbst nicht kleinredet sondern angemessen groß denkt.

So, lieber Klaus Lederer, das wäre jetzt mal meine Erwartungshaltung. Jetzt du. 😊

Achja, und es kein Foto vom Autor auf dem Cover! 😉

„Vielfache Krisen und Zukunftsängste beherrschen unseren Alltag. Die Beruhigungspillen der Merkel-Jahre wirken nicht mehr. Einst ist die Linke angetreten, um ein besseres Leben für alle zu erstreiten. Heute muss sie um ihr politisches Überleben fürchten. Ein wütender Populismus und Zerstrittenheit lähmen sie. Der frühere Kulturbürgermeister Berlins und einer der beliebtesten Politiker seiner Partei denkt Linkssein radikal neu. Er befragt die Geschichte, schildert seine eigenen Umbruchserfahrungen und gibt Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit: Wie können wir unsere Welt gerechter, lebenswerter und nachhaltiger machen? Wie können wir in Freiheit und Gemeinschaft einer besseren Zukunft entgegensehen?“ (Verlagstext)

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Montag, 11. März 2024

Paul Auster: 4 3 2 1


„Archibald Ferguson heißt der jugendliche Held von Paul Austers neuestem Roman, und er kommt darin gleich viermal vor – in vier raffiniert verwobenen Variationen seines Lebens, ganz nach dem Motto: Was wäre geschehen, wenn …? So entwirft Auster ein grandioses, episches Porträt der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Amerika, voll von Abenteuern, Liebe, Lebenskämpfen und den Schlägen eines unberechenbaren Schicksals. ‚4 3 2 1‘ ist ein faszinierendes, ein überwältigendes Gedankenspiel und ein Höhepunkt in Austers Schaffen.“ (Umschlagtext)

1259 Seiten – ich singe das Lob der dicken Bücher. 😊 Also, es ist eindeutig mal wieder an der Zeit, ein wirklich richtig dickes Buch zu präsentieren und auf meinem Lesestapel zu begrüßen.

Es ist in der Zwischenzeit natürlich nicht mehr der neueste Roman von Paul Auster, aber ich hörte nur Gutes. Und wie immer, wenn Bücher so richtig viel und hoch gelobt werden, führt das bei mir meist zu einer Blockade. Ich kann die Texte dann nicht auch sofort lesen. Nennt mich komisch, ist aber so.

Egal, der dicke Taschenbuchschinken von 2018 ist also auch bei mir angekommen. Jetzt bin ich gespannt, auch wann ich ihn dann tatsächlich vom Lesestapel greifen und lesen werde. 😊

(Übersetzung: Thomas Gunkel, Werner Schmitz, Karsten Singelmann, Nikolaus Stingl)

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