„Die Kommunistische Partei Chinas, Kindergärten, Automobilhersteller,
Amnesty International, die Universität Bielefeld, das Rüstungsunternehmen
Heckler & Koch, Staatstheater und psychiatrische Anstalten haben mindestens
eine Gemeinsamkeit.“ (Seite 9)
Sie bilden arbeitsteilige Strukturen zur Um- und Durchsetzung konkreter
Ziele. Es sind Organisationen, in denen Menschen arbeiten. Und der Frage
nachzugehen, wie Organisationen am besten funktionieren, woran sie immer wieder
auch scheitern und wie Menschen sich in diesen Strukturen bewegen ist immer
wieder spannend und faszinierend. Auch, weil das ja zumeist auch Alltag von uns
selbst ist.
In meinem ersten Post zu diesem Buch schrieb ich, dass ich auf den ersten
Seiten schon ganz viel genickt habe und gleichzeitig herzlich widersprechen
wollte. Das zog sich so durch das ganze Buch – und ich bin schwer begeistert. 😊
Organisationen bilden also Strukturen aus, um ihre Ziele zu erreichen.
Diese Ziele werden von Menschen definiert. Ebenso entstehen die Strukturen
natürlich nicht aus sich selbst heraus, sondern sind menschengemacht. Trotzdem
entsteht so etwas wie eine den jeweiligen Organisationen innewohnende
Eigenlogik, die getragen wird von den Menschen, die in der Organisation
arbeiten. Diese Eigenlogik prägt das Selbstverständnis der
Organisationsmitglieder und formiert gewissermaßen auch ein Werteschema, das im
Idealfall auch praktisch gelebt wird.
Spannend wird es nun, wenn Ziele nicht erreicht werden, Unfälle passieren,
Abläufe haken etc. Die Autor:innen beschreiben, wie in diesen Fällen oft genug
der Mensch als Störfaktor ausgemacht wird. Indem Schwierigkeiten auf den
Schultern von konkreten Mitarbeitenden abgeladen werden, wird der oft genug
notwendige Blick darauf, ob vielleicht die Strukturen fehlerhaft sein könnten,
verstellt. Auch hier greift die Organisationslogik, die natürlich davon
ausgeht, dass es nicht die eigenen Strukturen sein können, denn dann wäre ja
die Organisation selbst fehlerbehaftet. Also müssen einzelne Menschen Schuld
haben.
Nicht weniger spannend ist es, den Blick auf Menschen zu richten, die sich
in Organisationen bewegen. Ihnen kommen Rollen zu, die mit bestimmten Aufgaben,
Funktionen verknüpft sind. Oft genug werben Organisationen aber nun mit
besonders flachen Hierarchien, eine familiären Atmosphäre. Was ist denn nun
davon zu halten, wenn es doch eigentlich um „nur“ um die Erfüllung von
konkreten Aufgaben geht? Ist es, so fragen die Autor:innen, denn nicht
übergriffig, wenn Organisationen mehr als das Ausfüllen der Organisationsrolle
erwarten und gleich den ganzen Menschen vereinnahmen wollen?
In einer Welt, in der wir oft genug lernen, nicht nur als etwas zu arbeiten,
sondern dann vielmehr mit unserer beruflichen Rolle, also der
Organisationsrolle, gleichsam zu verschmelzen, in so einer Welt muss die oben
gestellte Frage schon fast seltsam anmuten. Dies gilt umso mehr, wenn die
Organisationsziele nicht allein profitorientiert sind. Was ist mit NGO´s,
wohltätigen Verbänden, Gewerkschaften, Parteien?
Ich hätte aus meiner Arbeitserfahrung heraus schon das Gefühl, dass
Organisationsmitglieder neben ihren Rollen innerhalb der Organisation auch als
Menschen mit Interessen jenseits der Rolle, mit Wertvorstellungen etc. gesehen
werden wollen. Was aber wäre nun das richtige Maß, um einer Entgrenzung der
Organisationsrolle entgegenzuwirken?
Hier und bei einer ganzen Reihe weitere spannender Fragen liefern die
Autor:innen eine Menge Anregungen zum Nachdenken. Ich zumindest kam gar nicht
umhin, immer wieder beim Lesen innezuhalten und auf mein eigenes Berufsleben zu
blicken.
Zwei Punkte seien außerdem zu dem Buch noch unbedingt erwähnt: Zum einen
finde ich die Gestaltung für ein Sachbuch wirklich gelungen. Toll gestaltete
Bücher in diesem Bereich sind leider die Ausnahme, umso mehr fällt dieses hier
auf. Zum anderen macht es wirklich Spaß, den Gedanken der Autor:innen und auch
den vielen Beispielen und Theorieexkursen zu folgen, denn der Text ist wirklich
gut geschrieben. Auch dies ist in diesem Bereich eher eine Ausnahme – es sei
denn, ich las da bisher immer die falschen Bücher. 😊
Kurz und gut: Um an diesem Buch Spaß zu haben und es mit Gewinn zu lesen,
muss niemand Organisationsentwickler:in sein. Du bist selbst in irgendeiner
Form Teil einer Organisationsstruktur? Dann los und lesen! 😊
#lesewinter #sachbuch #kaimatthiesen #judithmuster
#peterlaudenbach #vahlenverlag #wirtschaft #organisation #menschen #leitung
#führung #rollenbilder #kommunikation #coaching #trainerlife #polbil #lesen
#leselust #lesenswert #leseratte #bücher