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Sonntag, 31. August 2025

Anne Rabbe: Das M-Wort. Gegen die Verachtung der Moral


„Moral ist nicht en vogue: Sie ist unter Verdacht geraten – von der Spaßbremse bis zum gesellschaftlichen Klotz, der den Fortschritt aufhält. Sie ist zum Unwort verkommen, dem M-Wort, das niemand mehr gern in den Mund nimmt. Anhand konkreter Beispiele – wie dem Umgang mit Armut, Migrations- und Klimapolitik, der Gleichberechtigung der Geschlechter und steigender Radikalisierung – beleuchtet Anne Rabe auf persönliche Weise die gefährlichen Folgen der Verächtlichmachung von Moral; und zeigt, wie Moral in einer unübersichtlichen Weltlage eine Leitplanke sein kann, um die Zukunft zu gestalten und ihr nicht länger bloß ausgeliefert zu sein.“ (Umschlagtext)

Dass die Welt aus den Fugen geraten scheint, ist ja schon eine zum Allgemeinplatz geratene Feststellung, die gern auch – mindestens gefühlt – mitunter eigentlich auch gar nichts mehr auszusagen scheint – auf der einen Seite. Auf der anderen erlebe ich immer mal wieder Menschen, die im persönlichen Umgang nett und auch sympathisch sind. Äußern sie sich dann zu Gesellschaft und Politik frage ich mich dann oft genug in einer Art, dass ich mich frage, wann deren Kompass im Leben kaputt gegangen ist.

Diese Frage nach dem Kompass, die mich immer wieder umtreibt, ließ mich dann umstandslos auf den Titel dieses Buches reagieren. Denn eigentlich ist es ja das: Moral, Wertvorstellungen – die die Eichung unseres persönlichen Kompasses bestimmen.

Wenn Leute dann einerseits sowas wie Gerechtigkeit einfordern und das auch ernst meinen, gleichzeitig aber Ungerechtigkeiten das Wort reden, sowie es andere Menschen/Menschengruppen betrifft, dann scheint mir die Eichung des Kompasses deutlich gestört zu sein. Die Frage, wie das passiert sein könnte, ist die eine. Warum der Kompass selbst oder dessen Verwendung und Inbezugnahme so in Misskredit geraten scheinen und die Auswirkungen davon, ist eine andere Frage.

Auf Letztere hoffe ich hier ein paar Hinweise und Denkanstöße zu finden. Zur Stärkung des eigenen Gutmenschenmuskels! 😉

„‘Die Verachtung der Moral ist nicht neu. Sie ist immer wieder Motor reaktionärer und auch gewalttätiger Bewegungen. Sie ist aber auch Teil der Überlegenheitsbehauptung derjenigen, die mit zynischem Schulterzucken andeuten wollen, dass sie sich keine Illusionen mehr machen. Oder auch Teil derer, die unter dem Deckmantel des Realismus ihre Privilegien verteidigen. Warum sollten wir uns dem ergeben? Wie haben die Möglichkeit, die Welt mit unseren Gedanken zu verändern. Nichts war einfach, wie es war. Nicht muss bleiben, wie es ist. Das macht Angst, aber darin liegt auch Hoffnung.‘ Anne Rabe“ (Klappentext)

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Dienstag, 12. August 2025

Joris Kern: Konsenskultur. Gemeinsam größer denken


„Zu erkennen, wo wir untereinander versuchen, Konflikte auszutragen, die uns durch äußere Einflüsse aufgebürdet werden, ist extrem wichtig. Sie solidarisch gemeinsam anzugehen auch. Dass das nicht unser Default-Modus ist, lässt sich durch Patriarchat und Kapitalismus gut erklären. Aber wir brauchen ein Gegengift, um auch in widrigen Umständen groß und solidarisch zu denken. Dieses Zaubermittel heißt Konsenskultur.“ (Umschlagtext)

Ein wirklich kleines, schmales Bändchen, auf das ich bei einer Lesung im #prinzeisenherz neugierig geworden bin. Politisch und auch als Kommunikationstrainer bin ich gespannt, welche Gedanken Joris Kern hier in diesen knackigen Essay gesteckt hat – und ob ich Anknüpfpunkte für meine Arbeit finde. Hach, ich liebe meinen Job. 😊

„Als queere Menschen haben wir mit Ausgrenzung und Diskriminierung zu tun. In der Hoffnung, endlich dazuzugehören, verhalten sich viele ‚szenekonform‘, was unsere Kreise oft zu exklusiven Clubs werden lässt, die sich immer wieder als gnadenlos denen gegenüber erweisen, die nicht sexy genug oder politisch auf Linie sind. Wie können politische Räume und ‚safe spaces‘ liebevoller und inklusiver, aber dabei trotzdem nicht beliebig werden?“ (Klappentext)

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Sonntag, 27. Juli 2025

Antonio Scurati: Faschismus und Populismus


„Faschistische Aufmärsche, Rassismus und Gewalt gegen Geflüchtete sind immer mehr an der Tagesordnung. So sehr diese Phänomene erschrecken, seien sie aber weniger gefährlich als die weniger offensichtlichen, so Antonio Scurati. Vielmehr schaden die Akteure den Demokratien, die populistisch auftreten. Sie reduzieren das politische Leben auf Gefühle, vor allem Angst und Groll, und vereinfachen die komplexe Realität demokratischer Gesellschaften. Dabei folgen sie bewusst oder unbewusst dem Führungsstil Benito Mussolinis. Warum und wie dieser Stil extremen Kräften den Weg bereitet, erläutert Scurati in seinem fesselnden Essay.“ (Umschlagtext)

Wenn ich in den sozialen Medien in den Kommentarspalten zu einem CSD in einer thüringischen Kleinstadt als Vorwurf lese, dabei ginge es ja nur gegen Nazis und gar nicht um Vielfalt und allerhand mehr gefährlichen Unfug, frag ich mich schon, woher das kommen mag.

Haben manche Leute es einfach nicht anders gelernt? Ist es schlicht Mutwillen? Mindestens lässt sich aber recht gesichert sagen, dass öffentlich geführte Debatten – also in den Talkshows, Nachrichtensendungen und Zeitungen – recht sicher einen Einfluss darauf haben, wie Debatten im Kleinen laufen.

Da mag die unsägliche Zirkus-Bemerkung von Merz nicht so schlimm gemeint gewesen sein. In der Folge sind die homophoben und queerfeindlichen Kommentare, die genau das aufgreifen, schlicht schnell unzählbar geworden. Und da sprechen wir noch nicht über verbales Rütteln an demokratischen Institutionen und Grundwerten.

Ich bin gespannt, welchen Aspekt in der Debatte um Populismus und dessen Gefahren für die Demokratie Scurati hinzufügen kann/wird.

„Antonio Scurati, 1969 in Neapel geboren, ist Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft. Seine Romane sind in viele Sprachen übersetzt und wurden mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Sein großes Romanprojekt ‚M‘ zum Aufstieg des Faschismus in Europa machte ihn international berühmt und stand auf Platz eins der italienischen Bestsellerliste. Im Juni 2024 wurde Scurati für sein Wirken mit dem renommierten Ordre des Arts et des Lettres ausgezeichnet.“ (Verlagstext)

(Übersetzung: Enrico Heinemann)

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Donnerstag, 17. April 2025

Michael Ebmeyer/ Roland Schappert: Revolte. Zu Aktualität einer Idee


„Wenn autokratische Kräfte nach der Macht greifen und demokratische Institutionen immer schwächer werden, ist Revolte die einzige Hoffnung: das Aufbegehren für Freiheit und Teilhabe im Zeichen der gegenseitigen Hilfe.

Wie aber kann solidarische Revolte gelingen, wenn zugleich die Autoritären das Vokabular der Rebellion kapern und sich als Kämpfer im Aufstand ‚gegen das System‘ Inszenieren? Dieser Frage gehen Michael Ebmeyer und Roland Schappert in ihrem mitreißenden, hoch aktuellen Essay nach. Im Anschluss an Klassiker wie Albert Camus analysieren sie, wo Revolte heute zur Farce wird und wie Befreiungsbewegungen dennoch auch im Tik-Tok- und MAGA-Zeitalter eine Ordnung ohne Herrschaft anstreben können.

Eine Besonderheit ist der kreative, subversive Dialog von Text und Bildern in diesem Buch: Er verbleibt nicht auf der Ebene der Illustration, sondern schafft künstlerische Reibungsmomente, die geeignet sind, die Idee Revolte neu verständlich und attraktiv zu machen.“ (Umschlagtext)

Messemitbringsel 5:

Ganz offensichtlich ist die Zeit, da sich die Zivilgesellschaften demokratischer Länder daran machen müssen, gesellschaftliche Errungenschaften gegen autoritäre Interessen und Machtergreifung zu verteidigen. Nach Jahrzehnten, in denen Demokratie, Teilhabe, Mitbestimmung – wie unvollkommen auch immer – als vollkommen selbstverständlich erlebt wurden, scheint die Lektion unserer Zeit zu sein: Nichts an gesellschaftlichem Fortschritt wird geschenkt und bleibt dann für ewig unangetastet. Also Engagement und Revolte für Demokratie.

Wenn aber Autoritäre und selbst Rechtsextremisten die Worte und Posen übernehmen, die einst für fortschrittlichen Widerstand standen, dann entsteht ein Dilemma, dass sich in den Talkshows landauf, landab regelmäßig bestaunen lässt. Ich hoffe sehr auf Denkanstöße zur weiteren Vermittlung in empowernden Formaten.

Und weil der Verlag im Klappentext gleich noch eine Beschreibung der Reihe mitliefert, in der dieser Band erschien, sei die hier gleich mitgeliefert. 😊

Die Reihe update gesellschaft

Wer abwartet, kommt heute notorisch zu spät. Noch vor der Corona-Pandemie mochte es genügen, sich an der Eule der Minerva zu orientieren, die erst in der Dämmerung zu ihrem Flug ansetzt. Für Philosophinnen und Philosophen hieß das, die Zeitläufte abzuwarten und mit den Analysen erst zu beginnen, nachdem das Tagesgeschäft vorüber war. Seit mit dem SARS-CoV-2-Virus eine Art Brandbeschleuniger für die Dynamik sozialer Prozesse gezündet hat, scheint diese Haltung für eine Gesellschaftsdiagnose der Gegenwart nicht mehr angemessen. Noch bevor die Eule der Minerva zu ihrem Flug anhebt, sind mit digitalem Furor bereits reale Fakten geschaffen worden. Aus diesem Grund braucht es permanent Updates zur Lage der Gesellschaft.

In dieser Buchreihe erscheinen freie Essays zu allem, was bei Tageslicht betrachtet werden sollte. Ganz im Sinne Montaignes, der diese faszinierende Textsorte begründete, wird hier nicht das Sein, sondern der Übergang gezeichnet.

Matthias Eckoldt
Herausgeber der Reihe“ (Klappentext)


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Sonntag, 1. September 2024

Ines Geipel: Fabelland. Der Osten, der Westen, der Zorn und das Glück


„35 Jahre nach dem Fall der Mauer: Was ist aus dem Glück von 1989 geworden?

Woher kommt all der Zorn? Woher kommen die falschen Bilder? Ines Geipel geht noch einmal zurück zu dem Zeitriss, geht hinein in die Umbrüche nach dem Ende der deutschen Teilung. Hartnäckig hinterfragt sie die politisch entzündlichen Geschichten, die im Land erzählt werden. Und weil sie sich Zeit nimmt, nachhorcht, recherchiert, immer wieder von Menschen erzählt, öffnet sie die verstellten Räume in uns. Ein fesselndes, unverzichtbares Buch zur Lage der Demokratie in Ost und West.“ (Umschlagtext)

Wahlabend in Sachsen und Thüringen. Eigentlich wollte ich heute etwas zu einem Roman schreiben oder zu einem Comic. Aber während die ersten Prognosen und nun auch Hochrechnungen aus Dresden und Erfurt eintrudeln, gelingt mir die geistige Flucht aus dem Alltag einfach nicht.

Mir ging es ja bei meinen Ost-Lektüren in der letzten Zeit oft so, dass ich kopfschüttelnd auf uns „Ossis“ schaue und einfach keine richtige Erklärung finde. So viele Stimmen für Rechtsextremisten und noch mehr Stimmen für Populisten, denen ich persönlich keine Lösungskompetenz zutraue, die den komplizierten Zeiten gerecht wird! Aber die Frage, die für mich darunter liegt, lautet eigentlich: Was ist mit dem inneren Kompass der Menschen passiert? Und ja, mir ist klar, dass es keine einfachen Antworten gibt. Die Konsequenz kann wieder einmal nur lauten: Nicht aufgeben, trotz alledem oder genau deshalb!

„Der 9. November 1989. In Berlin fällt die Mauer. Es ist einer der glücklichsten Momente der deutschen Geschichte. Ines Geipel ist bereits im Sommer in den Westen geflüchtet und erlebt die Öffnung, die Hoffnungen und Aufbrüche als Studentin in Darmstadt. 35 Jahre danach erinnert sie sich: Wie fühlte er sich an, dieser historische Moment des Glücks? Wie erzählen wir uns Ost und West und die Wiedervereinigung? Wie war das noch mal mit der Treuhand damals, mit dem Streik in Bischofferode, mit der innerdeutschen Fluchtgeschichte? Wie ist das mit den Opfern und Tätern? Woher kommt all der Zorn, woher die Verleugnung, woher die schiefen Legenden, wenn es um den aktuellen Zustand des Landes geht? Wie ist der Erfolg der extremen Rechten im Osten zu erklären? Und wieso schlüpft der Westen so selbstverständlich in seine gut ausgetretenen Schuldschuhe und sperrt sich gegen die politische Wucht im Jetzt?
Mit großer Klarheit und Offenheit geht Ines Geipel noch einmal zurück. Zurück in die politische Umbruchlandschaft nach 1989, in die eigene Familie, zurück in all die besetzten Räume der Erinnerung, zurück zu den Verharmlosungen und Legenden, die die Gegenwart so vergiften. Ein Text voller Courage und Erfahrung, der auf die Frage zuläuft: Können die Deutschen ihr Glück auch verspielen?“ (Klappentext)

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Sonntag, 25. August 2024

Anne Applebaum: Die Verlockung des Autoritären. Warum antidemokratische Herrschaft so populär geworden ist


„Die Erschütterung der liberalen Demokratien wird oft mit der Schwäche der westlichen Werteordnung erklärt. Anne Applebaum wählt einen anderen Ansatz und fragt: Was macht die Rückkehr zu autoritären Herrschaftsformen für viele Menschen so erstrebenswert? An zahlreichen Beispielen – von den Brexiteers bis hin zu den illiberalen Demokratien Osteuropas – zeigt sie, welche Rolle dabei soziale Medien, Verschwörungstheorien und Nostalgie spielen. Ein brillant erzählter, aus persönlicher Erfahrung gespeister Streifzug durch eine westliche Welt, die sich auf erschreckende Weise nach harter Hand und starkem Staat (zurück)sehnt.“ (Umschlagtext)

Nicht nur auf meinen Lesestapeln häufen sich die Texte über den aktuellen Zustand insbesondere der sogenannten westlichen Gesellschaften. So fassungslos ich selbst wie viele andere im Kleinen erlebe, dass Menschen „Lust am Autoritären“ versprühen, so lässt sich Gleiches ja im Großen beobachten – an Diskursverschiebungen hierzulande oder überall dort, wo Gesellschaften – zumindest aus unserer mitteleuropäischen Perspektive – zu kippen drohen oder schon einen Schritt weiter sind.

Wie kommt all das nun zustande? Ich bin gespannt, welche Antworten und Anregungen in diesem Band stecken.

„‘Zu den in diesem Buch beschriebenen Menschen gehören nationalistische Ideologen genauso wie hochgesinnnte politische Essayisten; die einen verfassen anspruchsvolle Bücher, andere lancieren Verschwörungstheorien im Internet. Einige werden von derselben Sorge, Wut und Harmoniesucht angetrieben, die auch ihre Leser und Follower beschäftigen. Ein Teil wurde durch Auseinandersetzungen mit der kulturellen Linken radikalisiert oder von der Schwäche der liberalen Mitte abgestoßen. Andere sind Zyniker und bedienen sich einer radikalen und autoritären Rhetorik, weil sie sich davon Macht und Anerkennung erhoffen. Es gibt Apokalyptiker, die überzeugt sind, dass ihre Gesellschaft dem Untergang geweiht ist und gerettet werden muss, egal, wie das Ergebnis aussieht. Einige sind zutiefst religiös. Manche genießen das Chaos und wollen es herbeiführen, um der Gesellschaft eine neue Ordnung aufzuzwingen. Sie alle versuchen ihre Nationen umzudefinieren, Sozialverträge umzuschreiben und manchmal auch die demokratischen Regeln zu ändern, sodass sie nie die Macht verlieren. Alexander Hamilton warnte vor ihnen, Cicero bekämpfte sie. Einige dieser Menschen waren einmal meine Freunde.‘“ (Klappentext)

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Freitag, 14. Juni 2024

Nikolaj Schultz: Landkrank. Ein Essay

 

„Hitzewelle in Paris. Nachts liegen die Menschen schlaflos in verschwitzten T-Shirts unter ihren Zinkdächern. Soll man nicht besser die Klimaanlage anschalten? Oder macht das alles noch schlimmer? Und was ist eigentlich mit dem billigen T-Shirt, das über Tausende Kilometer nach Europa geschafft wurde? Der Autor bekommt Panik, will den Temperaturen und seinem schlechten Gewissen entfliehen. Er macht sich auf nach Porquerolles. Doch auch die Insel ist nicht länger unberührt, sondern ein überlaufenes Touristenziel. Im Sommer ist das Wasser knapp. Die ikonische Plage d´Argent wird von den Einheimischen nur noch ‚Bakterienstrand‘ genannt – wie in einem Prozess der umgekehrten Alchemie wird aus Schönheit Schmutz, aus Silber Dreck.
Nikolaj Schultz´ Erlebnisse und Begegnungen werfen existenzielle Fragen auf: nach der Verantwortung jeder und jedes Einzelnen, nach ethischer und ökologischer Orientierung im Anthropozän. Seine Antworten sind nicht immer tröstend, aber er findet Einsichten und einen Ton, der ihn zur Stimme einer Generation machen könnte.“ (Klappentext)

Selbst so viele von denen, die den Klimawandel schlichtweg leugnen, reden irrwitzigerweise ja andauernd davon. Vor allem, wenn sie sich über die Leute aus den jüngeren Generationen aufregen, die sich aktivistisch oder wissenschaftlich mit dem Klimawandel und dessen Folgen auseinandersetzen – wie der Soziologe Nikolaj Schultz.

Der Essay verspricht die inzwischen ja auch hierzulande gern gelesene Mischform autobiografischer Wissenschaft, um mal eine Beschreibung zu versuchen, mit der ich selbst, während ich das schreibe, noch nicht ganz zufrieden bin. ^^ Ich lese das gern, weil es Wissenschaft näher an das Leben der Lesenden heranbringt und so für mehr Verständnis und Diskurs sorgen kann. Das hoffe ich zumindest und bin mal wieder sehr gespannt.

(Übersetzung: Michael Bischoff)

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Montag, 29. April 2024

Elodie Arpa: Freiheit


„Was sich wie Freiheit anfühlt, muss Freiheit sein. Nicht wahr?

Freiheit ist Sehnsuchtsort, Verführung, Projektionsfläche, Ablenkungsmanöver. Kaum ein Wort beflügelt uns so sehr, kaum eines wird so schamlos vereinnahmt, ausgehöhlt und missbraucht wie die Freiheit. Doch woher kommt unser Freiheitsverständnis? Geht es bei der Debatte um freie Meinungsäußerung überhaupt um Freiheit? Und wen grenzen wir von der Freiheit aus, die uns allen zusteht?

Elodie Arpa wirft einen kritischen Blick auf unsere aktuelle Freiheitsrhetorik und bietet einen Ausblick auf ein größer gedachtes, gemeinschaftliches Verständnis von Freiheit, mit dem sich Krisen eindämmen lassen und Zukunft erbauen lässt.“ (Umschlagtext)

Ein weiteres Mitbringsel von der #lbm ist dieser Band aus der Reihe „Übermorgen“ aus dem Verlag Kremayr & Scheriau. Ja, ganz genau, die tauchen hier inzwischen auch regelmäßig auf – weil Programm und Gestaltung einfach Spaß machen. Ernsthaft.

Und an der Reihe mag ich, dass die Titel immer Begriffe sind, bei denen ich mich gern einladen lasse, einmal innezuhalten und dem Klang nachzuspüren und zu schauen, womit wir im Alltag gern mal so um uns werfen. Freiheit passt wunderbar in die Reihe. Genauso wie Pathos. 😉

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Freitag, 17. März 2023

Philipp Ther: Das andere Ende der Geschichte. Über die große Transformation


„Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sollten Marktwirtschaft und liberale Demokratie weltweit friedliche Kooperation und ein Leben im Wohlstand fördern. Groß angelegte Konflikte, so eine weit verbreitete Meinung, seien nun nicht mehr zu befürchten. Doch kam es anders: Nicht nur in den Transformationsstaaten Mittelost- und Osteuropas ließ das Wohlstandsversprechen vielerorts auf sich warten. Auch im Westen wich das jahrzehntelang gültige Aufstiegsversprechen der Angst vor sozialem Abstieg. Finanz- und Eurokrise, der Erfolg rechtspopulistischer Parteien und neue Konflikte zwischen Weltmächten haben das Vertrauen in den befriedenden Charakter von Marktwirtschaft und liberaler Demokratie weiter geschwächt. In mehreren Essays setzt sich Philipp Ther mit den Veränderungsprozessen seit den 1990er-Jahren auseinander. Mit einem Fokus insbesondere auf die USA, Deutschland und Italien zeichnet er nach, wie ähnliche, aber auch sehr eigene Dynamiken die jüngere Zeitgeschichte dieser Länder geprägt haben und die jeweilige politische Situation bis in die Gegenwart hinein bestimmen.“ (Umschlagtext)

Nach den bereits viel besprochenen Enttäuschungen in den Ländern des ehemaligen Ostblocks rücken immer mehr die Abstiegsängste im eigentlich wohlhabenden Westen in den Blick. Die Dynamiken, die sich wirtschaftlich und politisch regional und global daraus ergeben, sind Thema der fünf Essays in diesem Band, der ursprünglich bei Suhrkamp erschienen ist.

Und weil das Krisenknäuel eh nur größer zu werden scheint, lohnt sich doch da auch ein Blick drauf beziehungsweise hinein, also in dieses Büchlein. 😊

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Samstag, 28. Januar 2023

Andreas Malm: Wie man eine Pipeline in die Luft jagt. Kämpfen lernen in einer Welt in Flammen


„In diesem mitreißenden Manifest fordert Andreas Malm nichts weniger als die Eskalation: Wir müssen den Verbrauch fossiler Brennstoffe zum Stillstand bringen – durch unser Handeln, mit unseren Körpern, mit allem, was uns zur Verfügung steht. Können Sabotage und die Zerstörung von Eigentum und Infrastruktur gerechtfertigte Mittel sein, um den Druck auf die Machthabenden zu erhöhen, die dringend notwendigen Veränderungen endlich einzuleiten? Unsere Welt steht schon längst in Flammen, nun gilt es, für sie kämpfen zu lernen.“ (Umschlagtext)

Ich empfinde die Verdrehung von Begriffen wie den des „Klimaterroristen“ zunehmend als populistisch überwältigend, Fakten verweigernd, verdrehend und zugleich verharmlosend in die Richtung derer, die tatsächlich als Terroristen gelten müssen. Dieses Stimmungmachen nehme ich als deutlich gefährlicher wahr als die Aktionen von Klimaaktivisten. Zugleich finde ich die Debatte darüber, wie ein Kampf fürs Klima aussehen kann, darf und auch soll für absolut überfällig.

Ich weiß nicht genau, ob und wie dieser Text verzahnt ist mit den Aktionen der „Letzten Generation“ zum Beispiel, die in den letzten Monaten immer wieder durchgeführt wurden. Aber ich bin gespannt darauf, diesen Text zu entdecken.

„Müssen wir Gewalt anwenden, um unsere Zukunft zu retten? Eine brisante Streitschrift.

Die wissenschaftlichen Fakten bezüglich der Klimakrise, die Daten, die das Massenaussterben und die Erderwärmung beziffern, liegen auf dem Tisch, an dem führende Politikerinnen und Politiker regelmäßig zusammenkommen, um Klimaziele zu vereinbaren. Auf den Straßen vor den Tagungshotels und Regierungspalästen protestieren nicht erst seit gestern immer mehr Men­schen. Sie starten Petitionskampagnen und sammeln Unterschriften. Trotz­dem haben wir es mit einer nach wie vor boomenden Industrie für fossile Brennstoffe zu tun, die Gewinne steigen kontinuierlich. Ist es also an der Zeit, das kaputt zu machen, was uns kaputt machen wird? In diesem mitreißen­den Manifest fordert Andreas Malm nichts weniger als die Eskalation: Wir müssen die Förderung fossiler Brennstoffe zum Stillstand bringen – mit unserem Handeln, unseren Körpern, mit allem, was uns zur Verfügung steht. In seiner historisch fundierten Lesart der Geschichte erfolgreicher sozialer Bewegungen – für das Frauenwahlrecht, gegen die Apartheid – zeigt Andreas Malm, dass jeder dieser Kämpfe Grenzen überschritten hat: Eigentum wurde zerstört, Infrastruktur angegriffen. Nur so konnte der notwendige Druck aufgebaut werden, um Veränderung voranzutreiben. Mit der Leidenschaft eines Aktivisten und dem Wissen eines Forschers diskutiert Andreas Malm das Spannungsfeld zwischen Gewaltfreiheit und direkter Aktion, Strategie und Taktik, Demokratie und sozialer Veränderung. Und zeigt uns, wie wir in einer Welt kämpfen können, die längst in Flammen steht.“ (Verlagstext)

(Übersetzung: David Frühauf)

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Donnerstag, 28. Juli 2022

Solmaz Khorsand: Pathos


„Pathos ist überall. Permanent sind wir bewegt, empört und berührt von der Welt und wollen das mit allen teilen. Pathos bedeutet Macht. Erst wenn die eigene Bewegtheit andere bewegt, kommen Dinge ins Rollen. Dann kann Pathos Veränderung bedeuten. Solmaz Khorsand gelingt eine schafte Analyse darüber, wessen aufgeregtes Geheul Gewicht hat – und wem man rät, bitte nicht so pathetisch zu sein. Sie tritt dafür ein, die eigene Lautstärke gelegentlich mal zu dämpfen und ermutigt uns alle dazu, ab und an einfach mal den Mund zu halten.“ (Umschlagtext)

So grundsätzlich mag ich ja Pathos – um mir wichtigen Punkten auch verbal Bedeutung zu verleihen und gerade in Workshops eben auch, um Bewegung anzustoßen. Schon beim Aussprechen spüre ich immer wieder, dass der Grad echt schmal sein kann, auf dessen anderer Seite es steil in den kitschigen Abgrund geht. Und jetzt freu ich mich auf die Lektüre. 😉

Noch ein Mitbringsel von „Kleine Verlage am großen Wannsee“ im #LCB.

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Montag, 11. Juli 2022

Heidi Kastner: Dummheit


„Dummheit ist gefährlich. Sie gefährdet zwischenmenschliche Beziehungen, den sozialen Zusammenhalt, den demokratischen Grundkonsens – und unser Überleben auf diesem Planeten.

Heidi Kastner zeigt auf, dass sich messbare Intelligenz und Dummheit beileibe nicht ausschließen müssen und analysiert messerscharf die Spielarten der Dummheit. Da gibt es die Lern- und Faktenverweigerer sowie die Denkfaulen, die lieber nachplappern, was ‚Influencer‘ sagen, als Wissen zu erwerben und selbst zu denken, die Querulanten und Verschwörungstheoretiker, die von dunklen Mächten unken, die sie in Verderben stürzen wollen. Und dann gibt es noch die Gefühlsdummen, die sich nicht in andere hineinversetzen können oder wollen und jegliches Mitgefühl vermissen lassen.“ (Umschlagtext)

 

Hach, ein Essay über die Dummheit – das hat mich doch gleich gekriegt. Nicht nur, dass ich den Wiener Verlag Kremayr & Scheriau für mich am Wannsee entdecken konnte. Auch diese kleine Reihe „Übermorgen“ hat es mir sofort angetan. Ich freu mich! ;)

 

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Dienstag, 17. Mai 2022

Paul B. Preciado: Ein Apartment auf dem Uranus. Chroniken eines Übergangs


"Sie sagen Identität. Wir sagen Vielheit. Sie sagen Krise. Wir sagen Revolution." (Umschlagtext)

Wenn eine liebe Freundin und die beste Bücherfrau von allen sagt: Hier, das ist für dich! Dann hab ich gar keinen Zweifel, auch wenn ich erstmal entdecken muss. Und da freu ich mich drauf, auch wenn das Buch schon länger hier auf dem nicht enden wollenden Stapel liegt. 🤓🙈❤️

"Es war Karl Heinrich Ulrichs, der 1864 der 'Liebe, die ihren Namen nicht zu nennen wagt', erstmals einen Namen gab: Inspiriert vom griechischen Gott Uranos, bezeichnete er gleichgeschlechtliches Begehren als Uranismus. Mit dem Begriff forderte er als einer der Ersten überhaupt öffentlich das Recht ein, anders zu lieben.
Auf Ulrichs Spuren träumt Paul B. Preciado von einem Apartment auf dem Uranus, einem Ort fern der irdischen Kategorisierungen und Festlegungen, einem Ort, der sexuellen Dissidenz. Preciados in diesem Band versammelte Texte verdichten sich zur Erzählung eines Übergangs: einer durch die Einnahme von Testosteron angestoßenen Transformation des eigenen Körpers und der eigenen Identität - von Beatriz zu Paul. Zugleich dokumentieren und analysieren sie die im Wandel begriffenen politischen Verhältnisse. Von den Protesten im krisengebeutelten Athen über die verzweifelte Situation der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln bis hin zur Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien begleitet Preciado Kämpfe um Würde und Selbstbestimmung." (Klappentext)

(Übersetzung: Stefan Lorenzer)


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Dienstag, 12. April 2022

Simon Strauss: Sieben Nächte


„DAS HIER SCHREIBE ICH AUS ANGST. Aus Angst vor dem fließenden Übergang. Davor, gar nicht gemerkt zu haben, erwachsen geworden zu sein.“ (Seite 11)

Ach, dieses Ding mit dem Erwachsenwerden! Wisst ihr noch, dieses erste Mal, als ihr gemerkt habt, dass eure Eltern sich mal so richtig irrten, eine richtig dumme Entscheidung trafen, obwohl sie es doch hätten besser wissen müssen, als sie kindisch darauf bestanden im Recht zu sein, obwohl sie es offensichtlich nicht waren? Vielleicht war das ja der Moment, in dem es angefangen hat – mit diesem kleinen Stolz darauf, es jetzt einfach mal besser gewusst zu haben?

 

Im Sommer 2017 stellte ein sympathischer 29jähriger Typ sein Buchdebut vor. In der auf die Lesung folgenden Diskussion kamen Fragen aus dem Publikum von vorrangig eher älteren Menschen als es der Autor zu diesem Zeitpunkt war. Aus den Fragen sprach Neugierde darüber, wie die Generation der um 1990 herum Geborenen sich die Welt der Erwachsenen erobert. Und ich fand das Gespräch dazu wirklich spannend – als einer der diese Schwelle formal wenigstens über eine Dekade vor dem Autor überschritten hatte.

 

Zu dieser Zeit rückten für mich immer mal wieder Fragen danach in den Mittelpunkt, wie verschiedene Generationen so geprägt sind, was sie ausmacht und natürlich auch, was das für meine eigene Generation bedeutet, die um die Zeit der Wende herum im Osten aufgewachsen ist.

 

Ich fand die pathetischen Fragen und Sorgen des Autors interessant, auch wenn ich sie kaum in Bezug zu mir selbst setzen konnte. Bei Strauss klang es so, dass seine Eltern und Großeltern im Grunde alles geklärt hätten. Aufklärung in so vieler Hinsicht in den 1960ern, alle großen gesellschaftlichen Schlachten geschlagen und nun muss diese Generation trotzdem einen Sinn im Leben finden.

 

Vielleicht war es ja auch ein Glücksfall, dass diejenigen, die in der Wendezeit Jugendliche waren, ihre Elterngeneration eben oft genug nicht als souverän, erfolgsverwöhnt etc. erlebt hatte. Vielleicht prägte es den Blick auf dieses Erwachsenwerden ja deutlich anders, wenn man die, die eigentlich Vorbilder sein sollten, dabei beobachten konnte, wie sie die Scherben ihres Lebens ganz oft ohne großen Erfolg zusammenkehrten und versuchten, einfach nur weiterzumachen, durchzukommen.

 

Aber es wäre auch reichlich albern, Generationen, die in den Wohlstand und die Sorglosigkeit ihrer Eltern hineingeboren werden, daraus einen Vorwurf zu machen. Egal, die Veranstaltung war interessant und ich neugierig auf den Text.

 

Als eine Art Initiationsritus oder Pfad der Erkenntnis lässt sich der Erzähler auf eine Wette ein. An sieben Tagen müsse er sich nach sieben Uhr je einer Todsünde stellen, sie durchleben und schonungslos offen darüber schreiben. Vielleicht ließe sich ja so etwas richtiges fühlen oder erkennen.

 

Leider empfand ich den Text und die geschilderten nächtlichen Erlebnisse dann deutlich weniger interessant oder gar inspirierend wie die Vorstellung des Buches.

 

Für meinen Geschmack ist das doch spannende Vorhaben im Text selbst zu bloßem Pathos geronnen. Vielleicht hab ich mir unter den Todsünden auch einfach etwas Aufregenderes als Zocken mit 2 Euro vorgestellt. Aber der Hauptpunkt ist, glaube ich, dass die Hauptfigur alle Ausflüge immer im festen Bewusstsein unternahm, hinterher wieder im Warmen sitzen zu können. Da war kein Leben ohne Netz, kein echtes Risiko sondern eher eine eigentlich recht fein wattierte und irgendwie biedere Vorstellung davon, was denn jetzt so richtig sündig wäre.

 

Aus dem Vorhaben, sieben Todsünden zu durchlaufen und dann irgendwie mehr über das Erwachsensein oder -werden zu wissen, spricht aber auch letztlich schon tieferliegende Vorstellung davon, wie es zu sein hat. Mut, Stärke, Risikobereitschaft, Libido – letztlich konnte ich mich des Eindruckes nicht erwehren, dass der Autor hier mit wohlgesetzten Worten eben doch einfach nur eine stockkonservative Weltsicht präsentiert. Ob ihm das so bewusst gewesen ist, sei dabei mal dahingestellt.

 

Erst viel später las ich davon, dass um Autor und Buch eine kleine Debatte entbrannt war. Strauss, so der Vorwurf der einen, öffne sich hier rechten Interpretationen. Das sei Humbug, weil doch hier ein junger Mensch und Autor einfach nur mutig Fragen stelle, so in etwa entgegneten die anderen.

 

Interessanterweise ließ sich in den letzten drei Jahrzehnten ja über Befragungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen beobachten, dass der Hang zu Familie, Stabilität etc. zugenommen habe. Nix mehr mit Sturm und Drang bei den jungen Leuten. Ich weiß zu wenig über Simon Strauss, um hier urteilen zu wollen oder zu können, aber mindestens dieses Bild empfinde ich bei seinem Text bestätigt. Interessant wäre zu erfahren, wie der Autor so in weiteren fünf Jahren klingt und was er dann für Fragen oder vielleicht auch Antworten hat.

 

Kurz und gut: Die Zeit ging über diesen Text hinweg. Kann man mal lesen!

 

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Mittwoch, 6. April 2022

Asal Dardan: Betrachtungen einer Barbarin


"Asal Dardan ist als Kind iranischer Eltern in Deutschland aufgewachsen, die Erfahrung des Exils hat sie geprägt. Anhand ihres eigenen Lebens erzählt sie davon, wie tief die Brüche sind, die sich durch unsere Gesellschaft ziehen. Klassengegensätze, Verdrängung der eigenen Geschichte, eine Fixierung auf die Herkunft - Asal Dardans literarische Gegenwartsbestimmung ist eine Auseinandersetzung mit den großen Themen unserer Zeit. Immer ist ihr Blick überraschend, immer ist ihre Analyse scharfsichtig. Da ist das geflüchtete Kind, das Trost in Spitzwegs heimeligen Bildern findet, die auch Hitler so gut gefielen. Da sind die bürokratischen Rentenbescheide der sardischen Nachbarin, deren Inhalt niemand entschlüsseln kann. Da werden die Goldfische vom persischen Neujahrsfest in die Freiheit entlassen und eigene, neue Traditionen gewählt. Sprachlich brillant und stilistisch elegant schlagt die Autorin Bögen von der ganz persönlichen Erfahrung zum gesellschaftlich-politisch Brisanten und zeigt auf, dass Zusammenleben bedeutet, Differenz anzunehmen." (Verlagstext)

Welch ein Glück, dass unser eigener Blick auf uns auf immer mehr Perspektiven zurückgreifen kann. Ich bin gespannt auf die "barbarischen" Texte in diesem Buch. 😉

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Samstag, 7. August 2021

Noam Chomsky: Rebellion oder Untergang! Ein Aufruf zu globalem Ungehorsam zur Rettung unserer Zivilisation


"EIN AUFRUF ZUR RETTUNG UNSERER ZIVILISATION VOR KONZERNEN UND RECHTEN ELITEN

Eindrücklich wie nie zuvor klärt Chomsky über die existentiellen Bedrohungen durch Atomwaffen und den Klimawandel auf. Er stellt diese Bedrohungen in den Kontext einer die dagewesenen Macht der Konzerne und einer zunehmend global vernetzten rechten Elite von der Republikanischen Partei bis zur AfD. Noam Chomsky fordert eine linke Gegenbewegung nach dem Vorbild von DiEM25, um Menschen aufzuklären und Regierungen zu zwingen, sich den beispiellosen Herausforderungen für das Überleben unserer Zivilisation zu stellen." (Umschlagtext)

Ach, wenn doch die ganzen warnenden Bücher nur nicht so notwendig wären ...

(Übersetzung: Michael Schiffmann)

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