„In jener
Nacht träumte ich, ich kehrte in den Friedhof der Vergessenen Bücher zurück.“
(Seite 9)
Puh, es ist
über 20 Jahre her, dass ich das erste Mal den Friedhof der Vergessenen Bücher
entdeckt habe. Das war im Schatten des Windes, dem ersten von vier
Bänden, die lose miteinander verbunden sind. Und was hatte ich damals für
Schnappatmung, wie so viele andere auch. 😉
Dies also
ist der vierte und letzte Band, der zurück ins Barcelona der späten fünfziger
Jahre des letzten Jahrhunderts führt.
Ein Minister
des Franco-Regimes ist verschwunden, dessen Vorgeschichte in das Barcelona der
Kriegsjahre zurückführt. Alicia Gris, die junge Hauptfigur dieses Bandes,
arbeitet für die Politische Polizei und stammt selbst aus der Stadt. Die
Erzählung folgt ihr bei ihren Ermittlungen, die, natürlich, immer verworrener
werden, und Alicia zwingen, sich ihrer eigenen Geschichte zu stellen.
Die Buchhandlung
Sempere & Söhne spielt natürlich auch in dieser Geschichte wieder eine Rolle
und ist auch immer noch eng verbunden mit dem Friedhof der Vergessenen Bücher.
Auch der darf als Schauplatz der rasanten Story natürlich nicht fehlen.
Das klingt
schon fast alles zu klischeebeladen und modelhaft, ist es aber auch hier nicht.
Auch der vierte Band lebt einerseits von der sicher romantisierten Vorstellung
Barcelonas – verregnete Straßen, gesäumt von mysteriösen mondänen Gebäuden
inmitten verwunschener Gärten. Kauzige Gestalten mit verworrenen Lebensläufen.
Aber auch hier bieten die Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs und die dunkle
Zeit des Franco-Regimes wiederum einen Hintergrund, der den Postkartenkitsch
dann doch nicht so recht bestehen lässt.
So sind es
gerade die Lebensläufe des Personals, die – Unterhaltung hin oder her –
natürlich auch für die Geschichte des Landes und der Stadt stehen. Die einen
wehrten sich nach Kräften auf der Seite der Republik gegen die Faschisten.
Andere bauten auf ihrer Unterstützung Francos ihre spätere Kariere auf, wie zum
Beispiel der verschwundene Minister.
Und der
Roman erspart dem Publikum auch nicht, mit wie viel Rachsucht und Brutalität
das Regime nach seinem Sieg vorging, um gegen Widerständler:innen vorzugehen.
Dabei spielte neben Politischem eben auch die ganz persönliche Rache eine Rolle,
die oft genug aus Nachbarn oder Freunden erbitterte Feinde werden ließ.
Sicher, es
gibt Romane und Sachbücher, die diese Geschichte sehr viel dezidierter wiedergeben.
Zafón gelingt es für meinen Geschmack aber auch in diesem Band, nicht einfach
nur eine spannende fiktionale Geschichte zu erzählen, sondern eben die
Geschichte der Stadt und ihrer Menschen mit einzuweben.
Da ich
selbst noch nie in Barcelona war, außer in inzwischen wirklich zahlreichen literarischen
Ausflügen, kann ich nicht sagen, ob sich das Barcelona der Romane denn wirklich
in der Stadt wiedererkennen lässt. Bis ich es dann doch mal mit eigenen Augen
gesehen habe, will ich das aber einfach mal annehmen. 😊
Abgesehen
davon, dass ein literarisches Barcelona mich also nun oft genug schon
erfolgreich gekriegt hat, war es aber die Idee des Friedhofs der Vergessenen
Bücher, die sich mir eingebrannt hat.
Da ist also
ein äußerlich heruntergekommener Palast, der in sich eine verwinkelte,
unendlich große Bibliothek verbirgt. Man kommt nicht einfach durch die Tür
hereinspaziert. Natürlich braucht es etwas, dass einem Ritual, einer Initiation
gleichkommt. Belohnt wird man dafür mit dieser nicht zu zählenden Menge an Büchern,
die dem Vergessen anheimgefallen sind.
Vielleicht
wurde ihre Bedeutung bei Erscheinen nicht erkannt; mal waren die Autor:innen Verfemte,
Verfolgte, absichtlich ins Vergessen Gestoßene.
Wer an den
Regalen entlang stöbert, sich vertieft, festliest und weitersucht, wird womöglich
irgendwann damit belohnt, dass eines der Bücher sich als besonders enttarnt. Und
nun ist der oder die Finderin gewissermaßen als Pat:in für dieses Buch
verantwortlich. Ich finde diese Idee und dieses Bild ganz wunderbar.
Kurz und
gut: Der beste Grund, alle vier Romane rund um den Friedhof der Vergessenen
Bücher direkt noch einmal zu lesen. Lesen, los! 😉
(Übersetzung:
Peter Schwaar)
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