Sonntag, 6. Oktober 2024

Willem Frederik Hermans: Das heile Haus (Nachwort von Cees Nooteboom)


„Der große Ast, fast die ganze Krone, lag plötzlich unter dem Baum. Ich hatte kein Knirschen und Krachen gehört, der Knall aus einem kurzlebigen Buschwerk von Erdklumpen, nicht weit vom Baum entfernt, hatte alles übertönt.“ (Seite 9)

Das Faszinierende an dieser Bücherwelt ist ja, dass ich schon viele Jahre sehr viel gelesen haben und literarisch die Welt bereist haben kann – und doch findet sich immer wieder ein neuer Name, der andernorts wohl bekannt ist, von dem ich aber bisher noch nichts gehört habe. Und obwohl man denken könnte, dass die Themen sich irgendwann wiederholen müssten, gibt es durch diese persönlichen Neuentdeckungen immer wieder literarische erste Male. Ich finde das großartig.

Der Niederländer Willem Frederik Hermans ist einer der Namen, die mir bisher unbekannt waren. Aber immerhin seine Texte, nach dem Klappentext des Verlags, in den Niederlanden Schullektüre also Teil des Kanons.

Bei dieser Novelle, die im Krieg spielt, kann ich das zumindest gut nachvollziehen. Die Intensität des Textes, die erzählerische Dichte fangen Grauen und Schrecken des Krieges wirklich eindringlich ein.

Der Krieg, um den es hier geht, wird nicht weiter spezifiziert. Wir wissen nur, dass Deutsche, Russen und Partisanen sich an einer namenlosen Front gegenüberstehen. Mitten im Frontverlauf liegt in einer Ortschaft ein Haus, das jede der Seiten immer mal wieder einnimmt und besetzt. Der Erzähler ist einer der Kämpfer auf Seiten der Partisanen.

Mitten im Kampf wird er versprengt, verliert seine Kameraden und findet sich in dem fast schon idyllisch gelegenen Haus wieder. Er ist allein und beginnt das schier endlos große Anwesen und das Gebäude zu durchsuchen.

Zunächst traut er dem „Frieden“ nicht, wird aber sicherer, je länger er auf niemanden trifft. Umso erregter wird der Partisan, als er feststellt, dass das Haus doch nicht gänzlich unbewohnt ist. Außerdem drängt auch der Krieg sich wieder in diese Idylle. Das Haus wird einmal mehr besetzt.

Bei all dem verschwimmt immer mehr die Realität oder das, was im Grauen des Krieges noch davon übrigbleibt. Wer ist Feind, wer Freund, was bedeuten diese Kategorien überhaupt, wenn es dem Einzelnen nur noch ums Überleben gehen kann?

Und damit ist für mich der Kern des Textes erreicht. Jenseits aller heroischen Kriegspropaganda egal welcher Seite, die nur versucht, mehr „Menschenmaterial“ für die endlosen Schlachten zu gewinnen, bleibt da nichts als Grauen, Wahnsinn, das nackte, jeder Hoffnung beraubte Leben. All die Erzählungen und Begründungen für Kriege können dieses Höllenloch nicht stopfen.

Womit ich nicht sagen will, dass es egal sei, wer aus welchem Grund in den Krieg zieht. Angesichts gerade der beiden die Presse und die Diskussionen beherrschenden Kriege wird das besonders deutlich. Aber die konkreten, individuellen Auswirkungen auf alle Menschen, die sich in diesen Schrecknissen wiederfinden, sind und bleiben unbeschreiblich und letztlich nicht zu rechtfertigen.

Das widerspricht auch jeder Propaganda, die die Gegenseite zu entmenschlichen sucht und unterstreicht einmal mehr die Notwendigkeit von weltweit geltenden Konventionen, die gerade so massiv unter Beschuss stehen. Und das ist sicher kein Kollateralschaden.

Wer also gegen Krieg spricht, dafür aber mit Kriegspropaganda argumentiert, möge diesen Text lesen.

Kurz und gut: Kein leichter Stoff und leider offenbar zeitlos. Lesen!

(Übersetzung: Waltraud Hüsmert)

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Montag, 30. September 2024

Mosaik #586


 Spätsommerliches Sonnenspiel, frühherbstliche Temperaturen – ja doch, Märchenwald ist etwas, das ich gut mit diesem Montag im Büro zusammenbringe. So, here we go! 

😉

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Sonntag, 29. September 2024

Tonio Schachinger: Echtzeitalter


„Ein elitäres Wiener Internat, untergebracht in der ehemaligen Sommerresidenz der Habsburger, der Klassenlehrer ein antiquierter und despotischer Mann. Was lässt sich hier fürs Leben lernen?
Tonio Schachinger erzählt von einer Jugend zwischen Gaming und Klassikerlektüre, von einer Freiheitslust, die sich bewähren muss gegen flammende Traditionalisten. Dabei sind Wendungen so überraschend, sein Humor so uneitel und nahbar: Echtzeitalter ist Beispiel und Beweis für die zeitlose Kraft einer guten Geschichte.“ (Umschlagtext)

Im Umschlagtext zu einem Roman über ein Wiener Internat MUSS das Wort „zeitlos“ vorkommen – und ich habe den Wiener Klang dabei im Ohr. 😊

Ich bin tatsächlich gespannt, wie zeitlos diese Geschichte vom Erwachsenwerden der Abschlussklasse 2020 ausfallen wird. Das Thema ist ja an sich eher zeitgebunden und der Blick auf die verschiedenen Generationen abhängig vom eigenen Standpunkt in der Zeit. Ähem, ihr wisst schon, was ich meine. ^^

Auf jeden Fall freue ich mich mal wieder über eine schicke Ausgabe der Büchergilde!

„‘Das Geräusch von 25 gleichzeitig aufstehenden Menschen, den nach hinten geschobenen Stühlen, das Ächzen des Fußbodens, das Geräusch des Verstummens aller Gespräche. Dann schallendes Lachen. Das Lachen der Nichtbetroffenen.‘

Auf den ersten Blick ist es die Kulisse für ein großes Abenteuer: das traditionsreiche Internat mitten in Wien, umgeben von einem weitläufigen Park mit Hügeln, Sportplätzen und einer historischen Grotte. Doch der junge Till kann weder mit dem Lehrstoff noch mit dem snobistischen Umfeld viel anfangen. Seine Leidenschaft sind Computerspiele, konkret: das Echtzeit-Strategiespiel Age of Empires 2. Nach dem Tod seines Vaters wird für ihn aus dem Hobby eine Notwendigkeit. Ohne dass jemand aus seiner Umgebung davon wüsste, ist er mit fünfzehn eine Online-Berühmtheit, der jüngste Top-10-Spieler der Welt. Nur: Wie real ist so ein Glück?

Echtzeitalter führt von Erfahrungen, die fast alle teilen, an Orte, zu denen die meisten von uns keinen Zugang haben, erzählt von alten Autoritäten und neuen Gefühlen – und von dem unkalkulierbaren Rest, der nicht nur die Abschlussklasse 2020 vor ungesehene Herausforderungen stellt.“ (Verlagstext)

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Samstag, 28. September 2024

Thorsten Mense/ Judith Goetz (Hrsg.): Rechts, wo die Mitte ist. Die AfD und die Modernisierung des Rechtsextremismus


„Die Alternative für Deutschland hat sich in den zehn Jahren seit ihrer Gründung von einer kleinen rechtspopulistischen Anti-Euro-Partei zur größten rechtsextremen politischen kraft in der Bundesrepublik seit Ende des Nationalsozialismus entwickelt. Mittlerweile vertritt sie ein offen rassistisches, nationalistisches und antifeministisches Programm. Geschichtsrevisionismus und Antisemitismus sind ebenso fester Bestandteil ihrer Agenda. Je völkischer die AfD auftritt, umso mehr scheint ihr gesellschaftlicher Rückhalt zu wachsen. Zugleich findet eine fortschreitende Normalisierung der Partei und ihrer rechtsextremen Positionen in den Medien und der Politik statt. In der Flüchtlingspolitik bestimmt die AfD auch ohne Regierungsbeteiligung längst den politischen Diskurs.

Der Erfolg der AfD muss im Kontext der schon seit einigen Jahren anhaltenden gesellschaftlichen Rechtsverschiebung gesehen werden, in deren Folge rechtsautoritäre Einstellungen bis weit in die sogenannte bürgerliche Mitte Verbreitung finden. Das Buch vereint verschiedene Analysen zur AfD und zeichnet ein Bild einer Partei, die exemplarisch für den modernisierten Rechtsextremismus steht, der modern daherkommt, aber keineswegs weniger gefährlich ist als seine historischen Vorläufer.“ (Umschlagtext)

Bei jedem politischen Landgewinn der Rechten und Rechtsextremisten sagen wir es immer wieder. Aber jetzt muss etwas passieren. Doch fast wirkt es so, als sei gegen die #noafd einfach kein Kraut gewachsen. Wie viele andere auch, will ich das nicht einsehen und so stehen lassen.

Analysen, sachliche und zugleich positionierte Aufklärung – das dürfen wir einfach nicht sein lassen. Dieses zynische, unsägliche Spiel der Nazis im Thüringer Landtag kam mit Ansage, weil alle, die sich seit Jahren mit den Strukturen, Inhalten und Personen beschäftigen es so oft schon gesagt haben. Insofern gilt das Verwundertsein nicht.

Es ist nicht schlimm, wenn niemand den einen Masterplan hat, der alles wieder richtet. Aber es ist schlimm, wenn zu viele sich jetzt und weiterhin wegducken und auch im Alltag nicht widersprechen. Deutlich machen, dass unsere Institutionen nur etwas zählen können, wenn wir alle für sie einstehen. Weil sie der sichtbare, erfahrbare und wirkmächtige Ausdruck von Werten und Haltungen sind. Und ja, die müssen immer wieder auch hinterfragt und errungen werden. Insbesondere gegen scheinbare „Saubermänner“, der mehr als nur braunen Dreck am Stecken haben.

Pathos fast aus.

Lasst uns lesen, uns bilden, miteinander debattieren und unseren menschlichen und demokratischen Kompass nicht verlieren.

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Dienstag, 24. September 2024

Ulrich Rüdenauer: Abseits


„Ein Kind wächst heran, auf einem Hof im Süden Deutschlands. Vater? Mutter? Sind nicht da. Es muss sehen, wie es zurechtkommt, mit Menschen, die vorschreiben, was es tun soll, ohne Liebe. Wo die Mutter ist und wo der Vater, die Frage zieht sich als Geheimnis durch diese auf bittere Weise schöne Geschichte einer Kindheit im schweigenden Deutschland. Lang ist der Krieg noch nicht vorbei, die Vögel singen, die Obstbäume blühen, die Wiesen hinterm Hügel sind der sichere Ort für dieses Kind. Fast archaisch wirken die Stationen aus einem Leben im Abseits, die in diesem mit großer Einfühlsamkeit geschriebenen Romandebüt vorüberziehen.“ (Umschlagtext)

Dass sich beim Berenberg Verlag gute und auch schön gestaltete Bücher finden lassen, ist kein Geheimnis. Umso mehr freue ich mich heute über ein Rezensionsexemplar, bei dessen Bewerbung ich sofort neugierig wurde.

Der Umschlagtext verrät zwar nicht allzu viel, deutet aber schon, dass auch der Text selbst sich vermutlich nur Stück für Stück enträtseln lassen wird. Ich bin gespannt und sage ein dickes Danke an den Berenberg Verlag und verspreche mehr nach der Lektüre. 😊

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Sonntag, 22. September 2024

Lea Susemichel/ Jens Kastner: Identitätspolitiken. Konzepte & Kritiken in Geschichte & Gegenwart der Linken


„Auch wenn es Identitätspolitik freilich vorher schon gegeben hat: Den Begriff ‚Identitätspolitik‘ hat erst das Combahee River Collective 1977 geprägt.“ (Seite 7)

Ich klicke jetzt den Auszählungsstand der Landtagswahl in Brandenburg einfach weg und nehme mir lieber dieses Büchlein vor, nach dessen Lektüre ich hier noch ein paar Zeilen schreiben wollte.

Dass Rechtsextreme bis hin zu den Marktradikalen seit Jahren einen echt merkwürdigen Fetisch in Sachen Gendern pflegen, ist ja sattsam bekannt. Vor der letzten Bundestagswahl stieß dann noch Sarah Wagenknecht mit ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ in dieser Riege dazu – und schwups gab es eine schöne breite Debatte über diese linken Identitätspolitiken, die sich insbesondere am Gendern aber durchaus auch an Rassismusdebatten hochzogen. Letzteres scheint ja ohnehin für diese breite politische Palette (siehe oben) ein weiterer obsessiver Fetisch zu sein.

Die Rede war und ist vom „linksgrün-versifften“ Mainstream, der zur „Meinungsdiktatur“ führe, bis dahin, dass linke Identitätspolitiken den Klassenkampf verhindern würden. Was für eine abgefahrene Mischung, wenn man sich das mal so anschaut.

Dieser schmale Band bietet einen wirklich gut lesbaren kurzen Gang durch die Theoriegeschichte, die sich hinter diesen Debatten verbirgt. Und der tatsächlich undogmatische Blick des Autor:innenduos erhellt so einiges, wenigstens für meinen Geschmack.

Einfache Erkenntnis zum Beispiel: Es ist gar nicht von vorneherein schlimm, wenn Menschen sich ihrer Identitäten (die durchaus mehrfach sein können) bewusst werden und entsprechend überhaupt erstmal eigene Interessen benennen können. Die gesellschaftlichen Fortschritte, die zum Beispiel durch die Frauenbewegungen, antirassistische Bewegungen bis hin zu queeren Bewegungen erreicht werden konnten, sind zumindest aus meiner Sicht nicht kleinzureden. All das wäre ohne Identitätspolitiken nicht möglich gewesen.

Vollkommen zurecht verweisen die Autor:innen auch darauf, dass es auch in der Arbeiter:innenbewegung sehr wohl den Ansatz gab, eine gemeinsame kulturelle Klammer – also eine gemeinsame Identität zu entwickeln. Das sei mal mit Blick auf das o.g. Klassenkampfargument angemerkt.

So weit, so gut. Ganz unaufgeregt berichtet der Band aber eben auch davon, dass die Gefahr von sich bildenden Identitäten immer auch die Gefahr des Ausschlusses in sich bergen, weil Identitäten etwas beschreiben, was ich bin, aber andere nicht sind. Die Frage kann ja hier nur sein, warum das zwingend ein Gegeneinander sein sollte? Mir zumindest fallen sehr viel mehr Beispiele von grundsätzlichen Gegner:innen linker Identitätspolitiken ein, die das propagieren als Vertreter:innen eben solcher Politiken. Komisch, eigentlich.

Es führt natürlich über diesen Band hinaus, aber was ich auch nicht so recht nachvollziehen kann: Wenn linke Identitätspolitiken dazu führen, sprachsensibler zu kommunizieren, Diskriminierungen besser zu erkennen und vermeiden zu können, wie sollte es dann gegen diese neurechte/rechtsextreme/rechtspopulistische Diskursverschiebung helfen, genau diese Fortschritte nun zu verdammen? Seit wann hilft es gegen Nazis, „Sprachverbote“ zu verdammen, die niemand ausgesprochen hat? (Ok, jetzt schlägt dann doch der Eindruck der heutigen und letzten Landtagswahlen im Osten durch.)

Auch das sei erwähnt, weil es im Buch ebenso thematisiert wird: Natürlich gibt es auch Debattenstränge, die tatsächlich Betroffenengruppen immer zersplitterter werden lassen und einen Hang dazu haben, Ausschlüsse mehr in den Mittelpunkt zu stellen als Überlegungen dazu, wie das Ganze denn gesellschaftlich wieder zusammenkommen könne. Ich kann allerdings auch nicht wahrnehmen, dass diese übermächtig oder auch nur ansatzweise mehrheitsfähig wären.

Wer all das an Theoriearbeit, die in diesem Buch profund vorgestellt wird, in Bausch und Bogen verdammen wollte, sollte zugleich beantworten, wie dem offenkundigen und derzeit erfolgreichen Kulturkampf von rechts, der nichts anderes als Identitätspolitik ist, zu begegnen sei.

Ich finde ja, dass ein Blick auf den eigenen Wertekompass da klare Antworten geben kann: Andere Menschen zu diskriminieren ist schlecht, besser werden und dazulernen zu wollen, ist gut. Find ich jetzt nicht so schwierig. 😉

Kurz und gut: Gutmenschenlektüre, und die ist gut. Also lesen! 😉

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Samstag, 21. September 2024

Walter Moers: Das Labyrinth der Träumenden Bücher. Ein Roman aus Zamonien von Hildegunst von Mythenmetz


„Hier geht die Geschichte weiter.“ (Seite 9)

Ein mysteriöser Brief führt den zamonischen Großdichter Hildegunst von Mythenmetz nach Buchhaim – ja genau, die Geschichte scheint sich in dieser Fortsetzung des erfolgreichen Bandes „Die Stadt der Träumenden Bücher“ zu wiederholen. Einmal mehr lässt sich beim Lesen diese wunderbare, hier wiederaufgebaute Stadt mit all ihren Wundern, Merk- und Denkwürdigkeiten entdecken. Alte und neue Bekannte des zamonischen Erzählers geben sich ein Stelldichein. Und hui, schon ist die Debatte eröffnet, ob dieser zweite Teil zu dieser irre-fantastischen Stadt nun kongenialer Stoff oder eine stupide Wiederholung sei.

Mit Fortsetzungen ist es ja offenbar eh so ein Ding – gerade, wenn sie auf einen supererfolgreichen ersten Teil aufbauen. Alle, und ich nehme mich da ja gar nicht aus, wollen noch einmal dieses Prickeln des ersten Males fühlen. Allein die Erwartungshaltung vorm erneuten Eintauchen in eine so berauschend empfundene Welt kann natürlich nicht mehr die gleiche sein wie zuvor.

Solch eine Fortsetzung müsste also das Hochempfinden noch einmal steigern, noch fantastischer, noch spannender, witziger, gruseliger, ausgefallener … was auch immer. Kein Wunder also, dass zweite Teile – ob im Film, im Comic oder auch in der Literatur – so oft an genau diesen Erwartungen scheitern. Ob sie das wirklich müssen, sei mal dahingestellt.

Die Kritik am „Labyrinth der Träumenden Bücher“ konzentrierte sich auf den Punkt, dass die erste Reise des Hildegunst von Mythenmetz hier in weiten Teilen einfach noch einmal erzählt würde. Erst am Ende des Bandes beginnt die eigentlich neue Geschichte. Der letzte Satz des Buches lautet denn auch: „Auf der Einladung stand nur ein einziger Satz. Er lautete: Hier fängt die Geschichte an.“ (Seite 427)

Ein geniales Spiel mit den Erwartungen der Lesenden oder einfach nur doof? Ich ahne, dass ein Fan (Fanboy – ich hier, ja 😉) die Frage anders beantworten wird als jemand mit *hüstel* mehr emotionalem Abstand. Hier also mein Fazit:

Ich habe mich bald scheckiggelacht, weil ich die Idee so grandios fand, die Erwartung derart zu bedienen. Die enthusiasmierte Lesendenschar wollte zurück nach Buchhaim und, Achtung Taschenpsychologie, im Grunde den Kitzel und Reiz des ersten Bandes noch einmal erleben. Also bedient dieser Band genau das. Und die Geschichte wird mit allem Ernst und aller Moers´schen Rafinesse noch einmal erzählt, nicht weniger brillant und gekonnt und fesselnd als im ersten Band. Zugleich zügelt der Autor seine Fantasie kein Stück und lässt Buchhaim noch einmal – und eben erweitert – auferstehen. Für mich mit dem gleichen Sog und der gleichen Faszination.

Wäre der Text hier hingeschludert, würde ich der Kritik zustimmen. Allein ich kann hier kein Schludern entdecken. Und so ist dieser Roman für mich ein grandioses Spiel mit den Erwartungen, das mich am Ende nicht weniger neugierig darauf macht, wie es denn nun weitergehen mag.

Und falls sich jemand wundert, warum ich hier so gar nichts weiter über die Story selbst schreibe – ehrlich, Moers muss man selbst lesen. Dann funkt es … und ganz bestimmt nur in wenigen Fällen nicht. 😉

Kurz und gut: Wenn dereinst Literaturseminar zu zamonischer Literatur …  Ehrlich, einfach lesen! 😉

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