Mittwoch, 24. April 2024

Maria José Ferrada: Kramp


„Mit Entschlusskraft und dem richtigen Anzug ist alles möglich selbst als Vertreter für Eisenwaren (Marke Kramp!) in Chile Anfang der 80er Jahre. Und weil Kinderaugen auch Schraubenhändlerherzen schmelzen lassen, nimmt der Vater kurzerhand seine siebenjährige Tochter auf Verkaufstour mit. Die Kleine genießt ihre »Parallelerziehung« auf der Straße, und alles könnte für immer so weitergehen, wenn, ja wenn diese Geschichte nicht zu Chiles schlimmsten Zeiten spielte. So aber findet dieses Vater-Tochter-Roadmovie à la Paper Moon ein jähes Ende - und damit auch eine Kindheit, die doch so munter glänzen sollte wie ein Fuchsschwanz der Marke Kramp.“ (Umschlagtext)

Auch Bücher vom Berenberg Verlag landen ja regelmäßig auf meinem #lbm-Stapel. Texte, die mich neugierig machen, in liebevoll und schön gestalteten Büchern. Lieben wir, wie es heute so schön heißt. 😊

Leben in und unter der Diktatur ist – literarisch gesehen – ganz oft großer Erzählstoff. Und dafür müssen Bücher ja nicht dick sein. Umschlagtext und das Reinschmökern lassen mich einen guten Text erwarten. 😊

(Übersetzung: Peter Kultzen)

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Montag, 22. April 2024

Beate Hausbichler, Noura Maan (Hrsg.): GERADE gerückt. Vorverurteilt, skandalisiert, verleumdet: Wie Biografien prominenter Frauen verzerrt werden


„WAS GLAUBT SIE, WER SIE IST?

Berühmte Männer kommen mit allem durch, Frauen im Rampenlicht verzeihen wir: nichts. Unerbittlich jagt der Boulevard in Ungnade gefallene Royals wie Meghan Markle, verleumdet lebenslustige Starlets wie Paris Hilton und wird zum Richter, wenn Natascha Kampusch sich weigert, das Opfer zu sein. Schmutzkübelkampagnen sorgen dafür, dass widerständige Frauen als schwierig, undankbar oder labil gelten. Warum das so ist, durchleuchten Beate Hausbichler, Noura Maan und viele weitere Autorinnen anhand von Schicksalen berühmter Frauen - und rücken die Perspektive auf sie gerade.

Mit geradegerückten Porträts von: Pamela Anderson, Marie Antoinette, Maria Carey, Mia Farrow, Paris Hilton, Whitney Houston, Janet Jackson, Natascha Kampusch, Amanda Knox, Monica Lewinsky, Gina Lisa Lohfink, Courtney Love, Meghan Markle, Sinéad O'Connor, Yoko Ono, Camilla Parker Bowles, Pocahontas, Romy Schneider, Jean Seberg, Caster Semenya, Anna Nicole Smith, Britney Spears, Sharon Stone, Taylor Swift, Tic Tac Toe, Serena Williams, Chien-Shiung Wu, Bettina Wulff“ (Umschlagtext)

Wenn Blindflecken lange genug unbemerkt bleiben, kommt uns gar nicht in den Sinn, dass es weitere als die altbekannte Perspektive geben könnte. Und dabei geht es nicht um „alternative Fakten“, sondern wie in diesem Fall um lange gewachsene, gesellschaftliche Strukturen wie das Patriarchat.

Wie bei allen anderen Mitbringseln von der diesjährigen #lbm auch bin ich sehr gespannt und bin sehr erfreut über dieses Fundstück.

(Illustrationen: Ula Sveikauskaite)

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Freitag, 19. April 2024

Aidan Truhen: Fuck you very much


(Übersetzung: Andrea Stumpf/ Sven Koch)

„Das hier bin ich, bevor alles losgeht.“ (Seite 9)

Jack Price handelt mit Drogen. So richtig im großen Stil. Er ist cool, smart, clever und besser als alle anderen. Sagt er. Und so startet die Geschichte dieses überaus bescheiden auftretenden Burschen. Und die geht in etwa so:

Ein fast schon bescheiden und zurückgezogen lebender und arbeitender Großhändler im Rauschmittelvertrieb ist auf dem besten Weg, die britische Hauptstadt im Alleingang zu bedienen, als plötzlich in der Etage unter seinem Penthouse ein Mord geschieht. Das beunruhigt ihn, denn die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht nur nicht sondern geizt auch nicht mit Neid.

Und tatsächlich findet Jack Price sich unversehens wieder als von einer miesen Auftragskillergang Gejagter. Doch Price wäre nicht der Coolste, Smarteste, Cleverste, wenn er nicht auch Vorsorge getroffen hätte für genau einen solchen Fall. Um herauszufinden, wer eigentlich die „Seven Demons“ auf ihn angesetzt hat, muss er natürlich selbst auch Hiebe und Niederlagen einstecken. Die kann er – vollkommen überraschend – parieren und letztlich doch zu seinen Gunsten nutzen. Sieben Dämonen, die noch nie einen Auftrag versiebt haben, sind aber dann auch eine Menge Holz. Die Einschläge kommen nicht nur Stück für Stück näher, die Hiebe landen auch immer tiefer.

Wie immer bei solch spannungsgeladenen Stories macht es ja wenig Sinn, hier allzuviel von der Handlung zu spoilern. Vor allem, wenn ich das Lesen des Buches empfehlen möchte. 😉

Statt zu verraten, wie es ausgeht, schreibe ich also lieber noch etwas dazu, wie und warum mir dieser Thriller gefallen hat. 😉

Jack Price ist selbstverständlich kein verlässlicher Erzähler. Er ist ein Selbstdarsteller, auch selbstverliebt, der trotzdem gern zurückhaltend erscheinen möchte. Diese wohlgesetzte Fassade bekommt spätestens dann Risse, als ihm klar wird, wer ihn da mit welchem Ziel jagt. Natürlich kennt auch Price den verführerischen Geschmack der Rache. Und er fühlt sich absolut im Recht.

So offenbart auch dieser vermeintliche Gentleman, wie berauschend Gewalt sein kann, zumal wenn man sich auch noch absolut im Recht sieht. Jack Price fackelt nicht lang herum und ist dabei eben nicht ganz so kaltblütig, wie er sich selbst immer wieder zu beschreiben versucht.

Genau dieses Spiel mit dem unzuverlässigen Ich-Erzähler macht einen großen Reiz beim Lesen aus. Erst vermeintlich zurückgenommen, aber dann doch ein Großmaul und rachsüchtig und gewalttätig obendrein – mit einer immer wieder variierenden Sprache, mal fein, mal richtig derb. Das macht wirklich Spaß zu lesen, weil es zugleich auch fordernd ist und nicht einfach so runtererzählt wird. Um nachvollziehen zu können, was jetzt eigentlich genau passiert, musste ich schon recht aufmerksam bleiben.

Am Ende war ich von der Schreibe so angetan, dass ich erstmal nachschaute, was es von Aidan Truhen noch so an Werken gibt. Und siehe da, das ist nur ein Pseudonym. Mehr und andere Texte finden sich unter dem Namen Nick Harkaway. Was, wenn ich es richtig recherchiert habe, aber auch nur ein Pseudonym ist. Damit ist dieser Autor aber auch nicht der erste, der sich auf diese Art dem langen Schatten des erfolgreich schreibenden Vaters entzieht. Der ist nämlich niemand Geringeres als John le Carré. (Von dem ich allerdings auch noch nichts gelesen habe und Verfilmungen seiner Werke kenne.)

Kurz und gut: Einen guten Thriller in Ehren kann niemand verwehren. Also einfach mal Aidan Truhen lesen! 😉

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Mittwoch, 17. April 2024

Igort: Berichte aus der Ukraine. [Tagebuch einer Invasion]


„‘Sie sind einmarschiert.
Die Russen sind in die Ukraine einmarschiert.‘
So beginnt also ein Krieg.

Mit aufgeregten Stimmen am Telefon vom Schlachtfeld. Unterdrücktes Weinen, aufkeimende Ängste, Wortfetzen. Plötzlich ist alles anders. Du musst dich an die Angst gewöhnen.

Und so überlegst du, ob und womit du helfen könntest. Das Telefon klingelt, Nachrichten prasseln auf uns ein, alles gerät durcheinander. Fragen kommen auf.

Seveta, Mascha, Anatolij, Jenia bitten um Informationen, die dort vielleicht gar nicht ankommen. Und du, der du 2.000 Kilometer weit weg bist, hörst alle Nachrichten, liest alle Zeitungen, siehst alle Sondersendungen im Fernsehen, informierst dich, du versuchst zu beruhigen. Und du lügst.

Wenn dein eigener Verstand sich schon weigert, das Gehörte und Gelesene zu akzeptieren, wie sollen es dann die schaffen, die in diesem Albtraum gefangen sind?

Igort
Bologna – Dnipropetrowsk
25. Februar 2022“ (Umschlagtext)

Igorts Berichte aus Russland, aus Japan und aus der Ukraine sind beeindruckende Zeugnisse seiner Reisen. Zeichnerisch und erzählerisch buchstabiert er Comic-Reportage ganz in seinem Sinne und berichtet von Menschen, die er getroffen hat, lässt sie ihre Geschichte erzählen.

Die Bände zu Russland und zur Ukraine sind schon ein paar Jahre älter. So ist es aber nicht verwunderlich, dass sich Igort zum Überfall Russlands und zur Lage der Menschen in der überfallenen Ukraine wieder zu Wort meldet.

Jenseits all der Kriegsbilder, die uns nach zwei Jahren dann doch abgestumpft haben, jenseits auch all der schlimmen Dinge, die sich seither auch noch ereignet haben, erhoffe ich mir ein kurzes Innehalten, um den Ungehörten in der Ukraine zuzuhören, denen Igort hier eine Stimme gegeben hat.

„Am 24. Februar 2022 begann der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin befohlene Überfall Russlands auf die Ukraine. Igort, der selbst mehr als zwei Jahre in der Ukraine gelebt hat und sich dort vielen Menschen verbunden fühlt, führt von diesem Moment an täglich Dutzende von Telefonaten und berichtet in seinem gezeichneten Tagebuch einer Invasion in Echtzeit von der Not und den Entbehrungen der ukrainischen Bevölkerung. Durch die Stimmen der Menschen in den bombardierten und belagerten Städten legt er Zeugnis ab von der Zwangsevakuierung, der verzweifelten Suche nach Verwandten, Nahrung und Wasser, einem Anschein von Menschlichkeit und Normalität im Horror des Krieges.

Igort berichtet von dem scheinbar unaufhaltsamen Verlauf eines Bruderkriegs. Über den ukrainischen Widerstand, die militärische Überlegenheit Russlands, die Entschlossenheit eines Volks, das leidet, aber nicht aufgibt. Von Menschen zwischen Hoffnung, Desillusionierung, Stolz und Solidarität…

Nachdem Igort in seinen ersten Berichten aus der Ukraine die Wurzeln des russisch-ukrainischen Konflikts in den Zeiten der UdSSR beschrieben hat, gibt er nun denjenigen eine Stimme, die normalerweise ungehört bleiben: den einfachen Menschen, die unter einem sinnlosen und brutalen Krieg leiden.“ (Klappentext)

(Übersetzung: Myriam Alfano)

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Donnerstag, 11. April 2024

Jasmin Schreiber: Endling


„Eine Nachricht von meiner kleinen Schwester.“ (Seite 7)

Ein Endling ist der letzte seiner Art. Titelgebend ist eine Schnecke, die eine zugegeben eher passive Rolle im Text spielt. Vielleicht geht es aber auch um unsere Art, die Menschheit.

Im Jahr 2041, in der Welt des Romans, ist nichts besser geworden. Das Klima konnte nicht gerettet werden, die Umwelt rebelliert gegen die Menschen, das Aussterben immer weiterer Arten ist das sichtbare Zeichen des menschlichen Versagens. Auch gesellschaftlich sieht es nicht besser aus. Der Rechtsruck hat sich weiter fortgesetzt, das politische Klima ist repressiv und richtet sich insbesondere gegen Frauen und deren Rechte, die immer weiter beschnitten werden. Das klingt nicht heimelig und hoffnungsfroh und soll es auch nicht.

Zoe ist Biologin, arbeitet in München und hat noch Familie in Frankfurt. Die besteht aus ihrer Mutter, ihrer kleinen Schwester Hanna und der im gleichen Haus wohnenden Tante Auguste. Wegen immer wieder auftretender Epidemien ist das Reisen schwierig. Als die Mutter zu einer Reha muss, kommt Zoe aber nach Frankfurt, um sich um Hanna und Auguste zu kümmern.

Hanna ist eine aufgeweckte und altersgerecht aufgekratzte Teenagerin, die ohne große Erinnerung an eine Welt ohne Abtreibungs- und Verhütungsverbote aufwächst. Die Tante Auguste, ebenfalls Biologin, hat über die Jahre aufgegeben, wurde immer schrulliger und verlässt einfach nicht mehr das Haus. Zoe, vermutlich in ihren Dreißigern, gehört zu der Generation, die alt genug ist, sich daran zu erinnern, was alles mal anders war, ist aber jung genug, um zu versuchen sich zu arrangieren, um nicht zu verzweifeln.

Die Konstellation allein reichte sicher schon aus, um anhand dieser drei Frauen zu erwählen, wohin ein weiterlaufender Rechtsruck in der Gesellschaft führen könnte, welche Auswirkungen das auf das Leben von Frauen hätte und wie verschiedene Generation ihren Umgang damit zu finden versuchen.

Als sich das Trio vollkommen ungeplant und selbst davon überrascht auf einer Reise von Frankfurt nach Italien und weiter bis nach Schweden wiederfindet, spannt die Autorin den Bogen weiter. In dieser kaputten Welt verschwinden Tierarten nach und nach, doch auf ihrer Reise entdecken sie Orte, an denen sie unverhofft wieder auftauchen. Doch an diesen Orten sammeln sich nicht nur ausgestorben geglaubte Arten, auch auf Gruppen von Frauen treffen sie, die jenseits und abseits der Welt leben. Nur Männer gibt es dort keine. Und was noch mysteriöser ist, kommen Männer in die Nähe, erkranken sie auf geheimnisvolle Weise und sterben. Einfach so.

Ich mochte die Prämissen des Romans, das Setting und auch die Beschreibung der Welt über einen Blick auf bedrohte und aussterbende Tierarten. So trägt jedes Kapitel den Namen einer Art, die dann im Kapitel selbst auch einen Auftritt hat. Das gilt auch für den Endling aus dem Titel, hinter dem sich eine Schnecke verbirgt.

Etwas schade fand ich, dass das für mein Gefühl holpernde Tempo der Handlung dazu führte, dass spannende Momente nicht weiterverfolgt und auserzählt würden. Gerade da, wo diese mysteriösen Orte mit den nicht weniger mysteriösen Frauengruppen auftauchen, hätte ich mich über ein Breitmachen der Erzählung gefreut. Die exemplarische Konstellation der drei Frauen hätte so eine Einbettung in eine größere Erzählidee gefunden, die es ziemlich zweifellos auch gab.

Auch bei meinem offenbar aktuellen Lieblingsthema, den Dialogen, muss ich etwas rumkritteln. Und die Frage, wie sich den Figuren angemessene Stimmen geben lassen, die uns Lesenden authentisch erscheinen, ist ja keine ganz einfache. Schreiber hat hier zum Beispiel Versatzstücke von Jugendlichen aus den 2010er Jahren genommen und sie Zoe in den Mund gelegt, um sie in ihrem Alter zu Kennzeichnen. Vielleicht war die Idee, damit auch eine Verknüpfung zu unserer realen Welt zu legen. Für mich war das nicht wirklich überzeugend, den Tonfall von vor zehn Jahren als Stimme in der Zukunft zu hören.

Insgesamt glaube ich, dass dem Text noch etwas mehr Zeit und Bearbeitung (Lektorat?) gut getan hätte. Der Roman ist zweifellos unterhaltend und auch gut geschrieben, bleibt aber an dem, was ich an Anspruch meine herausgelesen zu haben, eben doch unter seinen Möglichkeiten. Vielleicht gab es ja Produktionszwänge, die hier eine Rolle gespielt haben. Das soll aber insgesamt gar kein Vollverriss sein.

Kurz und gut: Coole Idee, unterhaltsam aber mit noch mehr Potential, das hier leider nicht ganz eingelöst wurde. Kann man lesen, ist aber noch kein Muss!

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Mittwoch, 10. April 2024

bell hooks: Die Welt verändern lernen. Bildung und Praxis der Freiheit


„Die Welt verändern lernen ist ein eindringliches Plädoyer für eine freiheitliche und diversitätssensible Pädagogik

bell hooks (1952-2021) war nicht nur als Schriftstellerin und Kulturkritikerin bekannt, die sich in zahlreichen Werken mit dem Zusammenwirken von Sexismus, Rassismus und Klassismus auseinandergesetzt hat, sondern auch als Literaturwissenschaftlerin, Dozentin und Lehrende, der eine besonders gewinnende Art in Vorlesungen, Reden und öffentlichen Auftritten nachgesagt wurde. In Die Welt verändern lernen plädiert bell hooks – wie immer voller Leidenschaft und mit persönlichem Engagement – für eine neue Pädagogik, in deren Mittelpunkt die Veränderung der Dynamik im Unterricht steht und die weder Traier und Wut noch Eros und Versöhnung ausblendet. Ihre praxisnahen Antworten auf immer noch ungelöste Fragen verändern unsere Vorstellungen davon, was Schulen oder Universitäten sein und tun sollten.

‚Teaching to Transgress‘ hat bell hooks ihr Buch im Original genannt. Es ist der gesammelte Erfahrungsschatz einer kompetenten Lehrperson und Dozentin, die sich mit ganzem Herzen dafür einsetzt, dass Lernen funktioniert. Ihr Hauptanliegen ist es, Bildung als Praxis der Freiheit zu begreifen, als eine Art des Lernens und Lehrens, die jungen Menschen die Möglichkeit eröffnet, rassistische, sexistische und klassistische Barrieren zu durchbrechen und Grenzen zu ‚überschreiten‘ – für die Autorin die wichtigste Aufgabe, das vorrangige Ziel des Lehrens.

Die ‚Teaching‘-Trilogie zählt schon seit Langem zu den meistgelesenen Kultbüchern von bell hooks. Mit Die Welt verändern lernen ist der Eröffnungsband endlich auch auf Deutsch zu lesen.“ (Umschlagtext)

Neben Lerntheorien und Lehrmodellen ist es immer wieder spannend, wenn andere von ihren Lehrerfahrungen berichten. Also kann und darf ich mir ein weiteres Quäntchen Inspiration erhoffen und bin gespannt auf die Lektüre. Jaja, Kultautorin und alle anderen kennen das natürlich schon, wie immer halt. 😊

Dieses #LBM Mitbringsel ist Ergebnis des erfolgreichen Stöberns am Stand vom Unrast Verlag. Sehr lohnenswert – inhaltlich. Was Gestaltung und Korrekturen und so angeht, muss ich leider gerade bei Sachbüchern aus unabhängigen Verlagen manchmal meckern. Ist aber ein herzliches und liebgemeintes. 😊

Mehr:

(Übersetzung: Helene Albers)

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Dienstag, 9. April 2024

Sebastian Barry: Tausend Monde


(Übersetzung: Hans-Christian Oeser)

„Ich bin Winona.“ (Seite 9)

Manchmal wiederhole ich mich ja gern: Lest Sebastian Barry! Ernsthaft!

In „Tage ohne Ende“ lernte ich Thomas McNulty und John Cole kennen. Die Geschichte ihrer Freundschaft und ihrer Liebe in der rauen Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs ist so anrührend wie herzzerreißend. Nicht weniger ist es die von Winona, ein Lakota-Mädchen, dass die beiden Männer als Tochter bei sich aufnahmen. In diesem Band erzählt sie ihre Geschichte.

Der Bürgerkrieg hat tiefe Wunden geschlagen. Sie zerfurchen ein zerschundenes Land, ragen fast unüberwindbar zwischen den Menschen und verknoten so manches Herz. Thomas und John haben im Henry County in Tennessee ein Zuhause auf einer Farm außerhalb der Stadt gefunden. Aus Winona, dem Lakota-Mädchen, dass sie wie eine Tochter lieben, ist eine junge Frau geworden.

Sie arbeitet bei einem gutherzigen Anwalt in der Stadt. Die Arbeit erfüllt sie. Doch die Stadt ist auch der Ort, wo sie die Blicke auf sich zieht: abschätzige, begehrliche, hasserfüllte. So trifft sie auch auf ihre erste Liebe Jan Jonski, der womöglich auch ihr Vergewaltiger war.

Die Dinge spitzen sich zu, während die Welt um sie herum immer weiter im Chaos versinkt, niemand mehr weiß, wer eigentlich die Guten oder die Bösen sind, weil es eigentlich egal ist, wer dich ausraubt, aus dem Hinterhalt erschießt oder Schlimmeres.

In die Schilderungen mischen sich Rückblenden, Erinnerungen daran, wie Winona bei ihrem Stamm aufwuchs, bevor Thomas und John sich ihrer annahmen. Aber nun kann und will sie ihre Angelegenheiten auch selbst regeln, auch um ihre Väter zu schützen. Kann es sowas wie ein Happy End in einer Welt geben, die nur Ende und keinen Anfang zu kennen scheint?

Auch in diesem Band steckt nichts von Wild-West-Romantik. Eine raue, kaum gezähmte Landschaft wird von rauen Menschen bevölkert, versehrt an Körper oder Seele oder beidem. Zärtlichkeiten sind hier nur minimale Gesten, das, was nicht ausgesprochen wird, aber einem dennoch das Herz zuschnürt. Auch Winona spricht mit dieser Stimme, die so authentisch klingt.

Ich kann gar nicht recht erklären, was bei Barrys Texten so einen Sog verursacht, dass man gar nicht wieder aus dieser Welt auftauchen mag und die Charaktere dort zu … naja, echten Menschen macht, deren Herzschlag beim Lesen spürbar auf jeder Seite pulst. Aber es wirkt!

Nicht zuletzt kann ich dem Steidl Verlag nicht genug danken, für die unaufgeregte und trotzdem so wunderbare Gestaltung für diesen wunderbaren Roman.

Kurz und gut: Falls ich es noch nicht deutlich genug gesagt habe: Lest Sebastian Barry! Und los! 😊

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