Donnerstag, 15. Mai 2025

Charlotte von Mahlsdorf: Ich bin meine eigene Frau. Ein Leben


„Das Leben der Charlotte von Mahlsdorf, 1928 in Berlin geboren, war ein ungewöhnliches: Die trans Frau wuchs unter einem tyrannischen Vater im nationalsozialistischen Deutschland auf und eröffnete 1960 mit ihrer Sammlung, die sie unter widrigsten Umständen zusammengetragen hatte, das Gründerzeitmuseum im Gutshaus Mahlsdorf. Die couragierte Aktivistin, die sich auch gegen das SED-System behauptete, emigrierte 1997 aufgrund neonazistischer Angriffe nach Schweden und starb 2022.

Ihre spannende Autobiografie, die 1992 zum ersten Mal erschien, ist aufwühlend, witzig, frivol – und auch nach 30 Jahren noch aktuell. Mit der Neuauflage kehrt Ich bin meine eigene Frau endlich wieder zurück in den Buchhandel.“ (Umschlagtext)

Ein dickes Danke geht an den Jaron Verlag für die Wiederauflage des Buches und für das Rezensionsexemplar!

Wie vielen anderen ist mir Charlotte von Mahlsdorf schon lange ein Begriff; ich kann mich auch an Interviewschnipsel erinnern. Selbst der Buchtitel ist mir schon lange bekannt. Es wird also Zeit, den Text endlich mal zu lesen. 😉

„CHARLOTTE VON MAHLSDORF, 1928 in Berlin geboren, war die Gründerin des Gründerzeitmuseums Mahlsdorf. Als couragierte Aktivistin setzte sie sich für die queere Szene ein und ist bis heute eine der bekanntesten trans Frauen Deutschlands. Sie entdeckte schon als Kind und Jugendliche ihre Begeisterung für das Sammeln von Gründerzeitmöbeln, arbeitete von 1949 bis 1971 im Märkischen Museum und begann 1958 gleichzeitig mit dem Wiederaufbau des Gutshauses Mahlsdorf. 1960 eröffnete sie hier das Gründerzeitmuseum, das bis heute vom Förderverein Gutshaus Mahlsdorf betrieben wird. Charlotte von Mahlsdorf emigrierte 1997 aufgrund neonazistischer Angriffe nach Schweden und starb 2002 bei einem Besuch in Berlin.“ (Verlagstext)

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Samstag, 10. Mai 2025

Paul Lynch: Das Lied des Propheten


„An einem regennassen Abend in Dublin öffnet die Wissenschaftlerin und vierfache Mutter Eilish Stack ihre Haustür und steht zwei Beamten der neu gegründeten irischen Geheimpolizei gegenüber. Sie sind gekommen, um ihren Mann Larry, einen bekannten Gewerkschafter, zu verhören. Kurz nach dieser Begegnung verschwindet Larry, und sehr schnell beginnen die Dinge in Eilishs Welt aus dem Ruder zu laufen. Paul Lynchs meisterhafter Roman ist das Buch der Stunde – und ein Appell, die entstehenden autoritären Regime der Gegenwart zu bekämpfen.“ (Umschlagtext)

Das ist mal ein schönes Beispiel für die Verführungsmacht eines Covers, eine Übernahme des Originals, glaube ich. Länger bin ich um das Buch herumgeschlichen, bevor ich es endlich in die Hand nahm und auch noch die Beschreibung spannend fand. Also hier erstmal ein Hoch auf eine gute Covergestaltung!

Das Thema des Romans trifft aber nicht weniger ins Mark. Bei all den Unkenrufen um die Selbstdemontage demokratischer Gesellschaften, dem Erstarken rechtsautoritärer Kräfte und Parteien sind Dystopien wie diese oder auch wie der „Report der Magd“ so unendlich nah gerückt. Ich hoffe auf eine Lektüre, die nicht nur den angenehmen Schauer der Unterhaltung hervorruft.

(Übersetzung: Eike Schönfeld)

„Irland ist in der Gewalt einer Regierung, die immer radikaler und tyrannischer agiert. Eilish findet sich in der albtraumhaften Logik einer kollabierenden Gesellschaft wieder, angegriffen von unsichtbaren Kräften, die sich ihrer Kontrolle entziehen. Sie ist gezwungen, alles zu tun, um ihre Familie zu schützen und zusammenzuhalten. Wie soll sie ihren Kindern erklären, was passiert ist, wenn sie nach dem Vater fragen? Wie wird ihr eigener, zunehmend dementer Vater auf die gravierenden Veränderungen seines Alltags reagieren? Und wie weit wird Eilish selbst gehen, um sich und ihre Familie zu retten? ‚Das Lied des Propheten‘ ist das atemlose Porträt einer Familie am Rande der Katastrophe, das stilistisch und emotional seinesgleichen sucht.“ (Klappentext)

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Dienstag, 6. Mai 2025

Mosaik #593

 

Der Sonne so nah – ob beim Fliegen oder metaphorisch an frischen Frühlingstagen. Ähem … 😉

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Sonntag, 27. April 2025

Didier Eribon: Eine Arbeiterin. Leben, Alter und Sterben


„Das ist also das Leben meiner Mutter gewesen, dachte ich, das Leben und das Alter einer Arbeiterin. Noch wusste ich nicht, dass ich dieser Aufzählung bald ein drittes Wort würde hinzufügen können.“ (Umschlagtext)

Scheidungskind, Dorfkind, erster mit Abitur in der Familie, früh aus dem Elternhaus raus, eigene Wege jenseits der elterlichen Welt, schwul noch obendrein – frühes instinktives Erkennen, was andere so alles an sozialem Kapital geerbt haben, was einem selbst so fern vorkommt, irgendwie immer vorgespielt. Achja, der Eribon hat mich schon mit seinem ersten Bestseller in Deutschland sehr direkt erreicht.

Während meine Mutti, verwitwet nach ihrer zweiten Ehe, immer noch in dem Dorf lebt, wo es ihr zum Glück und hoffentlich noch sehr lange gut geht, bin ich gespannt, wie viele Aha-Momente dieses Buch dann nun bereithält.

„Wenige Wochen nach ihrem Umzug in ein Pflegeheim stirbt Didier Eribons Mutter. Wie in Rückkehr nach Reims wird dieser Einschnitt zum Ausgangspunkt für eine Reise in die Vergangenheit: Eribon rekonstruiert die von Zwängen bestimmte Biografie einer Frau, die an einen brutalen Ehemann gekettet blieb und sich sogar in ihren Träumen bescheiden musste: ‚Meine Mutter war ihr ganzes Leben lang unglücklich.‘ Dabei erweist sich der Soziologe erneut als großer Erzähler: Anhand suggestiver Episoden und berührender Erinnerungen zeigt Eribon, wie wichtig Familie und Herkunft für unsere Identität sind. Und er legt schonungslos dar, wie sehr die Politik, aber auch die Philosophie, ja wir alle die skandalöse Situation vieler alter Menschen lange verdrängt haben.“ (Klappentext)

(Übersetzung: Sonja Finck)

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Samstag, 26. April 2025

Lize Spit: Der ehrliche Finder


„Viel mehr könne Tristan am Telefon darüber nicht sagen.“ (Seite 9)

Jimmy und Tristan sind Freunde. Und das ist ihre Geschichte.

Sie spielt in einem fiktiven belgischen Dorf in den 1990ern. Und zunächst lernen wir Jimmy kennen. Einen Zehnjährigen mit besten Schulnoten, eigenwilligen Hobbies, ohne Freunde und ohne Vater, weil der erst Leute um ihr Geld geprellt hat und dann verschwunden ist.

Tristan dagegen ist neu im Dorf. Er kam zusammen mit seinen Geschwistern und den Eltern als Flüchtling aus dem Kosovo hierher und wurde, obwohl etwas älter als Jimmy, in der Schule direkt neben ihn gesetzt. Nun hat Jimmy eine Mission.

Er solle Tristan doch helfen, den Lernstoff aufzuholen. Dass sich hier zugleich die Möglichkeit bietet, endlich einen Freund zu finden, steht Jimmy klar vor Augen. Und es lässt sich nur erahnen, wie sehr isoliert dieser schlaue, nerdige Viertklässler in seinem Dorf bisher gewesen sein muss.

Minutiös und mit einer so großen Ernsthaftigkeit, wie sie vielleicht nur Kindern eigen ist, plant Jimmy ein umfassendes Lernprogramm. Anfangs müssen sich die beiden Jungs mit Händen und Füssen verständigen, aber Tristan lernt schnell. Nach und nach erfährt Jimmy mehr über die Umstände der Flucht von Tristan und seiner Familie und das erschüttert ihn sehr. Wie viel Tristan selbst erzählt, und was Jimmy sich aus den Nachrichten erschließen kann, bleibt in der Geschichte aber unklar.

Klar ist jedenfalls, dass die Familie in dem Dorf gut aufgenommen wird und eine so große Hilfsbereitschaft erlebt, dass all den Geschenken kaum noch Herr zu werden ist.

Während die beiden Jungs sich weiter anfreunden, arbeitet Jimmy an dem großen Plan, Tristan an seiner heimlichen Sammelleidenschaft teilhaben zu lassen. Flippo-Karten – nein, ich hab nur eine verschwommene Vorstellung davon – gibt es in Chipstüten. In die investiert Jimmy einen Großteil seines Geldes. Um die ausbeute zu erhöhen, durchforscht er das Dorf in genau geplanten Touren nach verlorenem Kleingeld. Er wird offenbar so oft fündig, dass er eine fast komplette Sammlung der unendlich vielen Karten zusammenbekommen hat. Und nicht nur das. Für Tristan hat er eine zweite Sammlung angelegt, um sie ihm in einem geeigneten Moment zu schenken und so auch zum Sammeln zu gewinnen.

Da ruft Tristan an, so beginnt der Roman. Und er lädt Jimmy ein, bei sich und seiner Familie zu übernachten. Jimmy ahnt sofort, dass dies der große Moment sein könnte. Lange hat er darauf gehofft und es sich ausgemalt, wie es wäre, in dieser großen, quirligen Familie aufgenommen zu werden. Ganz anders auf jeden Fall als in seinem eigenen leeren Zuhause, in dem seine Mutter mehr mit den beiden kleinen Hunden zu tun hat als sich mit Jimmy zu beschäftigen.

Doch der Anlass der Einladung zur Übernachtung ist dann doch überraschend und für alle niederschmetternd. Die Familie hat einen Abschiebebescheid erhalten. Und auch Tristan hat einen Plan. Für den muss Jimmy bei ihm übernachten.

So weit, so knapp, ohne zu viel zu verraten. 😊

Wenn es mir richtig berichtet wurde, ist der Band als Auftragsarbeit entstanden. Denn jedes Jahr zum Welttag des Buches wird in Belgien ein:e Autor:in angefragt, um einen Text zu schreiben, der dann in mehrfacher Hunderttausender Auflage gedruckt wird. Was für eine großartige Idee.

Ich selbst konnte zu der Lesung kurz nach der #LBM 2024 leider nicht gehen. Aber der MM war da und brachte mir, sehr begeistert, diesen signierten Band mit. Und schon ein Jahr später, lag er auf dem Lesestapel an der richtigen Stelle. 😉

Lize Spit erzählt eher nüchtern und klar und bleibt dicht an Jimmy. Es gelingt ihr grandios Jimmys Welt mit wenigen Szenen aufzubauen. Was Erwachsenen kindlich verschroben vorkommen muss, nimmt sie ernst und lässt Jimmys Welt so für sich sprechen.

Durch die konsequente Perspektive auf und über Jimmy bleibt Tristan etwas schemenhaft, wie auch seine Familie. Denn natürlich, das erleben wir in Deutschland ja nun auch seit Jahren, sind geflüchtete Menschen oft auch eine Projektionsfläche für uns. Mal auf die eine, mal auf eine andere Art. So fragte ich mich zwischendurch, ob Tristan ebenso sehr Freund von Jimmy ist wie umgekehrt. Aber klar tritt auch zutage, dass es ein Einanderbrauchen gibt, das zusammenschweißen kann. In den Plänen, die jeder der beiden für sich schmiedet, spielt der jeweils andere zumindest eine zentrale Rolle.

Abgesehen von dem schnell ersichtlichen Plädoyer für Freundschaft und ein offenes aufeinander Zugehen, verweist die Geschichte auch darauf, einander eben nicht nur als Projektionsflächen, sondern vielmehr als Menschen mit Eigenheiten und vor allem einer individuellen Geschichte wahrzunehmen. Denn so kann erst Erkennen und dann auch Vertrauen entstehen.

Kurz und gut: Manchmal braucht es nicht mal 120 Seiten. Unbedingt lesen!

(Übersetzung: Helga van Beuningen)

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Dienstag, 22. April 2025

Mosaik #592


Comic kann ja gut auch Geschichten jenseits von heilen Welten zeigen und davon erzählen. In diesem Fall: bunt und informativ auch für die Kleinen. Und für mich. 😊

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Montag, 21. April 2025

Ruth Seliger: Systemische Beratung der Gesellschaft. Strategien für die Transformation


„Zwischen Einsicht und Handeln klafft oft eine große Lücke. An den Herausforderungen, vor denen die Menschheit aktuell steht, lässt sich das bestens beobachten. Wie kommt man von der Analyse zu einer Strategie für Veränderungen? Wie werden wir wirksam?
Ruth Seliger beschäftigt sich als Organisationsberaterin seit Jahrzehnten mit Veränderungsprozessen und Musterwechseln in komplexen Systemen. In diesem Buch verbindet sie ihre praktische Erfahrung in der Gestaltung von Strategien und deren Umsetzung mit einem systemischen Blick auf Organisationen, Führung, Change-Management und die Gesellschaft als Ganzes.
Das Buch startet mit einer Bestandsaufnahme der Herausforderungen und notwendiger Veränderungsprozesse im Hinblick auf Ökonomie, Ökologie und Demokratie. Im Anschluss stellt die Autorin konkrete Formen der Prozessgestaltung und Strategieentwicklung für gesellschaftliche Veränderungen vor und fasst sie in anschauliche Modelle. Am Ende ergibt sich daraus ein Instrumentarium für mehr oder weniger radikale Transformationen, das allen engagierten Menschen und Organisationen ‚zur freien Entnahme‘ zur Verfügung steht.“ (Umschlagtext)

Messemitbringsel 9:

Coaching und Beratung für die Gesellschaft – das klingt ja schon mal charmant und irgendwie plausibel. Warum sollten also Methoden aus Beratung und Coaching nicht auch Werkzeuge für die Gesellschaft darstellen oder wenigstens Modelle und Anregungen ergeben?

Jetzt ließe sich spontan einwenden, dass eine Gesellschaft doch sehr viel mehr und komplexer als Gruppen oder Organisationen sind. Wie also sollte statt einzelner gesellschaftlicher Akteure (die ja als Organisationen schon groß genug sein können) gleich die ganze Gesellschaft strategiefähig gemacht werden? Möglicherweise, indem die Gesellschaft andere und bessere Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit ihrer Teile braucht?

Ach, ich freu mich auf die Lektüre und gespannt, wie das so zusammengehen wird. 😊

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