Montag, 30. Mai 2022

Elisabeth Wehling: Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet - und daraus Politik macht

"Sprache bestimmt unser Denken und Handeln - viel mehr, als uns das bewusst ist. Mit dem Spracherwerb formen sich im Gehirn kognitive Deutungsrahmen, so genannte Frames - umso mehr und umso nachhaltiger, je häufiger sie durch Sprache aktiviert werden. Welche Konsequenzen hat dies für den politischen Diskurs, für das Denken und Handeln in der Politik? Elisabeth Wehling zeigt anhand zahlreicher Erkenntnisse der modernen Neuro- und Kognitionsforschung, wie über Sprache und die jeweils adressierten Frames Assoziationen geweckt, Meinungen gelenkt und Handlungen bestimmt werden können: So müssen beispielsweise im geläufigen Jargon Steuern aufgebracht, nicht etwa beigetragen werden, und ihre Lasten drücken uns, statt dass wir sie als Grundlage staatlichen Gemeinwohlhandelns begreifen. Ein bewussterer und klügerer Umgang mit der Sprache, so Elisabeth Wehling, sei eine der Grundvoraussetzungen für konstruktive Auseinandersetzungen in den zahlreichen politischen Debatten unserer Zeit." (Umschlagtext)

Warum ist Kommunikation eigentlich kein Schulfach? ^^ Im Ernst, wir setzen immer voraus, dass es reicht, die Sprache zu sprechen. Ohne mehr Wissen darum, wie Kommunikation funktioniert, verliert Sprache doch viel von der emanzipatorischen Kraft, die ihr eigentlich auch innewohnt. Ich sags ja nur. 🤓

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Donnerstag, 26. Mai 2022

Tomasz Jedrowski: Im Wasser sind wir schwerelos


"Ludwik liebt Janusz, eine Unmöglichkeit in Polen im Jahr 1980. Nach magischen Tagen an einem verborgenen See im Wald werden die Liebenden von der Realität eingeholt. Ludwik und Janusz müssen sich entscheiden: für ein Leben voller Möglichkeiten - oder den Mut, für sich einzustehen." (Umschlagtext)

Wenn ich zurückschaue, fällt mir immer mal wieder auf, dass ich die ersten Geschichten von gleichgeschlechtlicher Liebe erst entdeckt und gelesen habe, als meine erste Liebe schon längst durch war. Und dann denk ich mir, wie gut, dass es heute viel mehr davon verfügbar gibt, mit ganz unterschiedlichen Zugängen. Repräsentanz, sich selbst wiederfinden und identifizieren können - das ist halt eben doch ein Ding. Nicht so wichtig kann man das vermutlich nur finden, wenn die eigene Identität nie von außen so bedrängt wurde, dass man glaubt, sich verstecken und immer wieder selbst hinterfragen zu müssen.

"'Ludwik ist verliebt. Es ist der Sommer nach dem Examen, ein Sommer, in dem alles anders wird. Denn Ludwik ist verliebt in Janusz, was im kommunistischen Polen im Jahr 1980 zwar nicht offiziell verboten, aber trotzdem vollkommen undenkbar ist. Gemeinsam verbringen Ludwik und Janusz übermütige, unbeschwerte Wochen an einem entlegenen See. Hier können sie sich einander offenbaren, hier erleben sie die große Liebe. Beim Schwimmen im See fällt alles von ihnen ab. Doch irgendwann ist der Sommer zu Ende, sie müssen zurück in die Stadt. Die Welt befindet sich im Umbruch, Ludwik träumt von der Flucht in den Westen, Janusz wählt eine Karriere innerhalb des Systems. Ludwik steht vor der Entscheidung, ihre Liebe zu retten und sich dabei selbst zu verraten oder zu sich selbst zu stehen.

'Im Wasser sind wir schwerelos' ist ein hochemotionaler Roman voll innerem und äußerem Drama über das Lebensgefühl mit Anfang zwanzig - und darüber, wer wir in unserem Leben sein wollen." (Klappentext)

(Übersetzung: Brigitte Jakobeit)

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Dienstag, 24. Mai 2022

Carmen Maria Machado: Das Archiv der Träume


"Das Archiv der Träume ist Carmen Maria Machados ganz persönliche Geschichte und literarische Auseinandersetzung mit toxischen Beziehungen.

Als junge Studentin stürzt sich Carmen in ihre erste bedeutende Beziehung mit einer Frau, pendelt voller Liebe und Lust zwischen Iowa City und ihrer 'Frau im Traumhaus' in Bloomington, Indiana. Beim Besuch der Eltern der Geliebten in Florida treten erste tiefe Risse in die liebestrunkene Fassade - es kommt zu einem Übergriff. Carmen gerät in einen alptraumhaften Strudel aus physischer und emotionaler Gewalt und Schmerz.

Carmen Maria Machados literarisches Memoir sprengt die bekannten Erzählformen und konventionellen Genres - es ist queer, bewegend und von großer subversiver Kraft." (Umschlagtext)

Eine Buchbeschreibung auf dem Umschlag, die großes verspricht. Eine Buchgestaltung, die das Herz höher schlagen lässt. Jetzt muss ich es nur noch lesen und so begeistert davon sein, wie es sich jetzt erwarten lässt. 😉

"Endlich scheint in den USA etwas in Bewegung zu geraten: Die gleichgeschlechtliche Ehe rückt in greifbare Nähe. In dieser Zeit stürzt sich Carmen Maria Machado in ihre erste große Beziehung zu einer Frau, die sich sehr bald als toxisch herausstellt. Kann man über das schreiben, was wirklich passiert ist, und wenn ja, wie? Machado hat ihre Form gefunden. Mit jedem Kapitel durchschreitet sie ein anderes literarisches Topos: Gesprensterhaus, Erotika, Bildungsroman. So entsteht ein Kaleidoskop, das sich genauso mit ihrer religiös geprägten Jugend auseinandersetzt wie mit den Stereotypen queerer Beziehungen oder popkulturellen Bezügen. Machado gelingt es, sich auf einzigartige Weise, voll Witz, Spielfreude und Lust am Ausprobieren, der harschen Realität von Gewalt in einer queeren Beziehung zu stellen. Am Ende steht ein fesselndes Buch, das die Grenzen autofiktionalen Erzählens sprengt und eindrücklich beweist, dass Machado eine der talentiertesten jungen literarischen Stimmen der USA ist." (Klappentext)



(Übersetzung: Anna-Nina Kroll)

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Dienstag, 17. Mai 2022

Paul B. Preciado: Ein Apartment auf dem Uranus. Chroniken eines Übergangs


"Sie sagen Identität. Wir sagen Vielheit. Sie sagen Krise. Wir sagen Revolution." (Umschlagtext)

Wenn eine liebe Freundin und die beste Bücherfrau von allen sagt: Hier, das ist für dich! Dann hab ich gar keinen Zweifel, auch wenn ich erstmal entdecken muss. Und da freu ich mich drauf, auch wenn das Buch schon länger hier auf dem nicht enden wollenden Stapel liegt. 🤓🙈❤️

"Es war Karl Heinrich Ulrichs, der 1864 der 'Liebe, die ihren Namen nicht zu nennen wagt', erstmals einen Namen gab: Inspiriert vom griechischen Gott Uranos, bezeichnete er gleichgeschlechtliches Begehren als Uranismus. Mit dem Begriff forderte er als einer der Ersten überhaupt öffentlich das Recht ein, anders zu lieben.
Auf Ulrichs Spuren träumt Paul B. Preciado von einem Apartment auf dem Uranus, einem Ort fern der irdischen Kategorisierungen und Festlegungen, einem Ort, der sexuellen Dissidenz. Preciados in diesem Band versammelte Texte verdichten sich zur Erzählung eines Übergangs: einer durch die Einnahme von Testosteron angestoßenen Transformation des eigenen Körpers und der eigenen Identität - von Beatriz zu Paul. Zugleich dokumentieren und analysieren sie die im Wandel begriffenen politischen Verhältnisse. Von den Protesten im krisengebeutelten Athen über die verzweifelte Situation der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln bis hin zur Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien begleitet Preciado Kämpfe um Würde und Selbstbestimmung." (Klappentext)

(Übersetzung: Stefan Lorenzer)


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Montag, 16. Mai 2022

Nguyễn Phan Quế Mai: Der Gesang der Berge


(Übersetzung: Claudia Feldmann)

„Meine Großmutter hat mir oft erzählt, dass unsere Vorfahren, wenn sie sterben, nicht einfach verschwinden, sondern weiter über uns wachen.“ (Seite 13)

Familienepen, in denen sich die historische Kulisse, vor der sie sich abspielen, widerspiegelt, treffen ja schon meinen Geschmack. Vietnamesische Literatur ist jetzt auch nichts, was uns in heimischen Buchhandlungen alle Nase lang über den Weg läuft. Dieser Roman brauchte also nicht viel mehr, um meine Aufmerksamkeit zu erhalten.

 

Die Autorin ist Vietnamesin, schrieb das Buch aber auf Englisch. Die Sprache, in der sie auch studierte. Wie viel vom Roman zumindest biografisch angehaucht ist, vermag ich nicht zu sagen. Ich vermute aber, dass diese und ähnliche Geschichten für die Zeiten, aus denen die Autorin berichtet, beispielhaft stehen können.

 

Erzählt wird dieser Familienepos von zwei Frauen: von Großmutter Dieu Lan und von deren Enkelin Huong. Während Huongs Erzählstimme in der Jetztzeit des Romans, in den 70er Jahren angesiedelt ist, führen die Erzählungen der Großmutter über Jahrzehnte bis in die 30er Jahre zurück. Als Leser lauschte ich der Enkelin gleich dieser Familiengeschichte, die glücklich und im arbeitsreichen Wohlstand begann.

 

Doch nur zu bald ist das Schicksal der Familie verquickt mit Tragödien, die sich über lange Zeit in Vietnam aufeinander folgend abspielten. Der Besatzung durch die Japaner fällt der Urgroßvater zum Opfer. Während der kommunistischen Landreform verliert die Familie ihr Hab und Gut. Dieu Lan muss Hals über Kopf mit ihren fünf Kindern fliehen, um schließlich mit noch einem der Kinder in Hanoi anzukommen, um ein neues Leben zu beginnen. Die anderen Kinder musste sie auf dem Weg bei mal besseren, mal schlechteren Stationen zurücklassen, um das Überleben aller zu sichern.

 

Das Überleben gelingt, ein neues Leben in Hanoi könnte die Kehrwende für die Familie bedeuten. Doch das vietnamesische Volk kommt nicht zur Ruhe. Der Nord-Süd-Konflikt und schließlich der Vietnamkrieg zerreißen die Familie erneut.

 

Huongs Geschichte setzt mit dem Warten auf die Kriegsheimkehrer ein. Sowohl ihr Vater als auch ihre Mutter, die ihrem Mann folgte, bleiben lange vermisst. Doch die Heimkehr der Geschwister, die überleben konnten, bietet noch lange kein Happy End. Und auch Huong als Jüngste wird noch lange an der Last dieser Familiengeschichte zu tragen haben.

 

In einer Rezension las ich, die Sprache des Romans sei zu verkitscht und phrasenhaft, die Erkenntnisse blieben eher banal. Trotz meiner eigenen Kitschempfindlichkeit kann ich dem nicht so recht beistimmen. Ein sprachliches Feuerwerk bietet der Roman tatsächlich nicht. Aber für meinen Geschmack spinnt der Tonfall des Romans eine zarte, empfindsame und zutiefst humane Grundhaltung, die gerade im Kontrast zu den zum Teil wirklich brutalen und grausamen Szenen wirkt. Das ergibt vielleicht nicht die ganz große Weltliteratur, nimmt der Wirkung dieses Buches aber auch nichts.

 

Kurz und gut: Autorin und Stoff sind eine kleine Entdeckung und das Lesen unbedingt wert. Lesen!

 

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Donnerstag, 12. Mai 2022

Boris von Heesen: Was Männer kosten. Der hohe Preis des Patriarchats


"Gewalt, Unfälle, Sucht, Diskriminierung und Extremismus - Männer dominieren die Statistiken des Abgrunds: Sie verursachen doppelt so viele Verkehrsunfälle, begehen mit Abstand die meisten Straftaten und belegen deshalb auch 94 Prozent der Plätze in deutschen Gefängnissen. Diese Zahlen stehen nicht nur für Leid und Trauer - sie haben auch ökonomische Folgen: Über 63 Milliarden Euro kosten toxische männliche Verhaltensweisen dieses Land jedes Jahr - mindestens. Die Ursache sind patriarchale Strukturen, die unseren Alltag noch immer prägen. Deshalb müssen wir unsere Gesellschaft endlich von festgefahrenen Rollenmustern befreien. Denn das Patriarchat belastet alle - auch die Männer." (Umschlagtext)

Es gibt ja diejenigen, die schon beim Wort Feminismus mit den Augen rollen. Und natürlich geht es dabei nie nur um "Frauensachen". Ich hoffe sehr, dass dieser Band einen Beitrag dazu liefert, dass auch der männliche Teil der Gesellschaft versteht, wie sehr patriarchale Strukturen einfach allen schaden.

Achja, so ein wenig Kapitalismuskritik darf man dabei auch noch im Hinterkopf haben. 😉

"Wen sehen Sie vor sich, wenn Sie an dicke Autos und illegale Autorennen denken? Wer ist in deutschen Fußballstadien regelmäßig in Schlägereien verwickelt? Wer kommt Ihnen bei Wirtschaftsstraftaten wie dem Dieselskandal, der Wirecard-Pleite oder dem Cum-Ex-Komplex in den Sinn? Wer raucht viel häufiger exzessiv und bevölkert Spielsalons und Wettbüros?
Es sind Männer, die alle diese Bereiche dominieren - das belegen zahlreiche amtliche Statistiken.

Toxische männliche Verhaltensweisen schaden uns allen. Doch nicht 'die Männer' sind dafür verantwortlich, sondern längst überholte Rollenstereotype. Und die kommen uns teuer zu stehen. Deshalb müssen wir die Debatte um das Ungleichgewicht der Geschlechter dringend um eine Dimension erweitern: die monetären Folgen des Patriarchats." (Klappentext)

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