Mittwoch, 26. Juli 2023

Michael Seemann: Die Macht der Plattformen. Politik in Zeiten der Internetgiganten


„Facebook, Youtube, Airbnb, Netflix, Google, Tinder: Sie alle sind Online-Plattformen. Sie eint, dass sie digitale Infrastrukturen zum wechselseitigen Austausch bereitstellen, kurzum: Sie schaffen Verbindungen. Besitzerinnen von Ferienwohnungen verbinden sich mit Reisenden, Webvideoproduzenten mit Zuschauerinnen, Singles mit anderen Singles. Der Kulturwissenschaftler Michael Seemann liefert die theoretische Grundlage für das Phänomen der digitalen Plattformen, deren Gesellschaftsmodelle und Strategien sich grundlegend von denen konventioneller Unternehmen unterscheiden. Seemann widmet sich der Geschichte des Aufstiegs wichtiger Internetgiganten, skizziert ihren Kampf um Einfluss, charakterisiert ihre Macht und beleuchtet aktuelle Souveränitätskonflikte mit dem Staat. So stünden wir heute beispielsweise vor der paradoxen Situation, dass wir von Plattformen verlangen, mehr gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, etwa beim Thema Hate Speech, während wir gleichzeitig ihre zunehmende Macht beklagen.“ (Umschlagtext)

So hilflos, wie wir seit geraumer Zeit die offenbar unbeherrschbaren Effekte von Plattformen auf unser Konsumverhalten, unsere Diskurse, unsere Kommunikations- und Beziehungsgeflechte zur Kenntnis nehmen, so sehr festigt sich die Einschätzung, dass wir dem, was wir als Menschheit hier in die Welt gesetzt haben, noch lange nicht wirklich gewachsen sind. Tja, da müssen wir wohl sehr schnell noch allerhand lernen – und das Gelernte vielleicht mal nicht nur für höhere Börsenkurse einsetzen.

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Sonntag, 23. Juli 2023

T.C. Boyle: Die Terranauten


(Übersetzung: Dirk van Gunsteren)

„Man hatte uns von Haustieren abgeraten, desgleichen von Ehemännern oder festen Freunden, und dasselbe galt natürlich für die Männer, von denen, soviel man wusste, keiner verheiratet war.“ (Seite 13)

In den frühen 90ern fand in Arizona, USA, das Biosphere2-Experiment statt. Ein Milliardär finanzierte eine Glaskuppel über ca. 1,6 Hektar, unter der ein sich selbst erhaltendes, ökologisches System entstehen und über jeweils zwei Jahre von einer menschlichen Crew bewohnt und betrieben werden sollte. Die erste Mission dauerte tatsächlich zwei Jahre. Allerdings wurde der Anspruch eines geschlossenen Systems durchbrochen, weil es wegen einer medizinischen Behandlung eines Crewmitglieds kurzzeitig zu einer Öffnung und einem Materialaustausch kam. Der zweite Einsatz dauerte dann nur sechs Monate. Warum er offenbar abgebrochen wurde, darüber konnte ich nichts finden.

T.C. Boyle nahm diese für sich schon fantastische Geschichte, um daraus einen Science-Fiction-Stoff zu weben, der auf der Erde der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts angesiedelt ist. Er erzählt die Geschichte der zweiten Mission, die in seiner Version aber tatsächlich die gesamten zwei Jahre andauert.

Die Prämisse des Romans ist die Vorgeschichte der ersten Mission in Biosphere2, auch mit ihrem Scheitern an der kurzzeitigen Kontamination. Daraus folgt hier der unbedingte Wille der Nachfolgecrew, die gesamten zwei Jahr durchzustehen. Welche Fokussierung und eigentlich Zurichtung der Terranauten und welches ideologische System drumherum dafür notwendig sind, das breitet Boyle vor uns aus.

Die Zeit vor dem Einschluss, das erste und das zweite Jahr sowie den Wiedereintritt, wie es hier in schönster Astronautenart heißt, berichten drei Menschen: Dawn, Ramsey und Linda. Ihre Leben sind eng miteinander verwoben und aufeinander bezogen, auch während Dawn und Ramsey unter der Glaskuppel eingeschlossen sind, während Linda außerhalb damit hadert, nicht selbst dort zu leben, und stattdessen die Mission mit Überwachungsaufgaben unterstützt.

Wie viel Idealismus es braucht, um sich auf solch ein Unterfangen einzulassen, wie viel Überzeugung und Überwindung, das lässt sich gut an den Berichten vor und kurz nach dem Einschluss erahnen. Und, ganz erwartbar, bekommt dieser Idealismus im Fortschreiten des Experimentes erst feine und später immer klaffendere Risse. Dass dieses Großexperiment nicht nur ein biologisch-ökologisches sein kann, sondern eben auch ein menschliches sein muss, das erschließt sich sofort. Und so ist es neben technischen Fragen eben hauptsächlich der Faktor Mensch, der hier über Gelingen oder Scheitern bestimmt.

Bei allem Training, aller Routinen, die das Leben der Terranauten prägen und bestimmen, sind es in Boyles Version der Geschichte eben individuelles Verhalten, persönliche Bedürfnisse und die Dynamik innerhalb eine abgeschlossenen, auf sich selbst bezogenen Kleingruppe, die hier alles am Laufen – oder eben auch nicht.

Boyle ist auch mit den drei Erzählstimmen, die hier abwechselnd berichten, ein grandioser Autor. Es braucht gar nicht die vollkommen unvorhersehbaren Ereignisse und Schocker, um es im sozialen Gefüge dieser Versuchsanordnung ordentlich krachen zu lassen. Es reichen die Abgeschlossenheit der Gruppe drinnen, sowie die eben doch vorhandenen sozialen Interaktionen mit denen draußen. Und spannenderweise ließ mich der Eindruck nicht los, dass die Crew, die die Mission von außen betreibt und am Laufen hält, nicht weniger hermetisch von der Außenwelt abgeschlossen wirkt als die unter der Glaskuppel.

Kurz und gut: T.C. Boyle beobachtet und schreibt hervorragend. Lesen, unbedingt!

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Samstag, 22. Juli 2023

Dana Kaplan/ Eva Illouz: Was ist sexuelles Kapital?


„Die Sphäre der Sexualität ist kaum noch von der Sphäre der Produktion zu unterscheiden.“ (Umschlagtext)

Immer gibt es jemanden, der oder die behauptet, dies oder das Gesellschaftliche sei „naturgegeben“, um gleichzeitig von der Allmacht der menschlichen Spezies in der Welt zu fabulieren. Wir können froh sein, dass uns wissenschaftliches Arbeiten schon so viel an Wissen und Verständnis zugänglich gemacht hat. Das ist doch ein wunderbarer Ausgangspunkt, von dem aus wir darüber nachdenken können, wie die Welt besser werden kann. Ups, da ist mir ganz idealistisch der Konjunktiv abhandengekommen. 😊

„Nicht die Natur bestimmt unsere Vorstellungen von Sexualität, sondern die Gesellschaft. War es früher die Religion, die den Sex regulierte, so ist es heute die Ökonomie. Kein Wunder also, dass ‚sexuelles‘ oder ‚erotisches Kapital‘ in der Soziologie, den Gender Studies, der Sexualwissenschaft und sogar in der Alltagssprache zu einer gängigen Metapher geworden ist, um die Motive und Konsequenzen von Praktiken etwa zur Steigerung der sexuellen Attraktivität zu beschreiben.
In ihrem konzisen und mit zahlreichen Beispielen angereicherten Buch verteidigen Dana Kaplan und Eva Illouz den Begriff des sexuellen Kapitals als analytische Kategorie, machen ihn jedoch komplexer und befreien ihn von Gender-Klischees sowie von rationalistischen und identitätspolitischen Kurzschlüssen. Sie zeigen, das sexuelles Kapital verschiedene, historisch bedingte Formen annehmen kann, die zeitweise auch nebeneinander bestehen. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Spezifika der neoliberalen Sexualität, die mit einer ganz eigenen Sorte von sexuellem Kapital einhergeht. Dieses zirkuliert längst nicht mehr nur im Bereich privater Intimbeziehungen, sondern in der gesamten Sphäre der kapitalistischen Reproduktion. Aus dieser Perspektive erscheint dann auch die Frage nach Klassen- und Geschlechterhierarchien in einem neuen Licht.“ (Klappentext)

(Übersetzung: Michael Adrian)

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Donnerstag, 20. Juli 2023

Deborah Feldman: Unorthodox. Eine autobiographische Erzählung


„Ich habe keine Vergangenheit, an die ich mich klammern könnte; die letzten dreiundzwanzig Jahre gehören jemand anderem, jemandem, den ich nicht mehr kenne.“ (Umschlagtext)

Deborah wächst in einer ultraorthodoxen, jüdischen Gemeinde in den Staaten auf. Strenge Sitten, Regeln, Verbote, Strafen. Als säkular aufgewachsenem Europäer fällt es mir schwer, auch nur zu erahnen, wie anders ein Weltbild, das moralische Koordinatensystem und das eigene Verständnis von Freiheit aussehen können, wenn man in eine so eng gefasste Gemeinschaft, oder auch Sekte, hineingeboren wird. Um so schwerer noch ist vorstellbar, was es an Kraft kosten muss, sich daraus zu lösen.

Bei der schönen und etwas teureren ersten deutschen Ausgabe, die bei #secession erschien, hatte ich noch etwas gezögert. Bei der späteren Taschenbuchausgabe habe ich dann zugegriffen. Wie so oft wartet auch dieser Band noch aufs Schmökern. In der Zwischenzeit habe ich allerdings schon die vierteilige, bedrückende Verfilmung bei Netflix gesehen. Jetzt kann ich mich immer noch auf den Text freuen.

„Am Tag seines Erscheinens führte ‚Unorthodox‘ schlagartig die Bestsellerliste der New York Times an und war sofort ausverkauft. Wenige Monate später durchbrach die Auflage die Millionengrenze.
In der chassidischen Satmar-Gemeinde in Williamsburg, New York, herrschen die strengsten Regeln einer ultraorthodoxen jüdischen Gruppe weltweit. Deborah Feldman führt uns bis an die Grenzen des Erträglichen, wenn sie von der strikten Unterwerfung unter die strengen Lebensgesetze erzählt, von Ausgrenzung, Armut, von der Unterdrückung der Frau, von ihrer Zwangsehe. Und von der alltäglichen Angst, bei Verbotenem entdeckt und bestraft zu werden. Sie erzählt, wie sie den beispiellosen Mut und die ungeheure Kraft zum Verlassen der Gemeinde findet – um ihrem Sohn ein Leben in Freiheit zu ermöglichen. Noch nie hat eine Autorin ihre Befreiung aus den Fesseln religiöser Extremisten so lebensnah, so ehrlich, so analytisch klug und dabei literarisch so anspruchsvoll erzählt.“ (Klappentext)

(Übersetzung: Christian Ruzicska)

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Dienstag, 18. Juli 2023

Philip Manow: (Ent-)Demokratisierung der Demokratie. Ein Essay


„Krisendiagnosen begleiten die Geschichte moderner Demokratien seit ihren Anfängen, häufen sich aber zunehmend. Woraus resultiert die wahrgenommene Bedrohung der Demokratie? Der Politikwissenschaftler Philip Manow sieht sie als Ausdruck einer paradoxen Gleichzeitigkeit von Demokratisierungs- und Entdemokratisierungstendenzen. So sei Demokratie einerseits als Legitimationsprinzip politischer Herrschaft inzwischen unabdingbar und habe sukzessive weitere Personengruppen in ihre Beteiligungsräume einbezogen. Zugleich aber seien durch neue Medientechnologien die Barrieren für die Teilnahme an der öffentlichen Willensbildung radikal gesenkt worden. Hierin sieht Manow entdemokratisierende Effekte: Wurde die politische Meinungsbildung im 20. Jahrhundert wesentlich durch professionelle Medien und Parteiapparate eingehegt und geformt, sei nun ein tiefgreifender Wandel zu beobachten, der es polarisierenden Stimmen einfacher mache, sich Gehör und Einfluss zu verschaffen. Dies berge die Gefahr, aus demokratischen Gegnern, die gemeinsame Spielregeln achten, unversöhnliche Feinde zu machen. Des Weiteren beschneide, so Manows Befund, die Verlagerung von Entscheidungskompetenzen auf supranationale Institutionen zunehmend die Handlungsspielräume kollektiver Selbstbestimmung.“ (Umschlagtext)

Das große Versprechen von immer mehr politischer Teilhabe scheint direkt in die Selbstabschaffung der Demokratie durch ihre inneren Feinde zu führen. Anstelle von mehr sachlicher, informierter Debatte mit allen sind scheinbar nur die destruktiven Stimmen lauter und lauter geworden, die demokratische Spielregeln und Notwendigkeiten miesmachen und immer weiter aushöhlen.

Ja haben wir eigentlich gar nichts gelernt, mag man sich da fragen. Was passiert, wenn wir vergessen, dass all die gesellschaftlichen Fortschritte, die wir im Alltag erleben und als naturgegeben hinnehmen, dass jeder einzelne dieser Fortschritte bitter und hart erkämpft werden musste?

Es ist ja nicht so, dass wir das letztlich nicht alle wüssten: Demokratie muss fortlaufend gepflegt, hinterfragt und verteidigt werden. Ich bin immer wieder gespannt auf Bücher rund um dieses Thema, weil die Frage „Was tun?“ mit der Erkenntnis halt auch noch nicht beantwortet ist. Und vermutlich braucht es auch immer wieder mal neue oder zumindest verschiedene Antworten zu verschiedenen Zeiten.

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Montag, 17. Juli 2023

Zoë Beck: Das zerbrochene Fenster


„Auf einem verschneiten Anwesen in Schottland wird die Leiche einer Frau gefunden. Wenig später meldet sich bei der Polizei Philippa Murray, die behauptet, ihr Freund Sean habe die Tat begangen. Bei der Überprüfung des mutmaßlichen Täters kommt heraus, dass dieser gerade für tot erklärt wurde. Als die Polizei Philippa zu Hause aufsucht, ist die junge Frau spurlos verschwunden …“ (Umschlagtext)

Interessanterweise habe ich Zoë Beck zuerst als Verlegerin des von mir innig geliebten Indieverlags #culturbooks kennengelernt. Erst später fiel sie mir auch als Autorin auf. Nicht verwunderlich eigentlich, weil Thriller/Krimis eher selten auf meinem Lesestapel landen. Hier mache ich aber gern eine Ausnahme. 😉

Die ersten Thriller, die ich von der Autorin entdeckt habe, waren mit „Die Lieferantin“ und „Paradise City“ die aktuellen. Nun bin ich auf diesen Thriller von 2012 gespannt, der ursprünglich bei Bastei Lübbe erschien und nun von Suhrkamp neu aufgelegt wurde. Let´s go! 😉

„Schneechaos in Schottland. Auf einem einsam gelegenen Anwesen wird die Leiche einer Frau gefunden. Zunächst gerät der junge Cedric Darney, Stiefsohn der Toten und Herausgeber einer großen Tageszeitung, unter Verdacht. Doch wenig später meldet sich bei der Polizei in Edinburgh Philippa Murray, die behauptet, ihr Freund Sean habe die Tat in seinem Notizbuch angekündigt. Bei der Überprüfung des mutmaßlichen Täters kommt heraus, dass Sean Butler vor sieben Jahren verschwunden und inzwischen für tot erklärt worden ist. Als die Polizei Philippa zu Hause aufsucht, ist die junge Frau spurlos verschwunden.“ (Verlagstext)

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Mittwoch, 12. Juli 2023

Kai Strittmatter: Die Neuerfindung der Diktatur. Wie Chinas den digitalen Überwachungsstaat aufbaut und uns damit herausfordert


„Was bedeutet Chinas Griff nach der Macht für uns?

In China erfindet sich der autoritäre Staat neu, in offener Konkurrenz zum Westen. Unter Parteichef Xi Jinping marschiert China selbstbewusst in die Welt, gleichzeitig gewährt sich sein System ein Update mit den Instrumenten des 21. Jahrhunderts. Peking setzt auf Big Data und künstliche Intelligenz wie keine zweite Regierung. Die Partei glaubt, den perfektesten Überwachungsstaat schaffen zu können, den die Erde je gesehen hat. Kai Strittmatter beschreibt die Mechanismen der digitalen Diktatur, er zeigt, wie uns das herausfordert und wie die Coronavirus-Pandemie diese Entwicklungen wie im Brennglas hervortreten lässt.“ (Umschlagtext)

Strittmatter ist Journalist und gilt als ausgewiesener China-Kenner. Ich kann also eine gute Recherche erwarten, bin aber insgesamt gespannt, welches Bild von China gezeichnet wird. Im Kopf habe ich natürlich die im Westen üblichen Chinabilder. Viel mehr Ahnung habe ich im Grunde von dem Land und seiner Geschichte nicht, geschweige von der Mentalität, der Kultur, von dem, was diese Gesellschaft antreibt und ggf. zusammenhält. Also mal schauen, was dieses Buch an Perspektive und Einblicken zu bieten hat.

„Chinas wirtschaftliche Entwicklung ist eine Erfolgsstory: Aus einem Dritte-Welt-Land ist einer der dynamischsten Motoren der Weltwirtschaft geworden. Doch politisch erlebt China gerade eine Rückkehr zur Ein-Mann-Autokratie. Staatspräsident Xi Jinping vereint in sich eine Machtfülle wie vor ihm nur Mao. Nun baut er das Land grundlegend um. Nach innen entwickelt es sich zu einer perfekten Diktatur: Modernste Technologien sollen Chinas Wirtschaft in die Zukunft katapultieren und gleichzeitig in gigantischen Datenmengen möglichst jeden Schritt und jeden Gedanken von Bürgern und Besuchern erfassen, verknüpfen und auswerten. Das Ziel ist die totale Kontrolle der Partei über alle und alles. So entsteht ein neues China, das zur direkten Herausforderung der Demokratien des Westens wird. Denn nach außen tritt China immer selbstbewusster auf und treibt seinen Einfluss in der Welt voran. Kai Strittmatter, einer der besten China-Kenner Deutschlands zeigt in diesem Buch, was diese Entwicklungen für uns bedeuten.“ (Verlagstext)

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Dienstag, 11. Juli 2023

Stephan Thome: Pflaumenregen


„Ein packendes Familienepos über vier Generationen, eine literarische Liebeserklärung an Taiwan und den beharrlichen Freiheitsdrang seiner Bewohner.“ (Umschlagtext)

Wer liest, auch und insbesondere literarische Bücher, reist ja gern mal ebenso und ohne viel Reisestress um die Welt. Nach Taiwan haben mich meine literarischen Reisen bislang noch nicht geführt. Ich bin also gespannt.

Gespannt auch, weil die Inselrepublik in den letzten Jahren immer wieder im Fokus politischer Berichterstattung stand und weiterhin steht. Interessiert lese ich daher immer mal Berichte, die auch Hintergründe zur wechselvollen und nicht gerade konfliktarmen Geschichte insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erzählen.

So war mir lange nicht klar, dass auf Taiwan bis in die 80er Jahre ein Einparteiensystem existierte, dass von der Kuomintang geführt wurde. Die wiederum war die Staatspartei der Republik China, die vor dem Sieg der Kommunisten in China mitsamt Eliten und Militär nach Taiwan floh. Offenbar ergaben sich daraus zahlreiche Konflikte zwischen den einheimischen Taiwanes:innen und denen, die nun eine taiwanesische Republik errichteten.

Ich kann also tatsächlich auf diese kleine Reise gespannt sein und darauf, wie sie sich im Lichte aktueller Entwicklungen so ausnehmen wird.

„Taiwan in den 1940er Jahren, am Ende der japanischen Kolonialzeit. Während der Pazifische Krieg unaufhaltsam näher rückt, wächst die achtjährige Umeko behütet in einer Kleinstadt im Norden der Insel auf. Sie ist stolz auf ihr gutes Japanisch und himmelt ihren älteren Bruder an, den Star des örtlichen Baseballteams. Als die Armee jedoch am Ortsrand ein Lager für ausländische Kriegsgefangene einrichtet, gerät ihr Leben in einen Strudel aus Schuld und Verbrechen, der die Familie siebzig Jahre später immer noch gefangen hält. – Ein berührendes historisches Panorama, in dessen Zentrum eine familiäre Tragödie steht.“ (Verlagstext)

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Sonntag, 9. Juli 2023

Charles King: Schule der Rebellen. Wie ein Kreis verwegener Anthropologen Race, Sex und Gender erfand


„Es ist heute eine Grundvoraussetzung der Kulturanthropologie, dass Kategorien wie Race und Gender nicht naturgegeben, sondern gesellschaftliche Konstrukte sind. Auch emanzipatorische Initiativen wie feministische, LGBTQ- und antirassistische Bewegungen beruhen auf dieser Annahme. In der stark rassenideologisch geprägten US-amerikanischen Gesellschaft und Wissenschaft Anfang des 20. Jahrhunderts erregte der Ethnologe Franz Boas mit seiner These der Gleichberechtigung der Kulturen und Geschlechter die Gemüter. Der Historiker Charles King zeichnet die revolutionären Thesen wie auch den biografischen Werdegang des aus Deutschland stammenden Begründers des Kulturrelativismus und drei seiner Schülerinnen nach: Ruth Benedict, Margaret Mead und Zora Neale Hurston. Ihre Vorgehensweise unterschied sich radikal vom wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Konsens ihrer Zeit. Offen, weniger hierarchisch und stärker von Migrantinnen und Migranten und Frauen geprägt als andere Wissenschaften, versuchten sie als einiger der ersten Ethnologen, ihre Theorien durch empirische Studien zu belegen. So beleuchtet King zugleich ein Stück Gesellschaftsgeschichte, denn Boas und seine Schule begründeten das Fundament, auf dem eine offene, moderne US-amerikanische Gesellschaft beruht.“ (Umschlagtext)

Wenn das Wort Gender in der Debatte auftaucht, spaltet sich die debattierende Runde ja gern schlagartig. Und weil dann ideologische Verbissenheit fix der gegenseitige Vorwurf ist, lohnt es sich ja, mal zu schauen, wie Begriffe, die heute so sehr polarisieren eigentlich entstanden sind. Ob es bei einer Versachlichung von Debatten helfen kann? Ich hoffe darauf, wie auf ein Stück mehr an Erkenntnis.

(Übersetzung: Nikolaus de Palézieux)

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Samstag, 1. Juli 2023

Christoph Hein: Guldenberg


„Christoph Heins Roman zeichnet das Sittengemälde einer Gesellschaft, die aus den Fugen gerät. Von Menschen, die sich als Opfer sehen und dabei Täter werden. Von Rassismus, wie er uns jeden Tag überall begegnet.“ (Umschlagtext) 

Was wir seit einigen Jahren an gesellschaftlicher Polarisierung, Diskursverschiebung nach rechts usw. erleben, das schreit natürlich nach literarischer Verarbeitung. Ich bin gespannt, wie sich das aus der Feder von Christoph Hein lesen wird.

 

„In dem kleinen Städtchen Bad Guldenberg ist die Welt noch in Ordnung. Jedenfalls, bis im Alten Seglerheim eine Gruppe minderjähriger Migranten untergebracht wird. Die Guldenberger sind sich einig: Diese Fremden passen einfach nicht in den Ort und sorgen nur für Unruhe. Mehr und mehr heizt die Stimmung sich auf, es kommt zu Pöbeleien, und als dann noch das Gerücht die Runde macht, eine junge Frau sei vergewaltigt worden, sind sich alle schnell einig, dass es einer der jungen Migranten gewesen sein muss. Und das wollen die Guldenberger nicht hinnehmen …“ (Verlagstext)

 

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