Dienstag, 30. Januar 2018
Mary Miller: Süßer König Jesus
"Zwei Lolitas auf dem Rücksitz eines Fords: Jess, immer auf der Suche nach Süßigkeiten und einem Jungen, der sie liebt, und Elise, heimlich schwanger. Am Steuer: die religiös-fundamentalistischen Eltern auf ihrem Road-Trip von Alabama nach Kalifornien, dem Weltuntergang entgegen." (Umschlagtext)
Und schon hat es mich gekriegt. ;) Ob das Debüt von Mary Miller halten kann, was die Beschreibung verspricht? ^^
#lesewinter #roman #marymiller #metrolit #roadtrip #alabama #kalifornien #weltuntergang #lolita #lesen #leselust #literatur #indiebook
Montag, 29. Januar 2018
Mosaik #506
Ach, ich verlängere jetzt einfach das Wochenende um eine Stunde. 😉
#lesewinter #comic #mosaik #abrafaxe #lutherinbunt #martinluther #eisenach #wartburg #tintenfass #reformation #comics #lesen #leselust #indiecomic #comicbook
Samstag, 27. Januar 2018
Chloé Vollmer-Lo/ Carole Maurel: Magdas Apokalypse
"Was, wenn die Welt in einem Jahr untergehen wird und man wie Magda gerade erst seinen 13. Geburtstag feiert? Sie fühlt sich um ihre Zukunft betrogen und beschließt, das Leben, das ihr vorenthalten bleiben soll, mit aller Macht an sich zu reißen. In einer Welt, die im Zeitraffer aus den Fugen gerät, ist zum Warten keine Zeit mehr. Jedoh: Die Folgen ihrer Entscheidung sind dramatisch, zumal im Angesicht der Apokalypse Wahnsinn und Verzweiflung der Vernunft zunehmend das Wasser abzugraben drohen. Das Ende der Zivilisation vollzieht sich schleichend, und obwohl Magdas Mitmenschen alles daran setzen, die Normalität ihres alten Lebens aufrechtzuerhalten, wird mit jedem Tag spürbarer, dass die Bedingungen für eine unschuldige Jugend längst ihre Gültigkeit verloren haben ..." (Umschlagtext)
Coming- of- Age und Apokalypse gehen ja irgendwie immer. Warum also nicht auch im Comic. ^^
Ob das Ganze eher in Richtung bekannter Blockbuster tendiert oder das Genre ordentlich vermessen wird, darauf bin ich dann doch mal gespannt. ;)
#lesewinter #comic #chloevollmerlo #carolemaurel #splitterverlag #comingofage #endzeit #apokalypse #menschen #gesellschaft #lesen #leselust #comics
Donnerstag, 25. Januar 2018
Uffa Jensen: Zornpolitik
"Unsere Gefühle sind keine reinen Affekte, die uns unbewusst steuern. In diesem Sinne sollten wir als Einzelne und als Gesellschaft lernen, uns zu unseren Gefühlen gegen Andere zu verhalten. Wir sollten mehr über sie herausfinden. Wir sollten sie befragen, mit ihnen umgehen. Kurz: Wir brauchen eine Praxis der Gefühle." (Umschlagtext)
"Gäbe es ein Messgerät für die Intensität kollektiver Gefühle, es würde derzeit Spitzenwerte anzeigen: In den politischen Debatten sind vielerorts Wut, Hass und Angst an die Stelle rationaler Argumente und gegenseitiger Rücksichtnahme getreten. Uffa Jensen verfolgt die Ursprünge der Zornpolitik bis ins 19. Jahrhundert zurück und erläutert, wie solche Gefühle der Ablehnung funktionieren. Dabei wird deutlich, dass Emotionen gerade in Auseinandersetzungen über gesellschaftliche Andere wie Flüchtlinge, Muslime oder Juden hochkochen und bewusst instrumentalisiert werden. Aus dem historischen Zusammenhängen zwischen Vorurteilen und Gefühlen leitet Jensen Strategien ab, mit denen wir der aktuellen Welle des politischen Furors begegnen können." (Verlagstext, Seite 2)
Vielleicht findet sich hier ja ein wenig Erklärung dazu, warum sich gesellschaftliche Debatten und das politische Klima derzeit so enthemmt und irrational anfühlen. Ich hoffe auf ein im besten Sinne aufklärerisches Buch.
#lesewinter #sachbuch #uffajensen #suhrkamp #zeitgeist #zeitgeschichte #politik #gesellschaft #wutbürger #hass #angst #debatte #lesen #leselust
Mittwoch, 24. Januar 2018
Albert Sánchez Piñol: Der Untergang Barcelonas
"Barcelona um 1700: Zuvi ist vierzehn, etwas unverschämt, ein Taugenichts m mit rabenschwarzem Haar. Als ihn der Graf Vauban auf sein Schloss einlädt, ändert sich Zuvis Leben schlagartig. Tochter Jeanne führt ihn in die Liebeskunst ein und Vater Vauban, der berühmteste Baumeister seiner Zeit, lehrt ihn, die sichersten und schönsten Festungsmauern zu bauen. Aber dann robbt der Spanische Erbfolgekrieg, und Zuvi erlebt mehr als nur ein Abenteuer." (Umschlagtext)
Literarisch habe ich Barcelona mit Eduardo Mendoza und Carlos Ruiz Zafón kennengelernt. Mit Piñol war ich zuletzt in Afrika unterwegs, im Kongobecken. Jetzt freu ich mich darauf, Barcelona mit seinen Augen zu sehen. *jippieeee* ;)
#lesewinter #roman #albertsanchezpinol #fischerverlag #tagesfang #spanien #barcelona #geschichte #krieg #architektur #liebe #lesen #leselust #literatur
Montag, 22. Januar 2018
Hans Pleschinski: Wiesenstein
Rezensionsexemplar an Verlagskarte. *juchzundfreu* ;)
"Der alte Mann, eine Berühmtheit, Nobelpreisträger, verlässt mit seiner Frau das Sanatorium, wo beide Erholung gesucht haben, und wird mit militärischem Begleitschutz zum Zug gebracht. Doch es ist März 1945, das Sanatorium liegt im eben zerstörten Dresden und der Zug fährt nach Osten. Gerhart und Margarete Hauptmann wollen nirgendwo anders hin als nach Schlesien, in ihre Villa 'Wiesenstein', ein prächtiges Anwesen im Riesengebirge. Dort wollen sie ihr immer noch luxuriöses Leben weiterleben - inmitten der Barbarei." (Umschlagtext)
Olle Hauptmann - puh, das ist ewig her, dass der mir begegnet ist. "Der Biberpelz", Literaturunterricht in der Oberstufe? Die Beschreibung verheißt zumindest schon mal eine skurrile historische Momentaufnahme.
Na, dann mal los. ^^
#lesewinter #roman #hanspleschinski #chbeck #geharthauptmann #geschichte #weltkrieg #dresden #schlesien #krieg #barbarei #lesen #leselust #literatur
Samstag, 20. Januar 2018
Vladimir Sorokin/ Yaroslav Schwarzstein: Pferdesuppe
Noch blättern wir in der Illustrierten Novelle, aus der gleich da vorn gelesen werden wird. Autor Vladimir Sorokin und Illustrator Yaroslav Schwarzstein sind persönlich da und gleich auch noch im Gespräch zu erleben.
Samstag Abend in Pankow - und mit Freunden. ;)
#lesewinter #novelle #vladimirsorokin #yaroslavschwarzstein #pferdesuppe #pankow #lesung #literatur #lesen #leselust #literatur #indiebook
Donnerstag, 18. Januar 2018
Jeff Lemire: Der Unterwasser-Schweißer
"Als Taucher auf einer Plattform vor der Küste Neuschottlands ist Jack hohen Druck gewöhnt. Aber der Druck, der gerade auf dem werdenden Vater lastet, lässt ihn viel tiefer tauchen - dabei entfernt er sich immer weiter von seiner Frau und dem ungeborenen Kind. Plötzlich geschieht wir unter der Wasseroberfläche Unerklärliches. Jack wird mit etwas konfrontiert, das sein Leben für immer verändern wird." (Umschlagtext)
Ok ok, die Beschreibung gibt irgendwie noch nicht so viel her. Aber hey, es ist Jeff Lemire! ^^ Lieber Hinstorff Verlag aus Rostock, da reibe ich mir doch angenehm überrascht und gespannt die Augen. ;)
#lesewinter #comic #jefflemire #hinstorffverlag #tauchen #twilight #leben #väterundsöhne #abschied #ankunft #lesen #leselust #literatur #indiebook #indiecomic #instabook
Mittwoch, 17. Januar 2018
Andreas Speit (Hrasg.): Reichsbürger. Die unterschätzte Gefahr
"Als im Oktober 2016 im fränkischen Georgensgmünd ein Spezialeinsatzkommando der Polizei in das Wohnhaus eines Reichsbürgers eindringt, um dort gehortete Waffen zu beschlagnahmen, eröffnet dieser das Feuer und verletzt vier Beamte. [...] Der Schütze gehört zu jener Bewegung von Verschwörungsfanatikern, die die Bundesrepublik und ihre Gesetze nicht anerkennen. Bis dahin hatte der Staat die Angehörigen der Szene als `Spinner` und ungefährlich abgetan." (Umschlagtext)
Rechtsextremismus-Experten
#lesewinter #sachbuch #andreasspeit #chlinksverlag #politik #gesellschaft #rechtsextremismus #reichsbürger #rechte #lesen #leselust #indiebook
Dienstag, 16. Januar 2018
Margaret Atwood: Das Herz kommt zuletzt
"Wie wäre das: Man bekommt ein zauberhaftes Heim, eine angenehme Arbeit und ein sorgenfreies Leben garantiert - das einzige, was man dafür tun muss, ist jeden zweiten Monat im Gefängnis zu verbringen?" (Umschlagtext)
Atwood, Atwood everywhere. Da schließe ich mich dem Hype doch gern an. ;)
#lesewinter #roman #margaretatwood #berlinverlag #sozialexperiment #gesellschaft #dystopie #filmreif #lesen #leselust #literatur
Montag, 15. Januar 2018
Ari Folman/ David Polonsky: Das Tagebuch der Anne Frank. Graphic Diary
„[…] Das halte ich nicht aus, wenn so auf mich aufgepasst wird,
dann werde ich erst schnippisch, dann traurig, und schließlich drehe ich mein
Herz wieder um, drehe das Schlechte nach außen, das Gute nach innen und suche
dauernd nach einem Mittel, um so zu werden, wie ich gern sein würde und wie ich
sein könnte, wenn … wenn keine anderen Menschen auf der Welt leben würden.
Deine Anne M. Frank“ (Seite 146, letzter Satz vom letzten Tagebucheintrag vom 01.08.1944)
Spannend ist es schon zu sehen, dass das Medium Comic seine über
Jahrzehnte behaglich eingerichtete Nische dann verlässt, wenn es entweder um
Verfilmungen (Superhelden Blockbuster zum Beispiel) oder um Adaptionen von
literarischen Werken geht. Schon ist die große Bühne bereit; Buchhandlungen
finden gar nichts dabei, Comics ins Regal zu stellen, denn auch große
Literaturverlage können mit Comics in dieser Form offenbar gut leben.
Der Haken an der Sache ist, dass es anscheinend ein anderes Medium
braucht, um dem Comic diesen Camouflage Auftritt zu ermöglichen. Insbesondere
beim Literaturadaptionen geht es dann gern darum, Menschen, die keine langen
Texte lesen können oder wollen, an den eigentlichen Stoff heranzuführen – an
die literarische Vorlage. Gern gebe ich zu, dass mir da immer wieder das Herz blutet,
weil das Klischee, Comic sei etwas für Dumme oder Lesefaule, so unverstellt
bedient wird. Und leider fügen so viele Literaturadaptionen dem ursprünglichen
Stoff auch nichts hinzu.
Puh, soweit das Klagelied des Comic-Freundes. Im letzten Jahr
bekam ich also das „Graphic Diary“ als Leseexemplar vom Verlag auf den Tisch,
in dem das Tagebuch der Anne Frank verarbeitet wurde. Dummerweise funktionieren
Klischees und Vorurteile ja in verschiedene Richtungen. So gern ich mich in die
Rüstung werfe, um für den guten Ruf des Comics zu streiten, so leicht tappe ich
natürlich auch in die Meinungsfalle, die schneller zuschnappt als ein
Buchdeckel aufgeschlagen ist.
Da hilft dann nur noch eines: die Rüstung wieder im Schrank
verstauen, ab in den Lesesessel, Füße hoch und schmökern.
Anne Franks Tagebuch dürfte eines der meistgelesenen Bücher über
den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg sein. Die Geschichte ist vermutlich
sattsam bekannt: Anne muss sich im Alter von 13 Jahren mit ihrer Familie und
einigen weiteren Menschen vor den Nazis und Denunzianten verstecken, im
Versuch, dem Tod im Konzentrationslager zu entgehen. Über zwei Jahre leben
diese acht Menschen versteckt in einem Hinterhaus, unterstützt und versorgt von
Helfern, bis sie schließlich doch entdeckt werden. Einzig Annes Vater überlebt
das Grauen der Lager und gibt später ihr Tagebuch heraus.
In diesem Tagebuch beschreibt Anne Frank eindringlich und zugleich
mit poetischer Kraft ihren Alltag in dem Versteck, dass ihnen zur Freiheit
verhelfen soll aber eben auch ein nicht selbstgewähltes Gefängnis ist. Das
Ringen um tagtägliche Routinen, während acht Menschen auf engem Raum
aufeinander hocken, ohne dem auch nur einen Tag entkommen zu können, aber auch
ihr Erwachsenwerden in dieser Enge und im steten aneinander Reiben, sind die
Themen, die sie ihrem Tagebuch anvertraut. Mit wem sollte sie auch sonst reden,
abgeschlossen von der Außenwelt, die allenfalls als kurzer, hastiger Blick aus
dem Fenster noch existiert.
Das „Graphic Diary“ ist keine buchstabengetreue Übersetzung des
Tagebuchs in Comic-Form. Ari Folman beschreibt in seinem Nachwort, wie versucht
wurde, den Themen, die Anne Frank beschäftigten, ihren Raum zu geben, Einträge
und Gedanken zusammenzufassen, Dialoge zu finden, die dem entsprechen und abzuwägen,
wann Anne selbst mit ihren Gedanken zu Wort kommen soll.
Und dies ist, nach meinem Gefühl, bestens gelungen. Das Nachwort
habe ich tatsächlich erst am Ende gelesen und kann so sagen, dass ich Annes
Stimme in der Version von Folman/Polonsky als authentisch, unverstellt und
genauso intensiv erlebt habe, wie Jahre zuvor beim Lesen der ursprünglichen
Textversion.
Die Bilder nehmen Annes Stimme nichts weg, skandalisieren nicht,
behaupten keinen Anspruch auf mehr Authentizität als die Worte. In Teilen illustrieren
sie das Leben der Acht; sie erlauben uns zugleich, diesen Mikrokosmos mit Annes
Augen zu sehen, wenn sie sich zum Beispiel mit ihrer Schwester vergleicht oder
aber die Mitbewohner in ihren Eigenheiten am Tisch charakterisiert werden, die
in dieser bedrückenden Enge jeden von uns in den Wahnsinn treiben würden.
Für mein Gefühl wurde hier mit großer Sorgfalt, viel Sensibilität
und großer Kunstfertigkeit gearbeitet. Das notwendig Fragmentarische eines
Tagebuches, das nun einmal keine durchkomponierte, handlungsorientierte Story
ist, blieb erhalten und entfaltete seinen Sog für mich Seite um Seite.
An dem Begriff „Graphic Diary“ möchte ich mich trotzdem etwas
stoßen. Einerseits bin ich ja froh, dass auf das Cover nicht der unvermeidliche
„Graphic Novel“ Button gepappt wurde. Zugleich habe ich nicht den Eindruck,
dass hier das Comic-Rad so neu erfunden wurde, dass es einen neuen Begriff
dafür braucht. Ich ahne, dass die Entscheidung dafür wohl eher eine des
Marketings als eine inhaltliche oder künstlerische war, frage ich mich aber
trotzdem „warum und wozu?“
Kurz: Ich glaube, der Arbeit von Ari Folman und David Polonsky das
größte Kompliment machen zu können, wenn ich festhalte: Diese Comic-Adaption
macht große Lust, auch den Rest von Anne Franks Tagebuch zu entdecken oder
wiederzuentdecken – ohne das Gefühl, das Eigentliche erst noch vor sich zu
haben.
Mittwoch, 10. Januar 2018
Philipp Ther: Die dunkle Seite der Nationalstaaten. "Ethnische Säuberungen" im modernen Europa
"Organisierter Terror überschattet das 20. Jahrhundert. Zum Szenario des Schreckens gehört die Tatsache, dass in dieser Zeit mindestens 30 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben wurden, die meisten von ihnen nach dem Zweiten Weltkrieg. [...] `Ethnische Säuberungen', so zeigt das Buch, waren weder ein Tabubruch noch eine Erfindung totalitärer Diktaturen, sondern sind bittere Folgen von chauvinistischem Nationalismus." (Umschlagtext)
Wo immer wieder über Europa und Nationalstaaten gesprochen wird, kann eine solche historische Studie zwischendurch nicht schaden.
#lesewinter #sachbuch #philippther #bpb #vandenhoeckundruprecht #europa #nation #vertreibung #nationalismus #moderne #geschichte #zeitgeschichte #lesen #leselust
Dienstag, 9. Januar 2018
Theodor Buhl: Winnetou August
"Rudi Rachfahl erinnert sich an seine Kindheit: an die Flucht vor der Roten Armee, an das brennende Dresden, den Hunger und an das Mädchen, das direkt neben ihm vergewaltigt wurde. Vor allem jedoch erinnert er sich an seinen Vater August, dessen steifer Arm und Hang zum Alkohol noch aus dem Ersten Weltkrieg herrühren. August rettet seine Familie durch eine Welt, in der Tod und Gewalt alltäglich sind. Neben seinem Vater lässt Rudi nur einen anderen Helden gelten: Karl May, dessen Geschichten für ihn zum Lebenselixier werden." (Umschlagtext)
Das klingt vielversprechend.
#lesewinter #roman #theodorbuhl #rororo #rowohlt #deutschland #nachkriegszeit #erinnerung #geschichte #lesen #leselust #literatur
Montag, 8. Januar 2018
Maximilien Le Roy/ Loïc Locatelli Kournowsky: Überlebt!
„Meine Freunde, es ist sicherlich das letzte Mal, dass ich mich an
euch wende. Die Luftstreitkräfte haben die Sendeanlagen von Radio Portales und
Radio Corporación bombardiert. Es liegt keine Bitterkeit in meinen Worten, nur
Enttäuschung …“ (Seite 43)
Am 11. September 1973 putschte das chilenische Militär unter dem
späteren Diktator Augusto Pinochet gegen den demokratisch gewählten, linken
Präsidenten Salvador Allende. Während der Präsidentenpalast La Moneda von den
Putschisten umstellt und unter Feuer genommen wurde, wendete sich der Präsident
ein letztes Mal in einer Radioübertragung an das Volk. Diese Rede zieht sich
als roter Faden durch die erste Hälfte des Comics – immer wieder neu ansetzend,
legt sie sich über die verschiedenen Stationen der Erzählung. In jeder Szene,
in der sie erneut aus dem Radio schallt, sich über die Stadt, das Land und die
Panel schwingt, kommt ein weiterer Absatz hinzu. Bis der Palast gestürmt ist
und Salvador Allende, der sich nicht ergeben mochte, seinem Leben selbst ein
Ende setzt.
„Überlebt!“ ist aber nicht die Geschichte vom Präsidenten Salvador
Allende sondern die einer Überlebenden. Die Story von Maximilien Le Roy basiert
auf den Erinnerungen von Carmen Castillo, die der linksextremen MIR angehörte.
Sie überlebte und reiste aus ihrem Exil in Frankreich Jahre später zurück nach
Chile, um den Ort zu besuchen, an dem ihr Partner Miguel Enriquez erschossen
wurde.
Wir erleben sie im Jetzt dieses Besuches und tauchen gemeinsam mit
ihr in die Erinnerungen ein. Die Zeit der Debatten und Diskussionen über die
strategische Ausrichtung der Linken in Chile, als der Wahlsieg Allendes noch
Zukunftsmusik und so nicht absehbar war; die drei intensiven Jahre der
Regierung Allendes, in denen der Kontakt zur extremen Linken nie abbrach und
sich die zunehmende Gegenwehr der Rechten abzeichnete; die Zeit des Putsches
und der Verfolgung der in den Untergrund abgetauchten linken Aktivist*innen.
All diese Zeitebenen der Story werden verwoben durch die Stimme Allendes aus
dem Radio. Die stete Wiederholung ergibt einen intensiven Rhythmus, der mich
unweigerlich in seinen Bann zog.
Nach dem Tod Allendes konzentrieren sich die Erinnerungen auf die
Flucht und das Leben im Untergrund. Nach und nach werden Freunde der
Untergetauchten denunziert, enttarnt und, wenn sie nicht gleich ermordet
wurden, gefoltert, um die Aufenthaltsorte der anderen zu erfahren. So zieht
sich die Schlinge immer enger, bis schließlich auch Carmen und Miguel gefasst
werden. Miguel überlebt das nicht, die schwangere Carmen kommt mit dem Leben
davon und wird schließlich aus dem Land verstoßen.
Im Exil versucht sie mit ihren Erinnerungen zu leben und wird von
anderen Überlebenden als Witwe eines Helden gefeiert. Während sie selbst mit
diesem Status hadert, versucht sie dennoch auf diese Art, die Erinnerung an die
Ermordeten und Verschwundenen wach zu halten. Schließlich darf sie 1987 Chile
wieder besuchen. Sie entscheidet sich, diesen Besuch nicht als Bühne zu nutzen,
sondern nur gemeinsam mit einer Freundin die Orte ihres Lebens im Untergrund
aufzusuchen. In einem ersten Impuls beschließt sie, das Haus, in dem sie
zuletzt lebte und gemeinsam mit Miguel von den Häschern des Regimes gestellt
wurde, zu kaufen. Ein Museum, ein Erinnerungsort für Miguel Enriquez solle es
werden. Erst in einem Gespräch mit einem linken Aktivisten der späteren
Generation, viel jünger als sie, lässt sie sich umstimmen, damit die Toten zwar
nicht vergessen werden aber einen Neuanfang nach Pinochet und damit eine
gesellschaftliche Aussöhnung auch nicht unmöglich machen. So fand sie ihren Weg
zwischen Erinnerung und dem Blick nach vorn.
„Überlebt!“ ist kein Comic, der sich schnell lesen und dann
Beiseite legen lässt. Das Ineinandergreifen der verschiedenen Zeitebenen zwingt
immer wieder zum Innehalten und entwickelt zugleich einen intensiven Sog. Dabei
spricht aus den Erinnerungen zwar persönlich erfahrenes Leid aber kein
wehleidiges Klagen, sondern eher der Stolz darauf, was so viele aufrichtige
Menschen in Chile bei allen Niederlagen und Rückschlägen erreichen konnten.
Kournwskys Zeichenstil passt sich dem in Form und Farbgebung
bestens an. Er findet den passenden Rhythmus der Bilder, ohne im Heldenpathos
zu verschwimmen, und kann so sowohl die stillen Momente zeigen wie auch Kampf-
und Folterszenen.
Vor- und Nachwort von Le Roy und ein Interview mit Carmen Castillo
runden den Band ab, ordnen und laden ein, sich noch einmal genauer anzuschauen,
was damals in Chile geschah.
Kurz: Ein intensiver und bewegender Comic in einer von der Edition
Moderne gut gemachten Ausgabe. Hervorragend!
Sonntag, 7. Januar 2018
Ivan Vladislavić: Double Negative
Südafrika - durch die Augen eines Fotografen besehen, der nach Jahren in London in seine Heimat nach dem Ende der Apartheid zurück kehrt.
Der Roman "[...] ist ein subtiles Triptychon, das das gewöhnliche Leben des Neville Listers während der außergewöhnlichen Revolution Südafrikas einfängt. Ivan Vladislavić ist ein äußerst genauer Erzähler der Wirklichkeit, die ihn umgibt, und weiß diese differenziert und mit höchster sprachlicher Eleganz in poetische Bilder umzusetzen." (Klappentext)
Ein Vorwort von Teju Cole gibt es gleich auch noch dazu. ^^
#lesewinter #roman #ivanvladislavic #a1verlag #südafrika #apartheid #revolution #postapartheid #gesellschaft #indiebook #lesen #leselust
Samstag, 6. Januar 2018
Philipp Felsch: Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte 1960 – 1990
„Andreas Baader, der 1968 wegen Brandstiftung zu drei Jahren
Haft verurteilt wurde, entdeckte im Gefängnis das Briefeschreiben. Er
schilderte das Elend des Alleinseins, schimpfte über das Wachpersonal und bat
seine Freunde, ihn mit dem Nötigsten zu versorgen. Abgesehen von Wurst und
Tabak waren das in erster Linie Bücher.“ (Seite 12)
„Heute, wo die intellektuellen Energien von ´68 in schwach
glimmende Substanzen zerfallen sind, fällt es schwer, sich die Faszination
eines Genres zu vergegenwärtigen, das Generationen von Lesern in seinen Bann
gezogen hat. Theorie war mehr als eine Folge bloßer Kopfgedanken; sie war ein
Wahrheitsanspruch, ein Glaubensartikel und ein Lifestyle_Accessoire.“ (Seite
12)
1968 und Westberlin – diese Kombination geistert immer
wieder durch politische Debatten, sei es, weil konservative und neurechte
Kreise Sittenverfall und Kulturverlust daran festmachen oder mal wieder, wie
jüngst aus der CSU zu hören ist, eine konservativ-moralische Wende fordern, die
sich am (vermeintlichen) Erbe der 68er abarbeiten soll.
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums wird gern
ein sehnsuchtsvoller Blick zurückgeworfen, auf eine wilde Zeit, die so viele
gesellschaftliche Gewissheiten gebrochen und so vieles ermöglichte. Junge
Menschen interessierten und engagierten sich, es wurde debattiert und
theoretische Konstrukte als Zugang zur Welterklärung standen hoch im Kurs. Ohne
diese Vorgeschichte als Bestandteil der eigenen Biografie im Gepäck ist manche
Diskussion mit so geprägten Alt-Linken recht anstrengend. Das Gefühl nicht
mitreden zu können, ohne noch einmal viele Jahre des Textstudiums absolviert zu
haben, macht sich da schnell breit.
Ich kenne das Gefühl gut und habe immer wieder versucht in
Texten und Gesprächen einen Eindruck davon zu erhalten, was dieses 1968 denn
nun war – und was uns davon geblieben ist und vielleicht auch weiterhin bleiben
wird. Und auch, wie auf die theorie- und diskussionsfreudigen Spätsechziger und
Siebziger dann die hedonistischen Achtziger und Neunziger folgen konnten. Mit
Felschs Arbeit über den Merve Verlag fand sich für mich ein weiterer
Mosaikstein zum besseren Verständnis – ganz abgesehen davon, dass es für mich
eines der besten Sachbücher ist, das ich im letzten Jahr gelesen habe.
„Dieses Buch erzählt von Peter Gentes Bildungserlebnissen,
von den Irrfahrten des Merve-Kollektivs und von den Entdeckungen des
Verlegerpaares. Es folgt der Spur ihrer Lektüren, ihrer Debatten und
Lieblingsbücher – aber es dringt nicht ins Innere der Bleiwüsten ein.“ (Seite
19)
Dafür liefert der Text eine atmosphärische Ahnung vom linken
Westberlin im Umfeld des Merve Verlages und viele Theorie-Zipfel, die anregen,
um daran zu zupfen und manches nachträglich zu entdecken. Felsch schafft es
fesselnd zu erzählen und ließ wenigstens mich nicht erschlagen von all den
großen Namen zurück, wie es Berichte dieser Art sonst gern so an sich haben.
Spannend – und für mich nach wie vor offen – ist noch die
Frage, wie es passieren konnte, dass trotz so viel Lust am Denken und
theoretischer Durchdringung der Welt am Ende so wenig Gegenwehr gegen das
Aufkommen des Neoliberalismus erfolgte. Wie wurde es möglich Die Grünen, die
sich selbst als Partei ja am deutlichsten in der Tradition von 1968 sehen,
vorrangig als grün angestrichene Neoliberale wahrzunehmen?
Ich hoffe sehr, dass es gerade in diesem Jahr – mit 50
Jahren Abstand – viele Publikationen geben wird, die hier weitere Hinweise und
Erkenntnisse liefern können. Felschs Buch wird dabei ganz sicher eine der ganz
wichtigen Arbeiten bleiben, gerade weil sie in der Lage ist, weit über den
wissenschaftlichen Kreis hinaus zu wirken. Immerhin gibt es, kein Scherz,
inzwischen eine Verfilmung, an der auch Philipp Felsch mitwirkte.
Kurz: Auch Sachbücher können gut geschrieben und trotzdem
informativ sein. Philipp Felsch liefert dafür ein mehr als überzeugendes
Beispiel. Lesen! ^^
Donnerstag, 4. Januar 2018
James Wood: Die Kunst des Erzählens
Leser und Kritiker James Wood macht sich Gedanken über das Erzählen, wie es funktioniert und wirkt, und warum Literatur uns so packen kann.
Ok, ich bin gespannt, ob mich das packt. ;)
#lesewinter #sachbuch #jameswood #rowohlt #rororo #danielkehlmann #literatur #erzählen #schreiben #lesen #leselust
Mittwoch, 3. Januar 2018
Vernor Vinge: Das Ende des Regenbogens
2025 gibt es kaum noch Bücher, als der berühmte Poet Robert Gu nach zwanzig Jahren wieder erwacht. Die Alzheimer Krankheit hat er überstanden und mit seinen 75 Jahren sieht er doch knackig jung aus. Willkommen in der Zukunft also.
Ich bin gespannt auf diese Version des Digitalen Zeitalters. ;)
#lesewinter #roman #vernorvinge #crosscult #scifi #zukunft #thriller #sciencefiction #digital #future #hugoaward #locusaward #indiebook #lesen #leselust #literatur
Dienstag, 2. Januar 2018
Marcello Quintanilho: Tungstênio
Krimi, Spannung, Brasilien - ähem, geht klar, oder? ;)
"Durch einen scheinbar unbedeutenden Zwischenfall an der Küste v von Salvador de Bahia kreuzen sich die Wege von vier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Caju, schlitzohriger Kleindealer, Seu Ney, autoritärer Ex-Militär, Richard, abgebrühter Undercover-Polizist und Keira, die versucht, aus ihrer gewalttätigen Beziehung zu entkommen. Sie alle vereint vor allem eines: Sie sind Getriebene, deren Vergangenheit immer wieder droht, sie einzuholen, und für die Stillstand den Untergang bedeutet." (Umschlagtext)
Da kann es doch wegen mir heute ruhig draußen noch so grau bleiben. ;)
#lesewinter #comic #marcelloquintanilha #avantverlag #brasilien #salvadordebahia #krimi #strand #spannung #lesen #leselust #comics #indiecomic #indiebook
Abonnieren
Posts (Atom)