Mittwoch, 27. März 2019

Ulrich Holbein: Knallmasse



"Es knallt und zischt. Roboter Knallmasse lebt mit seinesgleichen im Staat des Dröhnens DeziBel, wo man das Klobige, Harte schätzt und das Weiche, Runde verabscheut. Als sich jedoch durch einen Sportunfall seine Weltsicht verkehrt und er dem Organischen plötzlich zugetan ist, hat er seinen Platz in seinem bisherigen Lebensraum verwirkt. Der Staatsapparat macht unerbittlich Jagd auf den Abweichler. Mit zwei menschenähnlichen Wulwiletten gelingt Knallmasse die Flucht ins kunterbunte Weltall, wo ein Abenteuer kosmischen Ausmaßes auf sie wartet." (Umschlagtext)

Das klingt doch ganz wunderbar abgedreht.  Der Roman wurde vom homunculus verlag vollständig überarbeitet als Neuausgabe veröffentlicht. Umschlaggestaltung und Illustrationen besorgte der Autor Ulrich Holbein praktischerweise gleich selbst.

So, das ist es, mein Fundstück von der Leipziger Buchmesse 2019 - von unserer Indieverlagsentdeckung für dieses Jahr. 

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Montag, 25. März 2019

Rachel Cusk: In Transit



"Die Wohnung eine Baustelle, die Kinder orientierungslos, sie selbst völlig überfordert - so sieht das Leben der frisch geschiedenen Schriftstellerin Faye aus. Sie ist zurück in London, aber angekommen ist sie lange nicht ..." (Umschlagtext)

Die Buchhändlerin meines Vertrauens sagt: Vertrau mir, das lohnt sich und wird dir gefallen.

Ok, ich vertraue. 🤓👍

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Sonntag, 24. März 2019

Leipziger Buchmesse 2019, Nachlese




Und schon wieder vorbei. *seufz* Aber zum Glück dauert es ja nur ein Jahr und schon ist wieder #lbm. 😉

Also hier ein wenig Nachlese, damit ich selbst nicht vergesse, was für uns dieses Jahr so die Highlights waren. ^^

Wie schon in den Vorjahren schauten wir zwar in alle Hallen, blieben dann aber doch hauptsächlich in Halle 1 (volle Mangapower) und vor allem in Halle bei den unabhängigen Verlagen hängen. Und ehrlich, die Kaffeebar der Unabhängigen ist einfach der beste Platz, um auszuschwärmen und wieder zusammenzukommen, zur Verabredung mit Leuten, die man schon immer mal treffen wollte, oder die man leider nur einmal im Jahr sieht.

Die erste Runde durch die Hallen war denn auch dem „Hey, ihr mal wieder. Wie schön euch zu sehen!“ gewidmet. Obwohl ich ja nun wirklich nicht im Ruf stehe, nicht auch mal gern anzugeben, spare ich mir hier die Aufzählung von Namen. Aber dass es sich von Jahr zu Jahr mehr wie ein Familientreffen anfühlt – also von der guten Sorte – das sag ich schon. 😊

Dieses Jahr waren wir ja nicht erst zum Wochenende da sondern gleich an den ersten beiden Messetagen. Voll war es natürlich trotzdem; aber etwas mehr Platz zum Schlendern war dann doch. Das hat das Bummeln doch etwas entspannt. Andererseits sind die Gespräche, die man so am vierten Messetag führen kann auch eine echt witzige Angelegenheit, wenn alle schon so herrlich halb in den Seilen hängen. ^^

Richtig spannend gerieten einige Gespräche mit Verleger*innen, in denen wir etwas mehr hinter die jeweiligen Kulissen schauen durften. Da waren natürlich solche Geschichten dabei, die mein als Leser romantisch verklärtes Bild vom Verlagswesen bestätigen, wenn die Verlegerin erzählt, wie sie einen Text von nur vier Seiten fand und sich sofort ganz sicher war, dass sie das Buch, zu dem sie gehörten, unbedingt verlegen will. Und da stand es dann auch, ganz druckfrisch, im Messeregal.

Aber auch Gespräche zu der Frage, wie ein kleiner, unabhängiger Verlag eigentlich kalkulieren muss, von Programm zu Programm und wann ein Buch dann wirklich als so unverkäuflich gelten muss, dass es sich nicht mehr lohnt, die Restauflage weiter lieferbar zu halten – doch, doch, das war wirklich spannend.

Zumal solche Gespräche natürlich mit den Menschen in Halle 5 leichter möglich sind als an den Ständen der großen Publikumsverlage. Bei denen reicht mir immer öfter, dass ich ihre Veröffentlichungen ja eben auch in den meisten Buchläden finde, so dass ich an den großen Ständen meist eher nicht die Hingucker finde.

Für echte Entdeckungen landen wir so dann doch wieder in Halle 5 bei den Unabhängigen. Dieses Mal folgten wir einer Empfehlung von inzwischen altbekannten Verleger*innen, um einen neuen Verlag zu entdecken. So landeten wir beim homunculus verlag aus Erlangen. Vier junge Männer haben den Verlag 2015 gegründet und führen ihn auch gemeinsam.

Im Programm finden sich wiederentdeckte aber auch zeitgenössische Belletristik, selbstentwickelte Brettspiele (eine coole Mischung, finde ich) aber auch Kalender. Auf einen der angekündigten Kalender sind wir denn auch schon sehr gespannt. 2020 wird es den Literarischen Schweinekalender geben – für alle, die nach Instagram und Co. die Katzen über haben. ^^

Für die sympathische Führung durchs Programm und die Vorstellung des Verlags sagen wir Danke und drohen hiermit schon mal an: Wir kommen wieder! 😊 Und vielleicht sollten wir ja das „Indies empfehlen Indies“ für uns zum Programm erhaben und schauen, an welchen Stand uns das im nächsten Jahr führen könnte.

In Halle 1 – der knallbunten und quietschelauten Mangawelt – sind die Verlagsstände zumindest gefühlt wieder etwas größer. Und beachtlich ist auch da, wie viele Kleinstverlage sich finden, die für die reinen Zeichner*innentische zu groß aber für die etablierten Publikumsverlage noch zu klein sind. Wenn ich mal unterstelle, dass es nicht nur mehr und mehr Leute zu geben scheint, die gern Bücher machen wollen, sondern eben auch Leser*innen auf der anderen Seite, dann mag ich die immerwährende Klage, dass immer weniger Leute lesen würden, nicht mehr so gern hören. ^^

Kurz und gut: Ein Leben ohne #lbm ist möglich – aber wer sollte das wollen? Nächstes Jahr im März: Leipzg! 😉

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Samstag, 23. März 2019

Leipziger Buchmesse 2019, zweiter Tag vorbei




Puh, zwei Tage voll harter Arbeit, intensivster Gespräche und körperlicher Entbehrungen liegen hinter uns. Selbst das Messemännchen war voll busy. 😱
Darum müssen wir heute mal dringend jetlaggen und so. 🤷‍♂️🤣🤓😂
Aber soviel sei schon mal gesagt: Wer nicht da war, kann leider BKK kocht mitreden. 🤓🤷‍♂️😉

Donnerstag, 21. März 2019

Leipziger Buchmesse 2019, erster Tag



#lbm2019 Check!

Und wir waren sogar fast pünktlich zum Start da. Also für unsere Verhältnisse. 🤷‍♂️ Dieses Jahr beginne ich hier mal mit einem ganz grundsätzlichen Post. (Jetzt das Foto in den Blick nehmen!) 🤓🤩

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Mittwoch, 20. März 2019

Leipzig - wir kommen! :)



Huh, morgen geht es los und ich freue mich schon riesig darauf - wie jedes Jahr. Wen von euch sehen wir in Leipzig? 🤓🤩👋

Und ja, das ist ein Angeberpost! 🤷‍♂️😂🤣

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Dienstag, 19. März 2019

Shumona Sinha: Staatenlos



„Sie kam an einem Morgen zu Frühlingsbeginn hier an. Die Bäume waren noch kahl. Bis auf die Trauerweiden.“ (Seite 7)

In diesem Roman ist nichts kuschelig. Beim Lesen rutschte ich unwillkürlich, unbehaglich berührt auf dem weichen, bequemen Sofa hin und her. Denn in der Welt, die Shumona Sinha hier schildert, stimmt so vieles nicht. Und es ist genau unsere Welt, die sie beschreibt. Die Welt, in der wir leben.

Mina lebt in einem Dorf in Bengalen in einer Bauernfamilie. Ihr Leben ist hart und läuft in traditionellen Bahnen. Das bedeutet, es ist nicht vorgesehen, dass Mina oder jemand wie sie sich auflehnt, die Stimme erhebt. Als das Land ihrer Eltern zu Bauland werden soll, macht sie aber genau das – in einer Welt, in der Frauen nichts zu sagen haben, sondern schweigen und erdulden. Als wäre das nicht genug, liebt sie auch noch den falschen Mann und wird schwanger.

Woher nimmt Mina ihren Mut, wo findet sie die Kraft, sich zu widersetzen? Es ist die Begegnung mit Marie, die im fernen Paris lebt, wo sie als Kind aus einem indischen Waisenhaus von einem französischen Ehepaar adoptiert wurde. Obgleich Marie selbst hin und her gerissen ist zwischen den Welten, durch Bildung und Sozialisation befähigt, für ihre Interessen einzustehen und gewappnet mit Wissen, um Zusammenhänge zu erkennen und Ungerechtigkeiten zu benennen, ist ihr Pendeln zwischen Frankreich und Indien eine Suche nach ihren Wurzeln, ihrem Ort, ihre Verwundbarkeit.

Mina muss sie, die starke, toughe Frau aus dem Westen, als ein Wunder erscheinen. Ein Wunder, aus dem sie die Kraft schöpfen kann, sich mit dem Politiker anzulegen, der über den Kopf ihrer Familie hinweg über das Schicksal dieser Familie entscheiden will. Die Kraft, an der Liebe zu ihrem Cousin und den Folgen dieser Liebe nicht zu verzweifeln.

Esha schließlich, die dritte Frau in diesem Roman, kennt Mina von deren Posts im Internet und stammt selbst aus Kalkutta. Aus einer wohlhabenden Familie stammend hatte sie die Wahl, sich für ein Leben in Paris zu entscheiden, wo sie Jugendliche in einem Problemviertel unterrichtet. Doch hier, im freien Westen, ziehen sich die Fesseln ihrer Herkunft immer fester um ihr selbstbestimmtes Leben und rauben ihr zusehends die Luft zum Atmen.

Mit gerade einmal 159 Seiten in der gebundenen Ausgabe ist der Roman nicht sonderlich lang geraten. Und doch hat mich die Intensität der Schilderungen von Verzweiflung und auch Gewalt ziemlich mitgenommen. Die Bedingungen, unter denen Frauen leben, die Frage von Heimat und Wurzeln oder der Möglichkeit Anzukommen und Wurzeln zu schlagen, wenn man an diesem Bild festhalten mag – so viele Realitäten, die so verschieden sind von meiner eigenen, wohnen nur eine Tür weiter.

Wie ich erst im Nachhinein las, verlor Shumona Sinha ihren Job bei der französischen Migrationsbehörde nach dem Erscheinen ihres ersten Romans. Selbst ohne viel mehr über sie nachgelesen zu haben, kann ich mir auch anhand der Intensität dieses dritten Romans vorstellen, dass sie als Autorin aneckt. Das macht ja aber die Entdeckung von Literatur auch immer wieder aus.

Kurz und gut: Hart, prägnant und intensiv. Eine Lektüre, die sich für mich unbedingt gelohnt hat!

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Montag, 18. März 2019

Thomas E. Goes/ Violetta Bock: Ein unanständiges Angebot? Mit linkem Populismus gegen Eliten und Rechte



"Sarah Wagenknecht versucht es, Bernie Sanders und die Partei Podemos in Spanien machten es vor: Linker Populismus, der die unteren Volksklassen in eine Bewegung gegen die Eliten einzubinden versucht, hat Konjunktur. Dagegen wenden sich linke Kritiker/innen." (Umschlagtext)

Die Autoren unternehmen den Versuch, einen fortschrittlichen Linkspopulismus zu begründen. Ich gebe gern zu, dass ich da eher skeptisch ob der behaupteten Notwendigkeit bin. Aber ich bin auch neugierig, wie sie ihre Position begründen.

Spannend ist dabei die folgende parallele Lektüre von Jan-Werner Müller (Was ist Populismus? Berlin, 2016). 

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Sonntag, 17. März 2019

Stephen King / Owen King: Sleeping Beauties



"Eine mysteriöse Schlafepidemie stürzt die Menschheit weltweit ins Chaos. An einem einzigen Tag sind alle Frauen - und nur die Frauen - davon befallen. Und wehe, sie werden wieder geweckt!" (Umschlagtext)

Regnerischer Sonntag, da gibt's doch was von King.😱🤓

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Dienstag, 12. März 2019

Marcello Quintanilha: Tungstênio



„Nein, nein, wartet … ich erzähl euch, wie das ist …“ (Seite 5)

Ein sonnig-heißer Tag am Strand von Salvador de Bahia – in Sichtweite der Strandbar liegt eine kleine Felsenfestung über dem Meer. Auf einem Boot vor der Küste fischen zwei schräge Typen mit Dynamit. BÄMM!!!

Die Explosionen im Wasser bringen Bewegung in die vor Hitze träge Szenerie. An der Strandbar trinkt der Undercover-Polizist Richard und sprintet alarmiert mit gezogener Waffe in Richtung des Krawalls. Auf der Festung wird das Sinnieren des alternden Ex-Militärs Seu Ney durch den Krach jäh unterbrochen. Sein Gerechtigkeitsempfinden ist empfindlich gestört, während der Dealer Caju, mit dem er im Schatten eines Baumes spricht, das lieber ignorieren möchte, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Keira schließlich, die dabei ist, sich von ihrem gewalttätigen Mann zu trennen, spricht mit einer Freundin über diesen schweren Schritt in einem Bus, der auch sie in die Nähe des kleinen Küstenabschnitts bringen wird, um den sich die ganze Geschichte dreht.

Wo andere in malerischem Ambiente Urlaub machen, spielt halt eben auch das normale Leben. In diesem Fall das Leben von ein paar echt verkorksten Leuten, die alle immer wieder heimgesucht werden von Szenen aus ihrer Vergangenheit. Die sind perfekt zwischen den Fortgang der auf einen engen Raum und nur einen Tag konzentrierten Ereignisse eingefügt, die Quintanilha aus immer wieder wechselnder Perspektive schildert.

Es sind allesamt recht raue Charaktere, und auch ihre Sprache ist rauh. Vor dem Hintergrund der für uns exotischen Kulisse ergibt das eine unterhaltsame und spannende Mischung, da sich erst nach und nach entschlüsselt, wie die Leben der Figuren miteinander verbandelt und verwoben sind.

Quintanilhas Zeichnungen in schwarz-weiß verleihen den Gesichtern etwas Kantig-Markantes und fangen genügend Details der Umgebung ein, um träge Sommerhitze förmlich spüren zu können. Zurecht waren in der Presse hinreichend lobende Besprechungen zu lesen, sag ich mal großkotzig als Leser.

Kurz und gut: Ja, ich weiß, es ist erst März. Aber das ist ein perfektes Buch für den Sommerurlaub. 😉

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Montag, 11. März 2019

Norbert Frei/ Franka Maubach/ Christina Morina/ Maik Tändler: Zur rechten Zeit. Wider die Rückkehr des Nationalismus



"Nationalismus, Rechtspopulismus und Fremdenfeindlichkeit haben Konjunktur. Doch viele der heute verbreiteten Parolen sind alles andere als neu. Sie haben eine Vorgeschichte, die kennen muss, wer ihnen entgegentreten will. Dieses Buch legt Kontinuitäten rechten Denkens und rechter Mobilisierung in Deutschland seit 1945 und 1989/90 frei - und verdeutlicht so, was auf dem Spiel steht: das demokratische Selbstverständnis und die liberale politische Kultur der Bundesrepublik." (Umschlagtext)

Ein Auszug aus dem Buch in den "Blättern für deutsche und internationale Politik" machte mich aufmerksam und neugierig auf diese Neuerscheinung. Und eine hoffentlich brauchbare historische Studie hat noch nie geschadet. ^^

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Sonntag, 10. März 2019

Goran Vojnović: Vaters Land



„Meine Kindheit endete unversehens an einem ganz gewöhnlichen Frühsommertag des Jahres 1991.“ (Seite 5)

Der elfjährige Vladan freut sich unbändig auf die Sommerferien und auf das Meer. Doch von einem Tag auf den anderen muss die Familie plötzlich ins Landesinnere umziehen. Mehr, als dass dies mit der Arbeit seines Vaters zu tun hat, der Offizier in der jugoslawischen Volksarmee ist, weiß der Junge, der hier seine Geschichte erzählt, lange Zeit nicht.

Er findet sich wieder auf einer Reise durch verschiedene Städte, zunächst in Serbien und schließlich in Slowenien. Während es anfangs darum geht, die Offiziersfamilie in Sicherheit vor möglichen Übergriffen zu bringen, entfremdet sich der eigentlich nur noch abwesende Vater zusehends von seiner Frau. Die zieht sich immer mehr in sich zurück, sodass der doppelt verlassene Vladan um die Aufmerksamkeit seiner Mutter ringt und zugleich mit der verblassenden Erinnerung an einen liebevollen Vater, der seine Familie für seinen Dienst in der Armee verließ.

Die Reise durch das durch Krieg zerbrochene Land endet vorerst in Slowenien. Hier wuchs Vladans Mutter auf, hier leben noch ihre Eltern. Der Junge wächst auf in einem ihm irgendwie unbekannten Land mit einer Sprache, die er erst erlernen muss. Vom geeinten Jugoslawien, in dem seine Eltern sich fanden und verliebten, ist da schon nichts mehr übrig.

In Ljubljana bleibt seine Mutter ein Schatten für Vladan, der ihre Zurückgezogenheit mit demonstrativer Distanz beantwortet. In einer ihm fremd bleibenden Stadt voller fremder Menschen versucht er sich zu behaupten, wird aber nie das Gefühl los, nirgendwohin zu gehören. Der Vater, so teilt ihm seine Mutter eines Tages mit, sei gestorben. Näheres erfährt der Junge nicht.

Erst viele Jahre später, es muss um 2007 herum sein, stößt Vladan als junger Mann im Internet auf den Namen seines Vaters im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen. Er wird nach wie vor gesucht, muss also noch am Leben sein. Ohne recht zu wissen, was und wen er zu finden hofft, bricht Vladan auf zu einem Roadtrip in die Vergangenheit.

Goran Vojnović, der 1980 in Ljubljana geboren wurde, erzählt die Geschichte auf verschiedenen Ebenen. Erinnerungen an das abrupte Ende der Kindheit, die Jugendjahre in Slowenien und die Suche des jungen Mannes nach dem verschollenen Vater wechseln sich ab mit Szenen, die weiter in die Geschichte seiner Eltern zurückreichen.

Das alles erzählt Vojnović mit einer intensiven, immer wieder bitter-ironischen Sprache und ohne Angst vor zu lang geratenen Sätzen. Das ist nicht immer angenehm zu lesen, auch weil die Stimmung oft so unglaublich trostlos und düster ist. Die sonnendurchflutete Kindheit endete für Vladan im Frühsommer 1991 unwiederbringlich.

Der Text ist ein eindringliches Zeugnis davon, was Kriege, Bürgerkriege mit Menschen anrichten und für die nachkommenden Generationen hinterlassen. Gemessen daran, was alles an Patriotischem, Heroischem zur Rechtfertigung gern erzählt wird, beantwortet sich die Frage ganz von selbst, was solche Gewalt unter Menschen, die eben noch Nachbarn waren, denn rechtfertigen könnte. Aus Vladans Sicht verspielten diese Kriege um die Vergangenheit seine Zukunft.

Angesichts zunehmender rechter und nationalistischer Rhetorik in zu vielen Ländern braucht es neben den politisch notwendigen Antworten auf solches kurzsichtiges Gebaren immer wieder auch Romane wie diesen, die uns nicht nur daran erinnern, wohin das führen kann, sondern auch, was wir damit für die kommenden Generationen verspielen.

Kurz und gut: Das ist keine Bettlektüre, aber lohnenswert für alle, die sich Sorgen um unsere Zukunft machen. Dazu gehört es auch, die jüngste Geschichte nicht aus den Augen zu verlieren.

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