Dienstag, 15. Februar 2022

Natasha A. Kelly: Rassismus. Strukturelle Probleme brauchen strukturelle Lösungen!


"Rassismus ist eine Ideologie, die seit Langem unsere gesamte Gesellschaft durchzieht und ihre Strukturen prägt - in der öffentlichen Debatte wird jedoch meist allein auf der individuellen Ebene nach Lösungen gesucht. Wir müssen aber die strukturelle Dimension des Rassismus verstehen, um erfolgsversprechende Maßnahmen dagegen entwickeln zu können. Natasha A. Kelly setzt mit ihrem grundlegenden Buch nun elementare Impulse für eine längst überfällige Diskussion." (Umschlagtext)

Ein weiterer Band, um am Thema dranzubleiben!

"Die Schwarze deutsche Community weist seit Jahrzehnten darauf hin, dass Rassismus alle Strukturen unserer Gesellschaft durchdringt. In der öffentlichen Debatte wird allerdings noch immer auf einer individuellen Ebene nach einer Patentlösung gesucht. Doch erst wenn wir die strukturelle Dimension des Rassismus verstehen, können wir erfolgsversprechende Maßnahmen dagegen entwickeln, denn strukturelle Probleme brauchen strukturelle Lösungen. Die promovierte Kommunikationssoziologin und akademische Aktivistin Natasha A. Kelly schafft mit ihrem Buch eine längst überfällige Grundlage für den informierten Dialog über Rassismus. Anhand von konkreten Beispielen aus der aktuellen Debatte zeigt sie, wo die Strukturen des Rassismus verlaufen - und setzt selbst elementare Impulse für die Diskussion." (Verlagstext)

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Mittwoch, 9. Februar 2022

Roberto Bolaño: Chilenisches Nachtstück


"Eine packende Erzählung und eine brillante Meditation: die Geschichte eines Mannes, der bei allem dabei war und von nichts gewusst hat. Der Mitläufer, der in Chile die Kirchen von den Tauben befreien wollte und Pinochet das 'Kommunistische Manifest' erklärte." (Umschlagtext)

Seit mir "2666" in die Hände fiel, komme ich immer wieder einmal auf diesen Autor zurück. Ist doch spannend, wie sich Beziehungen so entwickeln. 🤓

"Das 'Chilenische Nachtstück' ist ein radikaler Gegenentwurf zu Roberto Bolaños eigenem Leben. Während Bolaño unter Pinochet ins Exil geht und dort zu einem weltliterarischen Autor reift, kann sich sein Protagonist Sebastian Urrutia Lacroix nicht von Chile lösen. Er ist Literaturkritiker, versteht sich als Künstler, ist aber auch Priester. Er liegt im Sterben und versucht in einer großen Suada, sein Leben zu rechtfertigen.

Und dieses Leben hat es in sich: es gibt homoerotische Neigungen, omanzen und Literaturpäpste; um Pinochet und seine Generäle zu erleuchten, diskutiert er mit ihnen Marx. Während sich draußen die Demonstranten gegen Pinochet versammeln, liest er griechische Tragödien. Als der Militärputsch erfolgt und Allende tot ist, hält er kurz inne, 'einen Finger zwischen den Seiten des Buchs, das ich las, und dachte: Welch ein Frieden.'" (Verlagstext)

Montag, 7. Februar 2022

Tupoka Ogette: exit RACISM. rassismuskritisch denken lernen


„Es ist ein Sommertag Mitte der Achtzigerjahre. Der Spielplatz – Steinplatz genannt – liegt vor mir.“ (Seite 13)

 

Die fünfjährige Tupoka spielt allein im Sand als ein erwachsener Mann die Aufmerksamkeit mit einer unflätigen Bemerkung auf sie lenkt. Hilflos sitzt sie wie versteinert da und kann nur nur noch daran denken, dass sie ja tatsächlich Schwarz ist und folgerichtig stinken muss. Warum sonst sollte der Mann so etwas behaupten? Mit dieser kurzen, aber nicht weniger eindringlichen Sequenz aus ihrer persönlichen Erinnerung beginnt dieses wichtige Buch.

 

Der Band fällt mit knapp 130 Seiten schmal aus und ist im Grunde ein Workshop für uns Almans/Kartoffeln zum Selbstlesen. Dem folgen der Aufbau und die Fragen an die Lesenden zum Reflektieren.

 

Spätestens seit Black Lives Matter ist auch hierzulande die Debatte um strukturellen Rassismus in der Gesellschaft angekommen. Vor dem Hintergrund des seit Jahren erstarkenden Rechtspopulismus kann es uns allen gemeinsam nur guttun, diese durchaus schmerzhafte Diskussion und die damit verbundenen Erkenntnisse auszuhalten und für ein toleranteres Miteinander nutzbar zu machen.

 

Tupoka Ogette gelingt eine Mischung aus komprimierten Sachinformationen, in die persönliche Sichtweisen und Erfahrungen der Autorin eingebettet sind. Ihr Ziel ist es nicht, dass alle weißen Menschen sich möglichst schlecht fühlen. Vielmehr lädt sie zu einem Perspektivwechsel ein, der sehr anschaulich macht, worüber alles ein weißer Mensch in Deutschland nie nachzudenken braucht – im Gegensatz zu Schwarzen Menschen, von klein auf, wie die Geschichte der jungen Tupoka im Sandkasten zeugt.

 

Diese Welt, die darauf ausgerichtet ist, weiße Menschen systematisch ebenso zu bevorzugen wie Schwarze Menschen zu benachteiligen, diese Welt nennt Ogette Happyland. Und nach dem Auffächern der verschiedensten Facetten und Lebensbereiche, in denen das Happyland wirkt, bleibt unweigerlich ein bitterer Beigeschmack mit Blick auf die eigenen Privilegien.

 

Das Buch ist aber genau deswegen so wichtig, weil es hier nicht stehenbleibt, sondern ausdrücklich auf die Unterschiede zwischen Rassismus und Diskriminierung aufgrund von Klasse, Geschlecht etc. hinweist – um zum gemeinsamen Nachdenken und Verändern einzuladen.

 

Im gesellschaftlichen Diskurs taucht seit einer Weile vermehrt diese argumentative Figur auf, die eine lautstarke Zuspitzung der Rassismusdebatte in Deutschland beklagt, obwohl wir doch seit 1945 so geläutert seien. Und schwupps fühlt man sich selbst als Opfer einer angeblich übertriebenen Debatte. Täter-Opfer-umkehr vom Feinsten, willkommen in genau dem Happyland, welches das Buch beschreibt.

 

Diesem Band kann ich nur noch möglichst viele Auflagen und weiterhin viel Aufmerksamkeit wünschen – und Leser:innen, ob sie sich erstmalig informieren wollen oder das Thema und die Debatten schon länger verfolgen.

 

Kurz und gut: Lesen! Und dann raus ins Leben mit offenen Augen und weitem Herzen!

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Sonntag, 6. Februar 2022

Fiston Mwanza Mujila: Tram 83


(Übersetzung: Katharina Meyer/ Lena Müller)

 

„Im Anfang war der Stein, und der Stein schuf den Besitz und der Besitz den Rausch, und im Rausch kamen Menschen jedweder Gestalt, die schlugen Bahntrassen in den Fels, fertigten ein Leben aus Palmwein und entfachten zwischen Markt und Minen ein System.“ (Seite 7)

 

Es ist schon wieder eine ganze Weile her, dass ich diesen Roman gelesen habe. Um mich einzustimmen, weil ich dann doch wenigstens ein paar Gedanken aufschreiben möchte, lasse ich Musik von John Coltrane laufen, ganz wie es der Umschlagtext quasi empfiehlt.

 

Mujila erzählt die Geschichte zweier Freunde, die sich in einer schier unmöglichen, chaotischen, korrumpierten und korrumpierenden afrikanischen Metropole wiedertreffen. Der eine ist ein nicht sonderlich erfolgreicher Schriftsteller, der andere schlicht ein Gauner. Zentraler Ort des Romans und dessen Namensgeber ist der Nachtclub Tram 83, der einzige der Großstadt. Und so treffen sich hier alle, die Guten und die Bösen, die Gutwilligen und die Bösartigeren, Halunken und ehrliche Gesellen, Prostituierte, Arbeiter …

 

Es entspinnt sich ein Kaleidoskop an Facetten des Lebens in dieser unmöglichen Stadt, in der offenbar kaum ein sinnvolles Leben möglich scheint – wenigstens nach unseren wohlgeordneten westlichen Maßstäben. Das Tram 83 scheint etwas wie eine exterritoriale Zone zu sein, auch wenn hier Hass und Leidenschaften durchaus auch einmal durchschlagen.

 

Bei diesem Roman ging es mir wie bei Musik so oft. Ich hab auf den Sound geachtet, der mich auch mitschwingen ließ, aber der Text entzog sich doch meiner Aufmerksamkeit. Oder anders formuliert, ich kann kaum wiedergeben, was die Geschichte des Romans eigentlich ist. Aber der Rhythmus, der Sound von Mujilas Sprache war eindringlich.

 

Ich vermute mal, dass ich den Text im für mich falschen Moment gelesen habe. Vielleicht doch etwas zu unaufmerksam. Mir fiel das schon bei der Lektüre auf und ich kenne das durchaus auch von anderen Büchern. Da bleiben eigentlich nur zwei Entscheidungen: Entweder weglegen und nach einer Weile neu beginnen. Oder, und dafür hatte ich mich hier entschieden, weiterlesen.

 

Was ich sicher sagen kann, ist, dass Fiston Mwanza Mujila schreiben kann. Ihm gelingt es ein Tempo, einen Sound anzuschlagen, der diese Metropole und die Nächte im Tram 83 buchstäblich spürbar macht. Vielleicht bin ich als Leser manchmal auch zu sehr handlungsfixiert und mir verpasste so den Einstieg in die Handlung der Geschichte. Genossen habe ich diese Lesereise dennoch. Und darum wollte ich auch dennoch ein paar Zeilen dazu tippen.

 

Kurz und gut: Fiston Mwanza Mujila kommt für mich auf die Liste: Muss ich noch einmal lesen. Ein „Lesen!“ gibt es trotzdem jetzt schon. So! ;)

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Samstag, 5. Februar 2022

David Graeber/ David Wengrow: Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit


"David Graeber und David Wengrow blicken auf die vergangenen 30000 Jahre zurück und revolutionieren unser Verständnis der Menschheitsgeschichte von Grund auf - mit Folgen bis in unsere Gegenwart und für unsere Zukunft. Spektakuläre archäologische Funde eröffnen ein so bisher noch nie gezeichnete Panorama, wie menschliche Zivilisationen entstanden sein könnten. Beeindruckend entlarven sie die konventionelle Menschheitsgeschichte: Dass Ackerbau und Städtegründungen zu Hierarchien, Gewalt und Ungleichheit geführt hätten, halten sie für grundlegend falsch. Die 'Anfänge' der Geschichte der Menschheit müssen wir ganz anders und neu zu denken wagen." (Umschlagtext)

Ausgehend vom Hier und Jetzt fällt es schwer, sich Zukunft anders den als Dystopie vorzustellen. Ließe sich die Geschichte der Menschheit von Anfang her anders erzählen, böte die vielleicht auch mehr Lust auf Zukunft und Futter für Utopien? Da hab ich gerade wirklich Bock drauf, ganz ernsthaft! 🤓

"David Graber, der bedeutendste Anthropologe unserer Zeit, und David Wengrow, einer der weltweit führenden Archäologen, entfalten in ihrer großen Menschheitsgeschichte, wie sich die Anfänge unserer Zivilisation mit der Zukunft der Menschheit neu denken und verbinden lässt. Sie revidieren unser bisheriges Menschenbild und entfalten die Menschhheitsgeschichte, wie sie noch nie erzählt wurde. Über Jahrtausende hinweg, lange vor der Aufklärung, wurde schon jede erdenkliche Form sozialer Organisation erfunden und nach Freiheit, Wissen und Glück gestrebt. Graeber und Wengrow zeigen, wie stark die indigene Perspektive das westliche Denken beeinflusst hat und wie wichtig ihre Rückgewinnung ist. Lebendig und überzeugend ermuntern sie uns, mutiger und entschiedener für eine andere Zukunft der Menschheit einzutreten und sie durch unser Handeln zu verändern." (Klappentext)

(Übersetzung: Henning Dedekind, Helmut Dierlamm, Andreas Thomsen)

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