Mittwoch, 21. Februar 2024

Carel van Schaik/ Kai Michel: Mensch sein. Von der Evolution für die Zukunft lernen


„Endlich das Leben verstehen!

Etwas stimmt mit dem Leben nicht. Jeder kennt das Gefühl. Depressionen und Angststörungen grassieren. Krisen, Kriege und Katastrophen dominieren die Nachrichten. Die längste Zeit redete die Kirche uns ein, es läge an der menschlichen Sündhaftigkeit. Heute hält uns eine ganze Ratgeberindustrie auf der Anklagebank und verordnet Selbstoptimierung, Achtsamkeit und Resilienztraining. Höchste Zeit für eine evolutionäre Aufklärung. Wir sind nicht schuld. Wie müssen uns nur endlich selbst verstehen!

Der Anthropologe Carel van Schaik und der Historiker Kai Michel erklären, wie es dazu kam, dass wir eine Existenz im Ausnahmezustand führen. Sie räumen mit Missverständnissen über die Evolution und die menschliche Natur auf und zeigen, welche Macht die Kultur über uns besitzt. Die Bestsellerautoren liefern das Wissen, um die Welt so zu gestalten, dass in Zukunft wirkliches Menschsein möglich ist.“ (Umschlagtext)

Witzigerweise ließen mich Umschlag- und Klappentext erstmal etwas ratlos zurück und erst das Lesen der ersten Seiten machte mich dann wirklich auf dieses Buch neugierig. Die Werbetexte blieben dann doch erstmal zu sehr im Ungefähren, für meinen Geschmack.

Der Ansatz zu fragen, was eigentlich genau dahintersteckt, wenn wir uns heute angesichts multipler Krisen nicht nur als Mensch sondern auch als Menschheit irgendwie überfordert fühlen, klingt ja erstmal interessant fundamental. Spannend wird es hoffentlich, wenn einerseits uns individuell innewohnende Anlagen und Funktionsmechanismen untersucht werden und andererseits, wie Kulturen, die wir als Menschheit selbst geschaffen haben, sich auf unser Denken und Handeln auswirken. Was ist nun wirklich „natürlich“ in uns angelegt und was erlernbar und damit auch verlernbar?

Ich bin gespannt auf die Lektüre. 😉

„Unsere Normalität ist alles andere als normal. Erstmals ist es heute dank aktueller Erkenntnisse aus Evolutionärer Anthropologie, Primatologie, Archäologie und Genetik möglich, auf wissenschaftlicher Basis zu erklären, was mit dem Menschsein schiefläuft.

Carel van Schaik und Kai Michel liefern fundierte Einblicke in die Tiefen der menschlichen Evolution und die Eigenarten unserer Kultur. Sie präsentieren ein überzeugendes Konzept zum Verständnis der Schwierigkeiten, mit denen wir uns alle in unserem Alltag herumschlagen. Sie enthüllen aber auch die Kräfte, die unsere Gesellschaft bedrohen und den Planeten an den Rand des Abgrunds treiben.

‚Mensch sein‘ ist ein leidenschaftliches Plädoyer für Gerechtigkeit und evolutionäre Aufklärung, ein Entwurf für unsere Zukunft und dringend notwendiger Kompass in Zeiten des Umbruchs. Wir müssen unsere ganze Geschichte kennen, um uns endlich selbst zu verstehen und die Welt menschenwürdiger zu gestalten.“ (Klappentext)

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Montag, 19. Februar 2024

Ulrike Sterblich: The German Girl


„New York City in den Sechzigern: die Stadt, die niemals schläft, denn wofür gibt es Pillen. Und mittendrin ein Mädchen aus West-Berlin.

Mona ist jung, hübsch und gerade nach New York gezogen, um Karriere zu machen. Doch die Stadt hat nicht auf sie gewartet. Dafür lernt sie gleich zwei Männer kennen: den Ostküsten-Aristokraten Sidney und Adam, einen schwarz gelockten Bohemien. Hin- und hergerissen lässt sich Mona durch eine Welt treiben, die der aus Berlin vor den Nazis geflohene ‚Dr. Feelgood‘ Max Jacobson mit seinen ‚Vitaminspritzen‘ versorgt.
Und so webt sich ein zweiter Faden in die Geschichte: Ein prominenter Patient von Dr. Feelgood liegt eines Tages tot in seiner Wohnung. Ein Gerichtsmediziner beginnt zu recherchieren. Aufzudecken gibt es einiges – und es betrifft Namen bis hoch ins Weiße Haus …“ (Umschlagtext)

Jaja, ich weiß ja, das ist nicht der aktuelle Roman von Ulrike Sterblich. Aber ich mag meinen antizyklischen Bücherkonsum. 😉

Zeitreise mit Glamour, Glitzer und Thrill dazu – da konnte ich nicht nein sagen. Und das Cover find ich ja mal echt gelungen.

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Sonntag, 18. Februar 2024

Juliane Stückrad: Die Unmutigen, die Mutigen. Feldforschung in der Mitte Deutschlands


„Ich durchwühle die vollgestopften Schränke in meinem Arbeitszimmer.“ (Seite 12)

Mal wieder hat mich eine Lesereise nach Ostdeutschland geführt. Allerdings fiel sie dieses Mal deutlich gegenwärtiger, lebensalltäglicher und weniger abstrakt aus, als es sonst der Fall war. Dieses Buch schaut ins Hier und Heute, befragt und beobachtet Menschen an ihren sehr konkreten Orten und entdeckt viel Unmut aber auch Mutmachendes, wenn ich den Titel mal leicht variiert übersetzen darf. 😊

Stückrads Text las ich kurze Zeit nach Dirk Oschmanns vielbesprochenem Buch über den Osten. Letzteres wollte provozieren, stänkern und motzen, bot für meinen Geschmack aber halt auch nicht wirklich neue Erkenntnisse oder Schlussfolgerungen. Und ja, dazu schulde ich noch ein paar Gedanken, die ich aber in einem der nächsten Posts nachholen will.

Der hier vorliegende Band unterscheidet sich wohltuend von Oschmanns Text und Ansinnen. Und, das sei vielleicht gleich vorweggeschickt, bietet auch dem eingeborenen Ossi in mir ein paar ungeahnte Perspektiven auf Ostdeutschland.

Hier geht es mal nicht um historische Abläufe und deren Deutung, um soziologisch geprägte Perspektiven auf die ostdeutsche Gesellschaft und auch nicht um politische Interpretationen. Juliane Stückrad ist Ethnologin und fand ihren Forschungsgegenstand dort, wo sie aufgewachsen und verwurzelt ist. In dem Band präsentiert sie Ergebnisse ihrer Feldforschungen vorrangig im ländlichen Raum. Ihre Methode ist dabei das teilnehmende Beobachten und Befragen. Dazu gehört aber eben auch, die eigene Position, Beteiligung, Anteilnahme etc. transparent zu machen. Das ergibt insgesamt einen spannenden, persönlichen Bericht.

Natürlich habe auch ich bei dem Fach Ethnologie eher an die Erforschung ferner Völker und deren Rituale gedacht. Dabei liegt es ja eigentlich so nah, diesen spezifischen Blick mal auf das Eigene zu wenden. Zumal, wenn das mit der eigenen Identität als Ostdeutsche ja irgendwie immer noch so schwer fassbar oder beschreibbar erscheint. Aber vielleicht ist das auch nur mein persönlicher Eindruck.

Während Stückrad also ostdeutschen Alltag anhand vieler Beispiele beschreibt, konnte ich gar nicht anders als diese Beschreibungen auch immer in Bezug zu meinen eigenen Erfahrungen und Erinnerungen an den ostdeutschen ländlichen Raum zu setzen.

Und klar kenne ich das, was im ersten Teil des Buches in Sachen Unmut beschrieben wird auch den Ton, in dem Menschen vor Ort das beschreiben. Larmoyantes Meckern, Schimpfen, Rüpeln – Äußerungen des Frustes, der Enttäuschung, der Desillusionierung halt. Sofort habe ich dazu auch Gesichter und Stimmen vor Augen bzw. im Ohr aber auch Sachverhalte, Situationen, Konstellationen, auf die sich diese Äußerungen, Gefühle und Einschätzungen beziehen

Klar lassen sich auch bei soziologisch fundierten Erkenntnissen immer auch Bezüge zum eigenen Erfahrungswissen herstellen. Das Wiedererkennen in Stückrads Text empfand ich aber dennoch einmal anders. Sie beschreibt, wie schwer es ist, sich Menschen und Situationen erst einmal grundsätzlich unvoreingenommen zu stellen. Das habe ich als Einladung empfunden, bei den „Jammerossis“ nicht gleich selbst abzuschalten, sondern mit ihr gemeinsam zuzuhören. Allein dafür gebührt dem Buch und der Autorin schon ein dicker Dank.

Dankbar war ich beim Lesen auch, dass Juliane Stückrad ihrem Gefühl gefolgt ist, nicht beim Unmut stehen zu bleiben, sondern eben auch vom Mut und von den Mutigen zu berichten. Und das ist etwas anderes als das ewige „es war nicht alles schlecht“, sei das nun gerechtfertigt oder auch nicht. Es ermöglicht nämlich die Anerkenntnis, dass auch hier in Ostdeutschland ein Morgen denkbar ist, Leben stattfindet und stattfinden wird und damit auch die Möglichkeit gegeben ist, dass es etwas Gutes entsteht. Es ist, glaube ich, diese Art des Respekts, die ich in all den Debatten und Geschichten rund um den Osten oft vermisse.

Ich meckere ja auch gern über das Meckern der Ossis, das oft Verbohrte oder Kleinkarierte, das Beleidigtsein usw. Stückrad hilft aber mit ihren Beobachtungen, das erstmal respektierend anzunehmen, ohne zugleich gutheißen zu müssen oder ablehnen zu wollen. Und das ist doch mal ein anderer Ausgangspunkt für eine weitere Debatte. Denn dass die noch lange nicht zu Ende ist, ist wohl sicher.

Und bevor ich es vergesse: Ich mag die Gestaltung der Hardcoverbände vom Kanon Verlag schon recht gern, mit dem verkürzten Schutzumschlag. 😉

Kurz und gut: Wie sind sie denn nun, die Ossis? Ich sag mal: Ab in die Regionalbahn oder den Überlandbus, dieses Buch dabei und dann Augen und Ohren auf! Lesen!

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Freitag, 16. Februar 2024

Jasmin Schreiber: Endling


„Artensterben. Abtreibungs- und Verhütungsverbote. Repressalien. Die Welt, in der sich Frauen im Jahr 2041 zurechtfinden müssen, ist eine andere. Zoe ist Biologin und forscht fern der Heimat an Käfern. Als ihre Mutter in die Reha muss, kehrt sie nach Hause zurück, um sich um ihre Teenager-Schwester Hanna und ihre schrullige Tante Auguste zu kümmern, die seit Jahren das Haus nicht mehr verlässt. Doch dann verschwindet Augustes Freundin Sophie, und während sich die Ereignisse überschlagen, lauert in Schweden ein dunkler Wald auf sie.“ (Umschlagtext)

Käferforschung wäre jetzt literarisch wahrscheinlich eher nicht so meins. Mit dem Hinweis auf eine nahe Dystopie und Feminismus hab ich die Leseeinladung zu dieser Leihgabe dann doch interessiert angenommen.

Jetzt muss es der Band nur noch vom Lesestapel zum Lesesessel schaffen, und schon kann ich mehr berichten. 😊

„Zoe ist Biologin und forscht in München an Käfern. Ihre Familie – bestehend aus ihrer Mutter, ihrer Teenager-Schwester Hanna und ihrer Tante Auguste, die ebenfalls Biologin ist – lebt gemeinsam in einem Haus in Frankfurt. Während Hanna und ihre Mutter einige Jahre nach dem Tod des Vaters immer noch damit beschäftigt sind, sich mit dem Verlust zu arrangieren, wurde Auguste davon völlig aus der Bahn geworfen. Sie verkriecht sich immer mehr in ihrer Wohnung, die zunehmend einem Kuriositätenkabinett gleicht. Dort setzt sie ihre Forschungen fort, abgeschnitten von der Außenwelt und nur mit einer Schnecke als Gefährtin – einem Endling, dem letzten Exemplar ihrer Art.
Als ihre Mutter in die Reha muss, kehrt Zoe nach Frankfurt zurück, um sich um Tante und Schwester zu kümmern. Doch schon bei der Ankunft spürt sie die angespannte Atmosphäre im Haus. Die Situation spitzt sich noch stärker zu, als sie plötzlich nichts mehr von Augustes einziger Freundin Sophie hören. Was ist geschehen? Hat sie etwas herausgefunden, das sie in Schwierigkeiten bringt? Und was hat eine Untergrundorganisation, die nur aus Frauen besteht, damit zu tun? Zoe, Hanna und Auguste begeben sich auf eine Suche, die sie nach Italien und Schweden führt. Und in einem Wald, der sie nicht so leicht wieder loslässt.“ (Klappentext)


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Sonntag, 11. Februar 2024

Volker Surmann: Leon Hertz und die Sache mit der Traurigkeit


„Isabel quiekte. Dabei war ich noch gar nicht zu der Sache mit dem Kopf gekommen.“ (Seite 5)

Das waren Zeiten, als mir noch wichtig war, dass ich ja schon fast 14 Jahre alt wäre. Also früher, als Gefühle noch so richtig groß, bedeutend und natürlich noch nie von jemandem zuvor gefühlt worden waren. Als ich so vieles zum ersten Mal erlebte, durchlebte, fühlte, aber noch keine Ahnung hatte, wie wehmütig ich dann auch wenige Jahrzehnte später darauf zurückblicken würde. – Ok ok, genug der Klischees. 😉

Aber das Erschütternde ist ja, dass so ein kleines Stückchen davon sich immer echt anfühlt und fast alle sich darin irgendwie wiedererkennen können. Also spricht auch so gar nichts dagegen, sich schmökernd in eine Geschichte zu stürzen, die für eine deutlich jüngere Zielgruppe geschrieben wurde, und es einfach sehr zu genießen.

Die letzten beiden Lesenächte habe ich mit Leon verbracht. Ich war wirklich hautnah dabei, wie er sein Referat versemmelt und es filmreif gut wiederholte und in der schier endlos langen Zeit dazwischen, in der er zwar immer noch nicht 14 geworden ist aber um so vieles gereifter.

Im Fach Ethik soll sich die 8. Klasse, in die Leon geht, mit dem Tod auseinandersetzen. Das ist starker Tobak für Teenies, denen die eigene Endlichkeit vermutlich gerade erst langsam bewusst wird. Ein Holzkreuz, an dem seit drei Jahren regelmäßig frische Blumen stehen, wird zum Ausgangspunkt von Leons Referat. Es steht auf einer Verkehrsinsel mitten auf einer großen Berliner Straßenkreuzung direkt an auf seinem Schulweg. Das wenige, dass er herausfinden kann, macht sein Referat aus. Ein 23-jähriger Radfahrer wird von einem abbiegenden LKW überfahren und stirbt. Dazu, den Zuhörer:innen vorzurechnen, was es bedeutet, wenn ein vollbeladener LKW über einen Kopf … die Lehrerin bricht das Referat quasi ab, keine Fragen mehr, die Schüler:innen schauen komisch und Leon weiß nichts mehr zu sagen.

Wenn der Unfall schon drei Jahre her ist, wer stellt dann eigentlich und warum immer noch und immer wieder frische Blumen auf? Auf die Frage weiß Leon keine Antwort. Die Frage ist aber der Auftakt zu einer zweiten Chance. Er soll noch einmal recherchieren und das Referat noch einmal halten.

Einigermaßen verzweifelt fragt Leon ausgerechnet Rouven um Hilfe. Der einer der beiden letzten Emos an der Schule und hielt selbst ein Referat über Friedhöfe. Da Leon sonst keine Freunde hat und den stillen Rouven auch vorher eigentlich schon sympathisch fand, spricht er ihn an. Das ist der Anfang einer eigentlich unglaublichen Recherche und einer Freundschaft, bei der sich beide fragen, wieso sie eigentlich erst jetzt entstehen konnte.

Unglaublich ist die Suche nach Antworten nicht, weil der Unfall so außergewöhnlich wäre. Aber sie bringt Leon dazu, herauszufinden, warum genau er eigentlich auf dieses Kreuz aufmerksam wurde, er stellt sich seiner tiefsitzenden Traurigkeit und er kann endlich einmal vor einem anderen weinen, ohne vor Scham im Boden zu versinken.

Wenn wir älter geworden sind, erwachsen, wie es so schön heißt, haben wir allerhand emotionale Zustände schon einmal oder zumindest so ähnlich erlebt. Wir konnten einen Umgang damit finden, also wenn es gut lief. Wir können total gut alles Mögliche vollkommen rational erklären, weil Erwachsene das halt so machen. Kinder haben Fragen, vielleicht auch noch Jugendliche. Aber Erwachsene geben Antworten.

Verrückterweise vergessen wir so unglaublich schnell im Laufe unseres Lebens, wie es war, als wir noch nicht alles erklären konnten und so viel Ungeahntes, noch nie Gefühltes auf uns einstürmte, so dass wir nur den Kopf einziehen konnten. Und dann sollten wir trotzdem noch alles richtig machen.

Während der Recherche zu seinem zweiten Referatsversuch und während Leon und Rouven sich besser kennenlernen und anfreunden, müssen sich beide so manchen ihrer je eigenen Dämonen stellen. Und trotz der Traurigkeit, die beiden tief in den Knochen sitzt, entdecken sie auch die Leichtigkeit, die einen vor Lachen glucksen lässt, wenn man einander vertraut und sich einander anvertraut.

Volker Surmann gelingt es mit Leons und Rouvens Geschichte eine ganze Reihe von Themen anzusprechen, die für 13-Jährige untereinander aber auch mit den Eltern eine ziemliche Herausforderung sind und es gar nicht sein sollten: Gefühle, Traurigkeit, Mutlosigkeit aber auch Verliebtheit, Sexualität, Anderssein oder sich Andersfühlen. Sehr dankbar bin ich, dass auch Homosexualität eine Rolle spielt, und vor allem, dass das trotzdem nicht das Haupttema ist – nicht der Story und auch nicht der beiden Hauptfiguren.

Sehr gelungen finde ich die Whatsapp-Verläufe von Leon und Rouven, gerade weil die Frage der Jugendsprache in Büchern für jugendliche Leser:innen ja so wichtig ist. Wie klingen Teenies denn authentisch in literarischen Texten? Seit „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf beschäftigt mich das immer wieder, auch weil der dort die Messlatte so unglaublich hochgelegt hat. Herrndorf kreierte in seinem Roman eine Sprache, die reale Jugendliche so nie sprechen würden, schaffte es aber, dass jedes Wort absolut authentisch wirkte. Surmann geht hier einen leicht anderen Weg und legt den Teenies hier durchaus trendige Formulierungen in den Mund. Das funktioniert für mich selbst, weil ich mich durchaus auch an Sprüche aus den letzten 30 Jahren erinnern kann. Sie sind aber eben doch oft eher zeitgebunden. Besonders authentisch finde ich Leons und Rouvens Stimme immer da, wo der Autor auf Jugendsprache im eigentlichen Sinn verzichtet. Da glaube ich den beiden wirklich jedes Wort. Und falls das jetzt wie Meckern klang, dann war es Meckern auf wirklich krass hohem Niveau. 😊

Ich habe mich, dass kann ich ganz ohne Übertreibung schreiben, heftig in diese Story und ihre Charaktere verliebt. Die Geschichte, Leon als Erzähler, die Konstellationen und die vielen kleinen treffsicheren Bemerkungen und Erkenntnisse – all das hat mich das Buch ungelogen in zwei Lesenächten wegschmökern lassen. Ich habe geschmunzelt, gelacht und oft genug feuchte Augen bekommen und hätte am liebsten die Hälfte des Personals des Romans in die Arme genommen. Klarer und unmissverständlicher lässt sich die Weisheit, die wir alle in jungen Jahren mal instinktiv fühlen konnten und auf dem Weg durchs Erwachsenenleben so oft dann doch vergessen haben, eigentlich nicht in Worte fassen, als es dieser Roman schafft: zuhören, miteinander reden und wirklich zuhören!

Noch einmal sage ich danke für dieses Leseexemplar und die Stunden, die ich mit ihm verbringen durfte!

Kurz und gut: Für alle, die wie ich die Vierzig knapp *hüstel* überschritten haben: Lest mehr Jugendbücher und ganz unbedingt dieses! Und schenkt es euren Kindern oder Teenies, die ihr kennt! 😉

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Donnerstag, 8. Februar 2024

Volker Surmann: Leon Hertz und die Sache mit der Traurigkeit


„13¾, heimlich verliebt und Stimmungstiefs, die genau dann anklopfen, wenn er es gar nicht gebrauchen kann – für Leon Hertz ist das Leben nicht einfach. Immerhin bekommt er bei seinem Referat zum Thema Tod und Trauer Unterstützung. Der stille Rouven hilft ihm bei seinen Recherchen über ein rätselhaftes Holzkreuz an der Ampel. Leon merkt bald, dass auch Rouven Traurigkeit kennt und sie einiges gemeinsam haben. Aber etwas scheint ihrer Freundschaft im Weg zu stehen.

Eine einfühlsame Geschichte über Angst und Alleinsein, Freundschaft und Mut.“ (Umschlagtext)

Vor ca. zwei Jahren konnten der MM und ich bei einer kleinen kuscheligen Lesung in der AHA Berlin dem Autor lauschen, der aus einem Text im Werden las. Dass es noch eine Weile dauern würde, bis die Geschichte tatsächlich gedruckt und als Buch vorliegen würde, war da schon klar. Nun ist es also soweit. Yeah. 😊

Pubertät, Stimmungsschwankungen, Gefühlschaos – warum, wenn ich so nachdenke, hab ich als Teenager eigentlich so gut wie nie Lesestoff in der Hand gehalten, der heute als Jugendbuch durchginge? Gab´s das früher überhaupt als Gattung? Habe ich nur die „falschen“ Bücher erwischt? Fragen über Fragen. Aber vielleicht lese ich auch einfach dieses reizende Leseexemplar. Danke dafür übrigens! 😊

„Ich bin ja nur depri light. Nicht mal depressiv sein bekomme ich richtig hin, LOL.“ (Umschlagtext)

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