„Warum tue ich mir das eigentlich immer noch an? Warum schaue ich
nach wie vor fern und lese täglich die Nachrichten?“ (Seite 7)
Ich sag es mal lieber gleich vorweg: Dieses Buch hat mich so richtig
genervt. Aber nicht im guten Sinne. Anspruch und Umsetzung klaffen für meine
Begriffe weit auseinander. Leider ist es das zweite medienkritische Buch aus
dem Westend Verlag, bei dem ich nicht verstehe, wozu das gedruckt werden
musste.
Die Fragen vom Anfang des Vorwortes (siehe oben) liefern Jens
Wernicke den Anlass zu beschreiben, wie schlimm die Welt um ihn herum ist. Aus
Beobachtungen aus seinem Umfeld, dass alle immer ärmer werden und dazu noch von
Politik, Medien und Industrie indokritiniert, manipuliert, für dumm verkauft,
baut er seine Gesellschaftskritik. Auf der einen Seite die von ihm beschriebene
Wirklichkeit, auf der anderen die medial vermittelte Scheinwelt. Die daraus
resultierende Frage für seine Interviews, die in diesem Band versammelt sind,
ist die, ob die Medien nun lügen.
Ich hab nun wahrlich nichts gegen Gesellschaftskritik. Aber
daraus, dass die (Welche? Ach alle!) Medien nicht meine Wirklichkeit zeigen, zu
schließen, dass unser Land kurz vorm gesellschaftlichen Zusammenbruch zu stehen
scheint, finde ich doch etwas waghalsig geschlussfolgert. Zudem bemühe ich mich
redlich, die gesellschaftliche Rebellion gegen die Medien zu entdecken, von der
der Autor beständig spricht. Aber auch hier bleibt mir seine Wirklichkeit
verschlossen.
Das mag ein erstes Grundproblem mit dem Buch beschreiben, dass ich
zumindest sehe. Jans Wernicke setzt seine Wirklichkeit und Wahrheit als die
allein gültige voraus. Von dieser Warte aus formuliert er seine Fragen. Selbst
wenn die Antworten mal nicht in seinem Sinne sind, lässt er sich, zumindest in
diesem Buch, davon aber nicht verwirren. Es klingt immer ein wenig so, als wenn
alle, die ihm nicht zustimmen, einfach nur noch nicht das Licht geschaut hätten
oder aber so manipuliert sind, dass die die/seine Wahrheit nicht erkennen
können.
Das zweite Grundproblem mit dem Buch resultiert aus dem ersten.
Jens Wernicke fragt zwar, scheint aber an den Antworten nicht so sehr
interessiert zu sein, wenn sie ihn nicht vorbehaltlos bestätigen. So scheinen
die meisten der Interviews Gespräche mit Leuten zu sein, die ohnehin in seiner
Wirklichkeitsblase unterwegs sind. Kontroverse Ansichten zusammen zu tragen, zu
diskutieren und daraus nachvollziehbare Schlüsse zu ziehen – das ist eindeutig
nicht das Anliegen dieses Bandes.
Das Noam Chomsky in dem Band mit einem Beitrag vertreten ist, mag
auf den ersten Blick die Sammlung etwas adeln. Erst am Ende des Beitrags, der
kein Interview ist, erfährt man aber, dass es sich um den Text eines Vortrages
handelt, der zwanzig Jahre vor diesem Buch gehalten wurde. Nunja,
wahrscheinlich ist das bei dem Band fast eine Petitesse.
Die Interviews mäandern durch verschiedene Bereiche, über die mit
Sicherheit kritisch zu sprechen ist, aber irgendwie so ohne rechtes Ziel.
Orientierung bietet das kaum. Konzernmedien, öffentlich-rechtliche Medien – das
ist alles irgendwie eins. Immerhin wird auch am Rande mal erwähnt, dass eines
der Probleme ist, dass auch mediale Öffentlichkeit inmitten einer
kapitalistisch ausgerichteten Welt stattfindet und immer mehr genau diesen
Zwängen unterworfen ist. Warum aber wie schon bei Ulrich Teusch der
Hauptaufreger auch hier ist, dass das medial vermittelt Russlandbild ganz
schlimm ist (vor allem, weil der Autor es selbst anders sieht), erschließt sich
mir nicht.
Ich hätte mir eine sachliche Analyse gewünscht, die Ross und
Reiter benennt und nicht versucht, die eigenen politischen Einschätzungen immer
wieder in den Vordergrund zu stellen – ohne das so zu benennen. Damit arbeitet
Wernicke für meinen Geschmack leider genauso, wie er es den Medien vorwirft.
Der Punkt ist ja gar nicht, dass nicht vieles, was in dem Buch gesagt wird,
auch richtig ist. Aber in dieser Art und Weise aufbereitet und vorgebracht ist
das leider nutzlos. Das Buch richtet sich ausschließlich an die, die es schon
immer gewusst haben. Eine breite, sachliche und angemessene Aufklärung und
Debatte ist nicht das Anliegen.
Kurz und gut: Mehr davon brauche ich wirklich nicht. Schade drum.
Das Thema hätte besseres verdient. L
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