Dienstag, 20. August 2019

Jens Wernicke: Lügen die Medien? Propaganda, Rudeljournalismus und der Kampf um die öffentliche Meinung. Das Medienkritik-Kompendium



„Warum tue ich mir das eigentlich immer noch an? Warum schaue ich nach wie vor fern und lese täglich die Nachrichten?“ (Seite 7)

Ich sag es mal lieber gleich vorweg: Dieses Buch hat mich so richtig genervt. Aber nicht im guten Sinne. Anspruch und Umsetzung klaffen für meine Begriffe weit auseinander. Leider ist es das zweite medienkritische Buch aus dem Westend Verlag, bei dem ich nicht verstehe, wozu das gedruckt werden musste.

Die Fragen vom Anfang des Vorwortes (siehe oben) liefern Jens Wernicke den Anlass zu beschreiben, wie schlimm die Welt um ihn herum ist. Aus Beobachtungen aus seinem Umfeld, dass alle immer ärmer werden und dazu noch von Politik, Medien und Industrie indokritiniert, manipuliert, für dumm verkauft, baut er seine Gesellschaftskritik. Auf der einen Seite die von ihm beschriebene Wirklichkeit, auf der anderen die medial vermittelte Scheinwelt. Die daraus resultierende Frage für seine Interviews, die in diesem Band versammelt sind, ist die, ob die Medien nun lügen.

Ich hab nun wahrlich nichts gegen Gesellschaftskritik. Aber daraus, dass die (Welche? Ach alle!) Medien nicht meine Wirklichkeit zeigen, zu schließen, dass unser Land kurz vorm gesellschaftlichen Zusammenbruch zu stehen scheint, finde ich doch etwas waghalsig geschlussfolgert. Zudem bemühe ich mich redlich, die gesellschaftliche Rebellion gegen die Medien zu entdecken, von der der Autor beständig spricht. Aber auch hier bleibt mir seine Wirklichkeit verschlossen.

Das mag ein erstes Grundproblem mit dem Buch beschreiben, dass ich zumindest sehe. Jans Wernicke setzt seine Wirklichkeit und Wahrheit als die allein gültige voraus. Von dieser Warte aus formuliert er seine Fragen. Selbst wenn die Antworten mal nicht in seinem Sinne sind, lässt er sich, zumindest in diesem Buch, davon aber nicht verwirren. Es klingt immer ein wenig so, als wenn alle, die ihm nicht zustimmen, einfach nur noch nicht das Licht geschaut hätten oder aber so manipuliert sind, dass die die/seine Wahrheit nicht erkennen können.

Das zweite Grundproblem mit dem Buch resultiert aus dem ersten. Jens Wernicke fragt zwar, scheint aber an den Antworten nicht so sehr interessiert zu sein, wenn sie ihn nicht vorbehaltlos bestätigen. So scheinen die meisten der Interviews Gespräche mit Leuten zu sein, die ohnehin in seiner Wirklichkeitsblase unterwegs sind. Kontroverse Ansichten zusammen zu tragen, zu diskutieren und daraus nachvollziehbare Schlüsse zu ziehen – das ist eindeutig nicht das Anliegen dieses Bandes.

Das Noam Chomsky in dem Band mit einem Beitrag vertreten ist, mag auf den ersten Blick die Sammlung etwas adeln. Erst am Ende des Beitrags, der kein Interview ist, erfährt man aber, dass es sich um den Text eines Vortrages handelt, der zwanzig Jahre vor diesem Buch gehalten wurde. Nunja, wahrscheinlich ist das bei dem Band fast eine Petitesse.

Die Interviews mäandern durch verschiedene Bereiche, über die mit Sicherheit kritisch zu sprechen ist, aber irgendwie so ohne rechtes Ziel. Orientierung bietet das kaum. Konzernmedien, öffentlich-rechtliche Medien – das ist alles irgendwie eins. Immerhin wird auch am Rande mal erwähnt, dass eines der Probleme ist, dass auch mediale Öffentlichkeit inmitten einer kapitalistisch ausgerichteten Welt stattfindet und immer mehr genau diesen Zwängen unterworfen ist. Warum aber wie schon bei Ulrich Teusch der Hauptaufreger auch hier ist, dass das medial vermittelt Russlandbild ganz schlimm ist (vor allem, weil der Autor es selbst anders sieht), erschließt sich mir nicht.

Ich hätte mir eine sachliche Analyse gewünscht, die Ross und Reiter benennt und nicht versucht, die eigenen politischen Einschätzungen immer wieder in den Vordergrund zu stellen – ohne das so zu benennen. Damit arbeitet Wernicke für meinen Geschmack leider genauso, wie er es den Medien vorwirft. Der Punkt ist ja gar nicht, dass nicht vieles, was in dem Buch gesagt wird, auch richtig ist. Aber in dieser Art und Weise aufbereitet und vorgebracht ist das leider nutzlos. Das Buch richtet sich ausschließlich an die, die es schon immer gewusst haben. Eine breite, sachliche und angemessene Aufklärung und Debatte ist nicht das Anliegen.

Kurz und gut: Mehr davon brauche ich wirklich nicht. Schade drum. Das Thema hätte besseres verdient. L

#lesesommer #sachbuch #jenswernicke #westendverlag #medienkritik #rudeljournalismus #medien #debatte #gesellschaft #lesen #leselust #bücher

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen