„Es war Mittwoch, und wir waren noch nicht mal in Texas.“ (Seite
7)
Jess ist vierzehn und reist mit ihrer Familie im Auto von Alabama
nach Kalifornien, dem Weltuntergang entgegen. Es gibt zwei wirklich wichtige
Dinge für sie: einen Jungen zu finden, der sie von Herzen liebt und
Süßigkeiten. Im Wagen teilt sie sich die Rückbank mit Elise, ihrer drei Jahre
älteren Schwester, die ihre Schwangerschaft vor den Eltern verheimlicht. Die
wiederum sitzen vorn im Auto, also Welten von ihren Töchtern entfernt, in ihrer
religiös-fundamentalistischen Welt. Das mit dem Weltuntergang ist also ein
ernst zu nehmendes Unterfangen.
Die jüngste Tochter Jess nimmt uns mit auf diese abstruse Reise,
mit diesem herrlich absurden Ausgangssetting. Halt für Halt, Motel für Motel seziert
die Autorin Mary Miller diese merkwürdige Familie.
Einerseits verteilen die Töchter Erweckungsflyer im Auftrag ihrer
Eltern, während sie andererseits keine Gelegenheit entgehen lassen, mit jungen
Typen anzubändeln, zu flirten, zu trinken und sich mit Süßigkeiten
vollzustopfen. Ihren eigenen Fundamentalismus lassen sich die Eltern auch nicht
dadurch kleinreden, dass der Vater mehr oder weniger spielsüchtig ist und
überhaupt wenig Religiöses eine entscheidende Rolle zu spielen scheint – außer
eben, dass sie auf dem Weg nach Kalifornien Flyer verteilen.
Miller erklärt dies gleich zu Anfang ganz elegant damit, dass so
ein Weltuntergang etwas Exklusives ist. Wer, wenn er oder sie schon selbst
erweckt ist, würde denn wirklich wollen, dass alle anderen Menschen ebenso der
eigenen Herausgehobenheit teilhaftig würden? Und wenn man schon selbst sicher
zu den wenigen gehört, die errettet werden, dann können so ein paar kleine
Sünden auch nicht mehr schaden, bevor ohnehin alles dem Ende zugeht.
Dass der Blick ihrer Töchter so gar nicht auf den Weltuntergang
gerichtet ist, entgeht den Eltern geflissentlich. Elise gibt sich abgeklärt und
spielt mit der Aufmerksamkeit, die sie seitens der stets im Rudel auftretenden
jungen Typen auf sich zieht. Jess hofft auf den einen Jungen, der sie
wahrhaftig liebt, und weiß zugleich noch lange nicht mit ihrer erwachenden
Sexualität umzugehen. Zumindest ahnt sie, dass die womöglich der Schlüssel zur
Aufmerksamkeit eines passenden Jungen für sie ist. Unausgesprochen bleibt der
Zustand ihrer Schwester aber auch eine mahnende Drohung.
In dieser Familie stimmt also mal so gar nichts. Der Verlagstext
beschreibt sie als White Trash. Allerdings ist mir die beschriebene Welt
irgendwie so fern, dass ich nicht den Hauch einer Ahnung habe, wie realistisch
das nun wirklich ist.
Als Metapher gelesen kann ich schon mehr damit anfangen. Eltern,
die nur um sich selbst kreisen und dabei nicht bemerken, wie sehr sie ihre
Kinder vernachlässigen. Teenies, die einerseits so abgeklärt sind wie nur
irgendwas und andererseits eigentlich nur Liebe und Zuneigung suchen … Ja, das
klingt dann doch vertraut als eine Beschreibung von sowas-wie-Familien.
Ich hätte den Text gern mehr gemocht, weil ich die
Ausgangssituation ziemlich spannend finde. Allerdings fand ich nicht so recht
einen Zugang zum Stil des Romans und zur erzählenden Stimme von Jess. Auch
rückblickend kann ich aber auch nicht so recht sagen, woran das genau lag. Mir
erschienen Erzählton und Handlung immer wieder ein wenig auseinander zu
triften. Mal war der Tonfall für meinen Geschmack zu sehr drüber, mal wirkten
die Situationen auf mich zu konstruiert. Trotzdem ist es, glaube ich, ein ganz
guter Roman. Manchmal passt es halt einfach nicht. ^^
Kurz und gut: Der Roman erreichte mich zwar nicht so sehr, ist
aber für Interessierte sicher eine Empfehlung wert.
Die Übersetzung besorgte Alissa Walser, sei noch angefügt, um mal
dem Versprechen nachzukommen, auch die Übersetzer*innen zu erwähnen. J
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