Sonntag, 15. September 2019

Mary Miller: Süßer König Jesus



„Es war Mittwoch, und wir waren noch nicht mal in Texas.“ (Seite 7)

Jess ist vierzehn und reist mit ihrer Familie im Auto von Alabama nach Kalifornien, dem Weltuntergang entgegen. Es gibt zwei wirklich wichtige Dinge für sie: einen Jungen zu finden, der sie von Herzen liebt und Süßigkeiten. Im Wagen teilt sie sich die Rückbank mit Elise, ihrer drei Jahre älteren Schwester, die ihre Schwangerschaft vor den Eltern verheimlicht. Die wiederum sitzen vorn im Auto, also Welten von ihren Töchtern entfernt, in ihrer religiös-fundamentalistischen Welt. Das mit dem Weltuntergang ist also ein ernst zu nehmendes Unterfangen.

Die jüngste Tochter Jess nimmt uns mit auf diese abstruse Reise, mit diesem herrlich absurden Ausgangssetting. Halt für Halt, Motel für Motel seziert die Autorin Mary Miller diese merkwürdige Familie.

Einerseits verteilen die Töchter Erweckungsflyer im Auftrag ihrer Eltern, während sie andererseits keine Gelegenheit entgehen lassen, mit jungen Typen anzubändeln, zu flirten, zu trinken und sich mit Süßigkeiten vollzustopfen. Ihren eigenen Fundamentalismus lassen sich die Eltern auch nicht dadurch kleinreden, dass der Vater mehr oder weniger spielsüchtig ist und überhaupt wenig Religiöses eine entscheidende Rolle zu spielen scheint – außer eben, dass sie auf dem Weg nach Kalifornien Flyer verteilen.

Miller erklärt dies gleich zu Anfang ganz elegant damit, dass so ein Weltuntergang etwas Exklusives ist. Wer, wenn er oder sie schon selbst erweckt ist, würde denn wirklich wollen, dass alle anderen Menschen ebenso der eigenen Herausgehobenheit teilhaftig würden? Und wenn man schon selbst sicher zu den wenigen gehört, die errettet werden, dann können so ein paar kleine Sünden auch nicht mehr schaden, bevor ohnehin alles dem Ende zugeht.

Dass der Blick ihrer Töchter so gar nicht auf den Weltuntergang gerichtet ist, entgeht den Eltern geflissentlich. Elise gibt sich abgeklärt und spielt mit der Aufmerksamkeit, die sie seitens der stets im Rudel auftretenden jungen Typen auf sich zieht. Jess hofft auf den einen Jungen, der sie wahrhaftig liebt, und weiß zugleich noch lange nicht mit ihrer erwachenden Sexualität umzugehen. Zumindest ahnt sie, dass die womöglich der Schlüssel zur Aufmerksamkeit eines passenden Jungen für sie ist. Unausgesprochen bleibt der Zustand ihrer Schwester aber auch eine mahnende Drohung.

In dieser Familie stimmt also mal so gar nichts. Der Verlagstext beschreibt sie als White Trash. Allerdings ist mir die beschriebene Welt irgendwie so fern, dass ich nicht den Hauch einer Ahnung habe, wie realistisch das nun wirklich ist.

Als Metapher gelesen kann ich schon mehr damit anfangen. Eltern, die nur um sich selbst kreisen und dabei nicht bemerken, wie sehr sie ihre Kinder vernachlässigen. Teenies, die einerseits so abgeklärt sind wie nur irgendwas und andererseits eigentlich nur Liebe und Zuneigung suchen … Ja, das klingt dann doch vertraut als eine Beschreibung von sowas-wie-Familien.

Ich hätte den Text gern mehr gemocht, weil ich die Ausgangssituation ziemlich spannend finde. Allerdings fand ich nicht so recht einen Zugang zum Stil des Romans und zur erzählenden Stimme von Jess. Auch rückblickend kann ich aber auch nicht so recht sagen, woran das genau lag. Mir erschienen Erzählton und Handlung immer wieder ein wenig auseinander zu triften. Mal war der Tonfall für meinen Geschmack zu sehr drüber, mal wirkten die Situationen auf mich zu konstruiert. Trotzdem ist es, glaube ich, ein ganz guter Roman. Manchmal passt es halt einfach nicht. ^^

Kurz und gut: Der Roman erreichte mich zwar nicht so sehr, ist aber für Interessierte sicher eine Empfehlung wert.

Die Übersetzung besorgte Alissa Walser, sei noch angefügt, um mal dem Versprechen nachzukommen, auch die Übersetzer*innen zu erwähnen. J

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