„Es ist jetzt fünf bis sieben Millionen Jahre her, da trennten
sich die Hominiden von den afrikanischen Affen. Einstimmig.“ (Seite 7)
„Wenn man es genau bedenkt, ist vom Anfang aller Tage an alles
immer schlechter geworden. Luft und Wasser sowieso, dann die Manieren, die
politischen Persönlichkeiten, der Zusammenhalt unter den Menschen, das
Herrentennis und das Aroma der Tomaten.“ (Seite 8)
Ich vermute ja langsam, dass auch früher schon früher alles besser
war. Viel weniger hektisch, irgendwie menschlicher, selbst das Grün dürfte grüner
gewesen sein. Obwohl ich mir selbst meine Eltern, bevor sie meine Eltern
wurden, genaugenommen auch nur in schwarz-weiß vorstellen kann. In jedem Fall
gab es früher ganz sicher mehr Zukunft als heute. Das ist auch ganz logisch,
wenn man schaut, wie viel Zukunft heute schon Vergangenheit ist. Wo soll das
denn nur hinführen? Und der Klimawandel ist da noch gar nicht eingerechnet.
Zukunft. Mmh …
Ich habe versucht eine Zusammenfassung dieses wirklich nicht
langen Textes von Roger Willemsen hinzubekommen und bin gescheitert.
Gescheitert, weil selbst beim mehrfachen Lesen mein Hirn damit beschäftigt war,
andauernd andächtig und zustimmend zu nicken und dabei zugleich hin- und hergeworfen
war von all den kurzen Assoziationen, Erinnerungen und Wiedererkennensmomenten,
die beim Lesen so aufplöppten.
Ein mehrfach wiederkehrender Gedanke war, dass es doch eigentlich
nicht so schwierig sein dürfte, uns klar zu machen, dass Morgen schon Heute beginnt
und mehr ist als die Summe an neuesten Trends und Gadgets, die wir heute erst
noch erahnen. Heute dagegen ist banalerweise natürlich eine Summe aus all den
Gesterns und dem, was wir heute hinzufügen. Aber ist das dann auch schon gleich
Morgen?
Toll an dieser „Zukunftsrede“ von Willemsen finde ich seine
Sprache, seinen Tonfall. Jeder wehmütig klingenden Wendung wohnt zugleich ein Funke
Hoffnung inne, dass es gar nicht nur so sein müsse. Damit bringt der Text
wenigstens bei mir ganz persönlich eine Saite zum Klingen, die für mich immer
eine tragende Rolle spielt beim Losspinnen, beim das Gute Sehen. Und plötzlich
wächst die Zuversicht, dass auch für mich und die nach mir Kommenden noch
genügend Zukunft übrig sein wird, um sie nicht nur anzunehmen sondern
anzupacken, durchzuwalken und daraus etwas werden zu lassen, dass uns antreibt
und uns voller Hoffnung auf Morgen blicken lässt.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich vor diesem letzten
Text von Willemsen noch nichts von ihm gelesen habe. Das schreibe ich nicht,
weil irgendeine höhere Literaturinstanz sagt, dass man Willemsen unbedingt
gelesen haben müsse, sondern weil ich dieser Rede, dieser Stimme wirklich gern
noch weiter zugehört hätte.
Im Klappentext und der editorischen Notiz zum Text wird
beschrieben, dass Roger Willemsen ein Buchprojekt vorhatte, das er mit dem
Bekanntwerden seiner Erkrankung zur Seite legte. Die Zukunftsrede ist Teil des
Buches, das nicht weitergeschrieben wurde. Das Thema war ein Blick auf uns
heute – mit den Augen zukünftiger Generationen. Auch dieses Drumherum zu diesem
Text hebt ihn noch weiter hervor und fügt eine weitere Nuance hinzu, die ihn
zum Klingen bringt.
Kurz und gut: Diesen Text werde ich immer mal wieder gelesen haben.
Und es wird immer wieder inspirierend gewesen sein. Lesen!
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