Montag, 7. Februar 2022

Tupoka Ogette: exit RACISM. rassismuskritisch denken lernen


„Es ist ein Sommertag Mitte der Achtzigerjahre. Der Spielplatz – Steinplatz genannt – liegt vor mir.“ (Seite 13)

 

Die fünfjährige Tupoka spielt allein im Sand als ein erwachsener Mann die Aufmerksamkeit mit einer unflätigen Bemerkung auf sie lenkt. Hilflos sitzt sie wie versteinert da und kann nur nur noch daran denken, dass sie ja tatsächlich Schwarz ist und folgerichtig stinken muss. Warum sonst sollte der Mann so etwas behaupten? Mit dieser kurzen, aber nicht weniger eindringlichen Sequenz aus ihrer persönlichen Erinnerung beginnt dieses wichtige Buch.

 

Der Band fällt mit knapp 130 Seiten schmal aus und ist im Grunde ein Workshop für uns Almans/Kartoffeln zum Selbstlesen. Dem folgen der Aufbau und die Fragen an die Lesenden zum Reflektieren.

 

Spätestens seit Black Lives Matter ist auch hierzulande die Debatte um strukturellen Rassismus in der Gesellschaft angekommen. Vor dem Hintergrund des seit Jahren erstarkenden Rechtspopulismus kann es uns allen gemeinsam nur guttun, diese durchaus schmerzhafte Diskussion und die damit verbundenen Erkenntnisse auszuhalten und für ein toleranteres Miteinander nutzbar zu machen.

 

Tupoka Ogette gelingt eine Mischung aus komprimierten Sachinformationen, in die persönliche Sichtweisen und Erfahrungen der Autorin eingebettet sind. Ihr Ziel ist es nicht, dass alle weißen Menschen sich möglichst schlecht fühlen. Vielmehr lädt sie zu einem Perspektivwechsel ein, der sehr anschaulich macht, worüber alles ein weißer Mensch in Deutschland nie nachzudenken braucht – im Gegensatz zu Schwarzen Menschen, von klein auf, wie die Geschichte der jungen Tupoka im Sandkasten zeugt.

 

Diese Welt, die darauf ausgerichtet ist, weiße Menschen systematisch ebenso zu bevorzugen wie Schwarze Menschen zu benachteiligen, diese Welt nennt Ogette Happyland. Und nach dem Auffächern der verschiedensten Facetten und Lebensbereiche, in denen das Happyland wirkt, bleibt unweigerlich ein bitterer Beigeschmack mit Blick auf die eigenen Privilegien.

 

Das Buch ist aber genau deswegen so wichtig, weil es hier nicht stehenbleibt, sondern ausdrücklich auf die Unterschiede zwischen Rassismus und Diskriminierung aufgrund von Klasse, Geschlecht etc. hinweist – um zum gemeinsamen Nachdenken und Verändern einzuladen.

 

Im gesellschaftlichen Diskurs taucht seit einer Weile vermehrt diese argumentative Figur auf, die eine lautstarke Zuspitzung der Rassismusdebatte in Deutschland beklagt, obwohl wir doch seit 1945 so geläutert seien. Und schwupps fühlt man sich selbst als Opfer einer angeblich übertriebenen Debatte. Täter-Opfer-umkehr vom Feinsten, willkommen in genau dem Happyland, welches das Buch beschreibt.

 

Diesem Band kann ich nur noch möglichst viele Auflagen und weiterhin viel Aufmerksamkeit wünschen – und Leser:innen, ob sie sich erstmalig informieren wollen oder das Thema und die Debatten schon länger verfolgen.

 

Kurz und gut: Lesen! Und dann raus ins Leben mit offenen Augen und weitem Herzen!

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