„Es gab die Sonne, verzauberte Tiere und geschwind fließendes
Wasser.“ (Seite 13)
Eine idyllische Traumwelt voller Mystik – auf der einen Seite, auf
der anderen die rauhe Kriegerwelt des Vaters am mazedonischen Königshof.
Dazwischen die Stunden mit dem geliebten und begehrten Freund Kleitos und auch
die Lehrstunden mit Aristoteles, dem Philosophen. Im ersten der fünf Teile des
Romans führt Klaus Mann uns durch die Jugendzeit des Prinzen Alexander. In den
weiteren vier Teilen erleben wir Siege, Wankelmut, Jähzorn, Visionen,
Verzweiflung – und einen zunehmend isolierten und vereinsamenden Alexander.
Die Geschichte Alexanders des Großen ist hinlänglich bekannt.
Trotzdem verspürte ich einiges Vergnügen, die mythenumwobene Figur mit den
Augen des damals 23jährigen Klaus Mann zu betrachten. Ganz bin ich dabei die Bilder
des umstrittenen Oliver Stone Films von 2004 nicht losgeworden. Der Lektüre tat
es keinen Abbruch.
Dass die Figur des Alexanders über die Zeiten einige Wandlungen
erfahren hat, nimmt ihr nichts von ihrer Faszination, die sie auch heute noch
auszuüben vermag. Ein wenig ist es mit Alexander ja wie mit den Superhelden.
Auch die starteten ihren Siegeszug als strahlende, makellose Helden – keine Schramme
im Charakter, keine untergründige Leidenschaft – nichts als unschuldig bis
naiver Einsatz für das Gute und gegen das Böse.
Das Böse kam bei Alexander aus dem Osten, aus Asien. Im Film „300“
wird das gnadenlos auserzählt und stilisiert. Das Gute ist das Helenentum, das
sich allerdings eher widerspenstig unter Alexanders Sandalen formiert. Der
erste Riss in der Heldenwelt war aber wohl schon der trunk- und ruhmsüchtige
und jähzornige Vater, den Alexander als wenig heldenhaft erfahren haben dürfte.
Während Stones filmische Erzählung zunächst einen Siegeszug
ohnegleichen präsentiert, ist der Alexander nach Klaus Mann durchgängig eher ein
Getriebener. Groß ist er hier eher, weil andere ihn großen haben wollen. Er
selbst zweifelt und wäre, so scheint es, als einfacher Mann womöglich seinem Glück
viel näher.
Um die Analogie zu den Superhelden wieder aufzunehmen, sind die Erzählungen,
die Alexander nur gewinnend lächelnd, in überlegener Siegerpose, unbezwingbar,
unbeirrbar, zwar erbauliche Gute-Nacht-Geschichten, aber eben auch nur halb so
spannend. Der Kitzel entspringt dem ungewissen Begehren Alexanders, das sich
offenbar nur in der Idee von der Eroberung der Welt zu zeigen vermag, in der
Vision, dass alle Menschen unter den Helenen friedlich vereint werden könnten.
Seine Mitstreiter mögen dies untergründige Begehren gespürt haben.
Vielleicht waren sie auch mehr im Hier und Jetzt verankert und hatten mehr Sinn
für das Handfeste. So widerspiegelt sich die innere Zerrissenheit Alexanders im
Bröckeln seiner nicht immer treuen Mannen.
Der Held wankt, und bei Klaus Mann eben von Anfang an. Viel mächtiger
als alle äußeren Feinde, denen Alexander immer wieder standhalten kann, mal durch
Geschick, öfter durch Glück oder Fügung, viel mächtiger sind all die inneren Dämonen.
Auch dies kennen wir nur zu gut von den Superhelden, von denen sofort Batman
vermutlich nicht nur für mich der erste Name ist, der mir in den Sinn kommt.
Alexander stirbt, weil er eben doch kein Superheld aus dem Comic-Universum
ist, vermutlich an einer Vergiftung. Was dann aber schon durch seine Nachfolger
und deren Geschichtsschreiber bis heute mit der Figur des Alexanders erzählt
wird, ist dann aber doch wieder sehr superheldenhaftig.
Klaus Manns Text habe ich sehr genossen. Auch weil er eben in
seiner recht klaren Struktur mit diesen flirrenden Traumbildern spielt.
Alexander wird lebensechter und zugleich als Person so schwer zu greifen. Genau
dies und damit die Möglichkeit, so vieles in ihm zu sehen, machen die Figur so
faszinierend – und Manns Text so brillant. Ein wenig bedauere ich, dass ich
dieses Buch nicht als Jugendlicher schon in die Hände bekam.
Kurz und gut: Eine kurze und intensive literarische Studie über
einen, von dem wir alles schon zu wissen glauben. Klaus Manns „Alexander“
(1930) – unbedingt lesenswert!
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