„Die folgende Geschichte ist eine fiktionale Darstellung wahrer
Begebenheiten.“ (Vorwort, Seite 4)
Puh, diese Comic-Biografie über Rosa Luxemburg hat es mir echt
nicht leicht gemacht. Ich versuche das mal zu beschreiben. 😉
Die Coverillustration macht ziemlich was her. Allerdings passiert
es ja durchaus öfter, dass man mit dem Cover schon das Aufregendste aus dem
Buch gesehen hat. Ein paar mehr interessante grafische Ideen hat Kate Evans in
dem Werk schon noch untergebracht, doch insgesamt konnte mich der Zeichenstil
nicht überzeugen.
Allzu oft stieß ich mich beim Lesen an deformiert und verzerrt
dargestellten Figuren. Zwar versucht Evans immer wieder gewagte Perspektiven.
In denen stimmt dann mit diesen Figuren aber gar nichts mehr. Um als Stilmittel
wirken zu können, hat es mich zumindest beim Lesen immer wieder zu sehr und nachhaltig
gestört.
Was mich aber noch sehr viel mehr störte, ist der Einsatz von Text-Bild-Kombinationen,
das Lettering und der Erzählfluss insgesamt. Mir scheint hier ein grundlegendes
Missverständnis bei diesem Projekt vorzuliegen.
In weiten Teilen des Buches erzählt Evans nicht mit Bildern,
sondern setzt diese im Grunde als Illustrationen des Textes ein, vom dem es in
diesem Comic einfach mehr, sehr viel mehr als genug gibt. Das ist überaus
schade, weil es „der Graphic Novel über Rosa Luxemburg“ genau die Stärke des
Mediums Comic nimmt. Sequentiell erzählen die Bilder, wenn überhaupt, meist nur,
wenn die berüchtigten talking heads auftauchen. Aber im Wesentlichen trägt der
Text die Erzählung. Auch die eingangs erwähnten grafischen Ideen, die das Buch
ja durchaus vorweisen kann, haben hauptsächlich illustrativen Charakter.
Die zumeist unglaublich langen und länglichen Textpassagen wirken,
als wenn sie nachträglich von jemandem eingesetzt wurden, der oder die mit
Comic nicht viel anfangen kann. Das liegt nicht nur an der wirklich nicht
gelungenen Auswahl der Typo, sondern auch daran, dass viele Textblöcke zwischen
die Zeichnungen gequetscht wurden. Auch wenn die Textebene im Comic selbständig
Inhalte transportiert, ist sie eben immer auch gleichzeitig ein grafisches
Element. Die Möglichkeiten, die sich damit bieten, wurden hier leider
vollkommen ignoriert.
Die Auswahl der Typo macht es den Leser*innen außerdem zusätzlich
schwer zu erkennen, wer hier gerade spricht. Mich hat das beim Lesen immer
wieder geärgert. Zumal, weil zwischendurch eine Erzähler*innenstimme auftaucht,
die offenbar aus dem Heute spricht, aber keinerlei Erklärung oder Rahmung
erfährt.
So trudelt die Erzählung durch das Leben von Rosa Luxemburg. Im
Vorwort wird noch erklärt, dass die Chronologie von Ereignissen auch zugunsten
der Dramaturgie durchaus auch umgestellt wurde. Dem dramaturgischen Fluss hat
das für meinen Geschmack leider nicht viel gebracht. Das Werk insgesamt bleibt
für mich ohne Mitte, ohne roten Faden. Ich habe bis zum Schluss nicht wirklich herausbekommen,
worum es diesem Comic geht.
Ich weiß sehr zu schätzen, wenn Figuren der Zeitgeschichte nicht
nur über die offiziellen Fakten vorgestellt, sondern auch die Menschen dahinter
sichtbar werden. Evans versucht das mit privaten Einblicken. Insbesondere das immer
wieder umständlich lange Zitieren aus Schriften von Rosa Luxemburg überlagert das
und sorgt auch nicht für mehr Verständnis dafür, wie Mensch und Wirken hier
zusammenhängen.
Insgesamt ist mein Eindruck, dass hier ein Comic-Projekt von
Leuten geplant wurde, die nicht so recht Zugang zum Medium Comic haben. Und zu
dem gehört es nun einmal, dass es dem Wesen nach ein erzählendes und visuelles
Medium ist. Es wirkt ein bisschen so, als wenn die zu verwendenden Textblöcke
schon feststanden, bevor die erzählerische und grafische Idee entwickelt wurde.
Puh, so habe ich tatsächlich schon lange nicht mehr über ein Buch
gemeckert. Vielleicht liegt es daran, dass ich diese Comic-Biografie wirklich
gern gemocht hätte. Aber es ist leider kein Comic geworden. Und das Label „Die
Graphic Novel über Rosa Luxemburg“ macht es als plakativer Anspruch gleich auf
dem Cover auch nicht wirklich besser.
Gleichwohl will ich vom Lesen des Buches gar nicht abhalten. Natürlich
lässt sich allerhand über Rosa Luxemburg erfahren. Natürlich bietet dieses Werk
dennoch einen anderen Zugang zum Werk der Luxemburg als die gesammelte Ausgabe
ihrer Schriften oder eine wissenschaftliche Monografie über ihr Leben. Schade
finde ich das Ergebnis dennoch, weil es eine Chance vertan hat.
Kurz und gut: Dieses Buch ist ein Missverständnis.
Comic-Leser*innen werden enttäuscht sein. Leute die sonst nie Comics lesen,
bekommen keinen Eindruck davon, was Comic jenseits von Funnies und Superhelden leisten
kann. Das ist schade!
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