„Der Flüchtling versucht betont normal zu gehen, was nicht leicht
ist, weil es sich nicht normal anfühlt.“ (Seite 11)
Fast schon normal dagegen klingt die Ausgangslage dieser Satire,
die tatsächlich so bissig daherkommt, wie sie angepriesen wird.
Europa hat sich entschieden, die weltweiten Fluchtbewegungen der
Hungrigen auszusitzen. Die Grenzen sind dicht. Eine Pufferzone sorgt dafür,
dass unzählige Menschen in unüberschaubar großen Lagern mitten in Afrika weder
vor noch zurück kommen. Sie warten. Das ist das Einzige, was ihnen noch bleibt.
Derweil malen die heimischen Medien den Satten in Deutschland eine
bunte, oberflächliche Fernsehwelt, die zynisch jedes noch so dramatische Weltgeschehen
TV-gerecht verwurstet, um nur das Publikum bloß nicht zu erschrecken.
Da muss es schon sensationell anmuten, wenn ein TV-Sternchen, das
man nicht mal im Dschungelcamp sehen wollte, auf die Idee kommt, eine bewegende
Reportage ausgerechnet in einem der Flüchtlingscamps zu drehen. Sie trifft auf
einen jungen Mann, der in ihr seine eine Chance sieht, endlich nach Deutschland
zu kommen. Und so nimmt der Plot rasant seine Fahrt auf.
Die weltentrückte Moderatorin entdeckt ihren Hang zum Weltretten
gemeinsam mit dem jungen Flüchtling, der sich passgenau dem Medienformat vorstellt.
Schon gibt es eine Story. Und was für eine.
Im Zeichen ihrer großen Liebe führen sie einen Zug von 150.000
Flüchtenden durch die Wüste gen Europa, gen Deutschland. Das alles wird live
übertragen, dramaturgisch aufbereitet und in der Redaktion erwartbar zynisch
kommentiert. Für die Quote ist sogar glitzerbunte Menschlichkeit im
Prime-Time-Format ok.
Zu dumm nur, dass die Satten das Ganze zwar gern im Fernsehen
verfolgen. Das Ziel des Zuges ist aber ganz real – das Land der Satten. Als
stehen die Hungrigen irgendwann direkt vor der Tür – zum großen Finale der
Satire.
Ich bin nicht ganz sicher, ob es dem Roman nun mehr um den
oberflächlichen Zynismus der Medienwelt geht oder um unseren Umgang mit den
Fluchtdramen, die sich im Hier und Heute und ganz real abspielen. Zumindest
scheint mir die politische Dimension des Themas eher unterkomplex behandelt zu
werden.
Ganz wie die Medienwelt des Romans fokussiert auch der Text selbst
eben auf die krachende Wirkung der Satire. Die ganze Zeit hatte ich dabei so
eine flotte TV-Satire im Privatfernsehen vor Augen, mit der Ferres in der
Hauptrolle, die überall plakatiert wird und einige Wochen omnipräsent in jedem
Feuilleton begeistert besprochen wird.
Trotzdem, weil das gar kein übler Verriss werden soll, hat mich das
Buch grandios unterhalten. Timur Vermes weiß, was er als Autor zu tun hat. Die
Story ist perfekt inszeniert, alles greift wunderbar ineinander, ohne zu glatt
zu sein. Sein Spott ist beißend bis fast unerträglich böse. Und er schenkt
seinen Figuren wirklich nichts.
Kurz und gut: Wenn auch nur jede*r vierte Leser*in nach dieser
Satire nicht wieder ins TV-Koma verfiele, sondern eine Zeitung aufschlüge und
mit offeneren Augen durch den Alltag ginge, dann hätte das Buch seine Wirkung
nicht verfehlt.
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