Samstag, 13. April 2019

Ulrich Teusch: Lückenpresse. Das Ende des Journalismus, wie wir ihn kannten



„Die Politiker sagen uns nicht die Wahrheit! Die Politik lügt uns an, heute mehr denn je! Wir glauben denen da oben gar nichts mehr!“ (Seite 9)

Ulrich Teusch ist Publizist und Autor für Hörfunkfeatures. Die ersten Sätze seines Vorwortes beschreiben eine Haltung von Bürger*innen, der er während der Recherchen für ein Feature zu Lügen in der Politik oft begegnete. Medien braucht es als Mittler, um Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Teusch findet, dass das Mediensystem krankt und so seine Aufgabe nicht mehr erfüllen kann.

Medienkritik also. Zunächst stellt Teusch klar, dass er den Begriff „Lügenpresse“ für falsch hält. Auch weil der Begriff der Lüge so schwer zu fassen sei. Die Erläuterung, warum er „Lückenpresse“ die geeignetere Formulierung findet, fußt auf der nicht so sehr aufsehenerregenden Erkenntnis, dass bei allen journalistischen Bemühungen der Blick der Einzelnen eben auch wertebasiert, interessengeleitet ist, wie auch die Rahmenbedingungen der Medien selbst. Aus der schieren Masse an Informationen muss ausgewählt werden. Dies geschieht nach Kriterien, die zwangsläufig dazu führen, dass über Eines berichtet wird über Anderes aber eben nicht.

Diesen Mechanismus an sich beklagt Teusch weniger als die Art und Weise der Auswahl. Hier bezieht er sich im Wesentlichen auf die Mainstreammedien – also die Leit- und Qualitätsmedien – und insbesondere auf den Mainstream des Mainstreams. Auch wenn er hier letztlich doch schwammig in seiner Definition bleibt, lässt sich aus seinen immer wieder angeführten Beispielen schlussfolgern, dass er damit hauptsächlich die Öffentlich-Rechtlichen meinen dürfte.

Soweit, so gut. Ab da lässt mich Teuschs Buch aber ehrlicherweise recht unbefriedigt zurück. Er führt zahllose Beispiele für Sendungen, Kommentare etc. an, in denen seiner Ansicht nach, tendenziös, manipulierend, meinungsmachend und eben nicht berichtend gearbeitet wird. Der Vorwurf, dass Öffentlich-Rechtliche Medien zu sehr der Schmissigkeit privater bzw. der Konzernmedien hinterherlaufen und auf Quote statt auf Qualität bauen – nunja, der ist nicht neu und wenigstens in Teilen so richtig wie banal.

Was mich aber beim Lesen richtig geärgert hat, ist Teuschs Art der Beweisführung. Die besteht zum überwiegenden Teil darin, die Leser*innen aufzufordern sich vorzustellen, dieser oder jener Bericht oder Kommentar hätte einen anderen Schwerpunkt gehabt oder eine andere Aussage. Daraus, dass der konstruierte Konjunktiv so unwahrscheinlich ist oder sei, schließt Teusch messerscharf – tja, dass etwas ganz schlimm und schief sei.

Gemischt mit einem Thema, dass sich ebenso als roter Faden durch das Buch zieht, seine Kritik an der Berichterstattung über Russland, bekommen seine ja nicht falschen Beispiele leider einen genauso tendenziösen Schlag wie der, den er den Mainstreammedien gerade vorwirft. Er findet, dass in manipulativer Absicht über Russland nur das Schlechte berichtet wird und dahinter ein transatlantischer Klüngel stecken müsse. Leider argumentiert er selbst hier insgesamt so oberflächlich, dass ich mich streckenweise gefragt habe, ob Teuschs Kritik nicht nur die ist, dass die Mainstreammedien nicht für wichtig halten, was er selbst für wichtig hält.

Immerhin betont er immer wieder, dass es natürlich genügend Journalist*innen gibt, die einen guten Job machen und outet sich auch als grundsätzlicher Befürworter öffentlich-rechtlicher Medien.

Bedauerlich bis ärgerlich empfand ich, dass der Autor eigentlich übers Raunen nicht hinausgeht und im Grunde auch nicht wirklich Ross und Reiter als Ziel seiner Kritik benennt. Ebenso unterkomplex kommen die Bedingungen zur Sprache, unter denen journalistische Arbeit geleistet wird. Was ließe sich nicht alles über konkrete Arbeitsbedingungen, Prekarität, Outsourcing, die Übermacht der PR, Kommerzialisierung bis in den letzten Winkel und Besitzverhältnisse in der Medienbranche, Verquickungen und Verflechtungen berichten und daraus schlussfolgern? Leider spricht Teusch an der Stelle dann lieber ausführlich über den amerikanischen Markt als über die Medienbranche hierzulande.

So bleibe ich nach der Lektüre zurück mit vielen Fragezeichen, weil ich nicht wirklich entschlüsseln konnte, was genau die Absicht dieses Buches war. Für die Schlussfolgerung, dass das Publikum mehr Mediennutzungskompetenz braucht, um emanzipierter Medien nutzen zu können, dafür hätte es dieses Buch nicht gebraucht.

Kurz und gut: Zuviel Raunen und Konjunktiv für eine brauchbare und weiterführenden Analyse. Am Ende irgendwie doch nur ein Meinungsstück zwischen Buchdeckeln, wo ein paar Kommentarspalten es vielleicht auch getan hätten. Schade!

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