Mittwoch, 15. Januar 2020

Dave Eggers: Ein herzzerreissendes Werk von umwerfender Genialität. Eine wahre Geschichte



„RICHTLINIEN UND EMPFEHLUNGEN ZUR STEIGERUNG DES LESEVERGNÜGENS

1. Es besteht keine zwingende Notwendigkeit, das Vorwort zu lesen. Wirklich nicht. Es ist in erster Linie für den Autor gedacht und für die, die nach der Lektüre des übrigen Textes aus welchen Gründen auch immer gerade nichts anderes zu lesen haben. Fall du das Vorwort schon gelesen hast und wünschst, du hättest es nicht getan, möchten wir uns entschuldigen. Wir hätten dich eher darauf hinweisen sollen.“ (Seite VII)

Das Debüt von Dave Eggers ist nach „Der Circle“ mein zweiter Versuch mit dem hochgelobten Autor warm zu werden. Ich kann das Ergebnis vorwegnehmen: Ich glaub, das wird nix mehr mit uns.

Der Ausgangspunkt des Romans ist autobiografisch und erstmal eigentlich recht spannend: Die Geschwister Eggers verlieren innerhalb weniger Wochen Vater und Mutter an den Krebs. Während der älteste Bruder Rechtliches und Finanzielles aus der Ferne verwaltet, kümmern sich die ältere Schwester und Dave um den Jüngsten, Toph. Die Schwester bleibt zumindest immer in der Nähe. Dave, 22, und Toph, 8 Jahre alt sind jetzt die Familie. Sie verlassen die Gegend, in der sie bisher lebten und ziehen gen Westen bis nach Kalifornien.

Leider konnte ich mit Daves Erzählerstimme schon ab dem Vorwort so gar nichts anfangen. Sie blieb für meinen Geschmack die ganze Zeit vollkommen drüber, zu hochtrabend, selbstverliebt, theatralisch, wehleidig … Ich kann schon nachvollziehen, dass das für manche Leser*innen unterhaltsam und kurzweilig ist. Der Zugang blieb mir aber schlicht verwehrt.

Gern hätte ich den beiden über die Schulter geschaut beim Meistern all der Hürden, die den viel zu jungen Waisen da das Leben schwer machen. Aber die Art der Verfremdung, die Eggers hier wählte, zündete bei mir – gar nichts. Toph zum Beispiel bleibt nicht mehr als ein Name, eine Figur ohne jede Kontur, weil Eggers in gänzlich zur Projektion des Erzählers Dave nutzt. Toph sagt, was ihm sein Romanbruder in den Mund legt. Dass der Erzähler das auch immer wieder sehr deutlich einräumt, ist irgendwie ein witziger Einfall. Ähnliche gibt es im Roman viele. Da Dave selbst für mich nicht greifbar wurde, verpufften für mich auch all die hübschen Ideen zu Attitüden. Nette Ideen halt.

Aber was ist die Story? Worum geht es im Roman? Um eine bestimmte Generation, die bestens gebildet, sogar weltgewandt ist, voller hochtrabender Ideen und doch ihr Leben nicht anders auf die Reihe bekommt, als die Rollenbilder ihrer Eltern konservativ zu wenden und nachzuspielen? Ironie und Sarkasmus als Schutzmechanismen gegen die Härten des Lebens? Nein, ich bekam den Roman-Dave genauso wenig zu fassen wie alle anderen Figuren, die da so auftreten. Und ich kann beim besten Willen nicht sagen, worum es dem Roman wohl ging.

Ohne Diskussion räume ich ein, dass Dave Eggers schreiben kann. Richtig gut sogar. Dass ich mich so schwer tat mit dem Lesen, lag allein daran, dass mir der Roman nichts zu sagen hatte. Das schlaue und gewitzte Formulieren geriet so für meinen Geschmack einfach nur geschwätzig. Wenn das der literarische Clou des Romans war, dann verpufft auch der erleichterte Aha-Effekt bei mir – ohne jeden Nachhall.

Kurz und gut: Dave Eggers und ich – das wird keine Lesefreundschaft mehr. Schade, denn schreiben kann er ja. Geschmackssache, würd ich sagen!

Übersetzung: Leonie von Reppert-Bismarck / Thomas Rütten

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