„RICHTLINIEN UND
EMPFEHLUNGEN ZUR STEIGERUNG DES LESEVERGNÜGENS
1. Es besteht keine zwingende Notwendigkeit,
das Vorwort zu lesen. Wirklich nicht. Es ist in erster Linie für den Autor
gedacht und für die, die nach der Lektüre des übrigen Textes aus welchen
Gründen auch immer gerade nichts anderes zu lesen haben. Fall du das Vorwort
schon gelesen hast und wünschst, du hättest es nicht getan, möchten wir uns
entschuldigen. Wir hätten dich eher darauf hinweisen sollen.“ (Seite VII)
Das Debüt von
Dave Eggers ist nach „Der Circle“ mein zweiter Versuch mit dem hochgelobten Autor
warm zu werden. Ich kann das Ergebnis vorwegnehmen: Ich glaub, das wird nix
mehr mit uns.
Der Ausgangspunkt
des Romans ist autobiografisch und erstmal eigentlich recht spannend: Die
Geschwister Eggers verlieren innerhalb weniger Wochen Vater und Mutter an den
Krebs. Während der älteste Bruder Rechtliches und Finanzielles aus der Ferne
verwaltet, kümmern sich die ältere Schwester und Dave um den Jüngsten, Toph.
Die Schwester bleibt zumindest immer in der Nähe. Dave, 22, und Toph, 8 Jahre
alt sind jetzt die Familie. Sie verlassen die Gegend, in der sie bisher lebten
und ziehen gen Westen bis nach Kalifornien.
Leider konnte ich
mit Daves Erzählerstimme schon ab dem Vorwort so gar nichts anfangen. Sie blieb
für meinen Geschmack die ganze Zeit vollkommen drüber, zu hochtrabend,
selbstverliebt, theatralisch, wehleidig … Ich kann schon nachvollziehen, dass
das für manche Leser*innen unterhaltsam und kurzweilig ist. Der Zugang blieb
mir aber schlicht verwehrt.
Gern hätte ich
den beiden über die Schulter geschaut beim Meistern all der Hürden, die den
viel zu jungen Waisen da das Leben schwer machen. Aber die Art der Verfremdung,
die Eggers hier wählte, zündete bei mir – gar nichts. Toph zum Beispiel bleibt
nicht mehr als ein Name, eine Figur ohne jede Kontur, weil Eggers in gänzlich
zur Projektion des Erzählers Dave nutzt. Toph sagt, was ihm sein Romanbruder in
den Mund legt. Dass der Erzähler das auch immer wieder sehr deutlich einräumt,
ist irgendwie ein witziger Einfall. Ähnliche gibt es im Roman viele. Da Dave
selbst für mich nicht greifbar wurde, verpufften für mich auch all die hübschen
Ideen zu Attitüden. Nette Ideen halt.
Aber was ist die
Story? Worum geht es im Roman? Um eine bestimmte Generation, die bestens
gebildet, sogar weltgewandt ist, voller hochtrabender Ideen und doch ihr Leben
nicht anders auf die Reihe bekommt, als die Rollenbilder ihrer Eltern
konservativ zu wenden und nachzuspielen? Ironie und Sarkasmus als
Schutzmechanismen gegen die Härten des Lebens? Nein, ich bekam den Roman-Dave
genauso wenig zu fassen wie alle anderen Figuren, die da so auftreten. Und ich
kann beim besten Willen nicht sagen, worum es dem Roman wohl ging.
Ohne Diskussion
räume ich ein, dass Dave Eggers schreiben kann. Richtig gut sogar. Dass ich
mich so schwer tat mit dem Lesen, lag allein daran, dass mir der Roman nichts
zu sagen hatte. Das schlaue und gewitzte Formulieren geriet so für meinen
Geschmack einfach nur geschwätzig. Wenn das der literarische Clou des Romans
war, dann verpufft auch der erleichterte Aha-Effekt bei mir – ohne jeden
Nachhall.
Kurz und gut:
Dave Eggers und ich – das wird keine Lesefreundschaft mehr. Schade, denn
schreiben kann er ja. Geschmackssache, würd ich sagen!
Übersetzung:
Leonie von Reppert-Bismarck / Thomas Rütten
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