„Eigentlich irrt sich der Hund nie.“ (Seite 9)
Was soll auf gut 170 Seiten schon passieren? Thomas Röthlisberger packt einfach mal mehrere Leben und ihre Verstrickungen in einen schmalen Band und hat die Geschichte dabei auserzählt. Und das auf großartige Art und Weise.
Ein alter Mann liegt mit Schusswunde und Gewehr in der Hand in seinem eigenen Blut auf einem abgelegenen Hof in Südfinnland. Seine Frau hat ihn nach Jahrzehnten verlassen. Der Sohn ist schon lange auf und davon und kommt nur zurück, wenn er gerade mal Geld braucht. Ein echt trostloses Land.
Von Finnland hab ich so gar kein Bild vor Augen, nur die Textzeile von Rainald Grebe im Ohr: Finnen sind alle depressive Trinker. Finninnen auch. (Sinngemäß zitiert.) Die Geschichte, oder vielmehr die Geschichten, die der Schweizer Röthlisberger hier erzählt, illustrieren das ganz klar. 😉
Märtas Leben beginnt fast hoffnungsvoll mit einer großen Liebe, der sie bereitwillig überall hin gefolgt wäre. Wenn der Typ nicht auf einmal spurlos verschwunden wäre. Aber ihre Eltern hielten ohnehin nichts von ihm. Dumm nur, dass die Leidenschaft nicht folgenlos blieb. So heiratete sie kurzerhand einen anderen und ihr noch ungeborener Sohn hatte damit einen Vater. Ob der etwas ahnte, bleibt ungewiss.
Da ist dieser Typ, eher ein Einzelgänger, eher ruhig. Aber aufbrausen kann der, dass Nasen brechen und Blut fließt. Eigentlich will er ja nur das Beste und mithalten will er, sich nicht ausstechen lassen. Aber irgendwie zieht er nie das große Los. Bis dann Märta, die er lange genug mit seinem ganz eigenen Charme umschwärmt hat, sich doch tatsächlich in seine Arme wirft und ihn gar heiratet. Matti hätte das nicht für möglich gehalten, aber große Selbstzweifel sind seine Sache nun auch nicht. Also, das passt schon und der abgelegene Hof, den er erbt, muss ja auch bewirtschaftet werden. Nur gut, dass ein Nachkomme so schnell unterwegs ist.
Olli wächst auf zwischen Liebe und Angst. Seine Mutter Märta umsorgt ihn liebevoll. Doch Matti, sein Vater, findet, sie würde den Bengel nur verziehen und verwöhnen. Hart soll er werden und irgendwann den Hof übernehmen. Stattdessen flüchtet Olli sich in die nächste Stadt und in ein etwas aus der Bahn geratenes Leben und in Drogen.
Den Polizisten, der Matti auf dem Hof findet und rätselt, was hier wohl passiert sein könnte, lasse ich mal außen vor. In den Kapiteln, die abwechselnd von den verschiedenen Figuren im Roman erzählen, dröselt Röthlisberger die einzelnen Leben mit ihren Entscheidungen und ihrem Hineingeworfensein auf und verknotet sie gleich wieder kunstvoll miteinander.
Mit seiner klaren Sprache webt der Autor einen wirklichen dichten Erzählteppich, der trotzdem an keiner Stelle überlastet wirkt. Es ist einfach nur kein Wort zu viel und damit womöglich eine treffende Zeichnung der Stimmung in diesem Südfinnland.
Ein bisschen spannend finde ich aber die Frage, wie diese Geschichte nach Südfinnland gelangte, obwohl sie der Anlage nach auch gut in der Schweiz hätte spielen können, wo der Autor lebt. Aber darauf gibt der Roman natürlich keine Antwort. 😊
Kurz und gut: Ein schönes Beispiel für richtig gute Literatur in einem kleinen, fast unscheinbaren Verlag. Lesen!
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