Dienstag, 23. Mai 2017

Dietlind Falk: Das Letzte



„Doktor Mabuse und ich kennen einander seit sechs Jahren. Ich weiß nichts über ihn, und er weiß nichts über mich. Das weiß er natürlich nicht, sein Job besteht schließlich darin, Dinge über Menschen zu wissen. Er ist mein Therapeut […].“ (Seite 7)

Als Ordnungsfanatiker würde ich mich nun nicht gerade beschreiben. Aber ich mag es schon, wenn die Dinge im Leben ihren Platz haben. Wie wohl die meisten anderen Menschen auch will ich, dass alles in halbwegs geordneten und übersichtlichen Bahnen verläuft. Und wenn die Stimmung mal morgens schon im Keller ist und die Tür fest hinter sich verschlossen hat – nun ja, dann stehe ich halt auf und fange an. Das wird dann schon. Das fügt sich alles.

In ihrem Debütroman erzählt Dietlind Falk von einer jungen Frau, für die sich nichts einfach fügt. Schon das Aufstehen ist eine Bestätigung des immerwährenden Scheiterns. Nichts ist anstrengender als das Leben. Sie hat sich eingerichtet in einer WG von Außenseitern und komischen Käuzen, schräge Figuren allesamt – und dazwischen Leo, in den sie zwar verliebt ist, es aber irgendwie nicht sein soll.

Dann ist da noch ihre Mutter, die sie regelmäßig besucht, um ebenso regelmäßig von der Wucht der Vergangenheit schier erdrückt zu werden. Ihre Mutter trinkt und hortet die unmöglichsten Dinge in ihrer aus allen Nähten platzenden Wohnung. Die Besuche rauben der Erzählerin die ohnehin schon kaum vorhandene Kraft, so etwas wie Alltag herzustellen, geschweige denn zu bewältigen. Ideen, Wünsche, Hoffnungen – keine Spur davon.

Doch wie so oft passieren Dinge, ungefragt und ohne Vorwarnung. So tauchen lange übersehene Briefe plötzlich auf und fordern dann zum Beispiel, dass die vollgestopfte Wohnung geräumt werden müsse. Sofort und ohne Verzug. Als wäre das dann nicht ohnehin schon zu viel auf einmal, landet die Mutter auch noch im Krankenhaus. Wie aber soll die junge Frau neben ihrem alltäglichen Kampf mit sich selbst auch noch die Räumung der mütterlichen Wohnung bewerkstelligen, ganz zu schweigen davon, dass sie eine neue Bleibe finden muss? Und die Sache mit Leo und der Liebe wird dadurch auch nicht einfacher.

Die Mutter ein Messie, Chaos im eigenen Kopf, eine Vergangenheit, die als Alb die Gegenwart heimsucht – Dietlind Falk hat sich mit diesen Konstellationen ganz schön was vorgenommen.

Es gelingt ihr, die Abgründe ihrer Figuren auszuloten, ohne sie zu einem Panoptikum aufzureihen. Mit genau dem richtigen Gefühl für die auch der größten Trostlosigkeit immer wieder innewohnende Komik beschreibt Falk die so heftig ins Wanken geratende Welt ihrer Hauptfigur. Dabei gibt es immer wieder wunderbare Perlen zu entdecken – kleine Formulierungen, Gedanken, die dem Text Balance verleihen und Raum für einen Funken Hoffnung lassen.

Zugegeben sei, dass ich bei diesem Roman hoffnungslos parteiisch bin, nachdem ich die Autorin persönlich kennenlernen durfte und von der zurecht immer größer werdenden Begeisterung des Lektors beim Entstehen des Buches angesteckt wurde. Das Ergebnis kann sich mehr als nur sehen lassen.

Liebe Dietlind, ich mag deinen Sound beim Erzählen, den Rhythmus und deinen Blick auf die Figuren und ihren Weg. Und ich freue mich unbändig darauf, mehr von dir zu lesen. ;)

Vollkommen objektiv kann ich kurz zusammenfassen: Kaufen und lesen! ^^

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