Donnerstag, 25. Mai 2017

Javier de Isusi: Ich habe Wale gesehen. Eine Freundschaft im Baskenland



Spanien, Baskenland. Nach einer wahren Begebenheit aus den Achtzigerjahren.

Der Priester Anton verlor vor 25 Jahren seinen Vater. Der fiel einem Attentat der baskischen Separatisten von der ETA zum Opfer und hinterließ seinen Sohn als Waisen. Als junger Seminarist erklärte er öffentlich, dass er den Tätern verzeihe. Das war eine mutige, eine weitreichende Geste, die sein weiteres Leben prägen sollte.

Josu kämpfte für die ETA und ist dafür seit Jahren inhaftiert. Seine Frau und sein Sohn besuchen ihn, der im Gefängnis im Kreise ehemaliger Mitkämpfer seine Tage fristet. Er ist mit Anton seit der Jugendzeit befreundet. Josu war am Attentat auf Antons Vater nicht beteiligt, aber es waren seine Genossen.

Ebenfalls im Gefängnis sitzt Emmanuel. Er verbüßt seine Strafe für Auftragsmorde, die er für die paramilitärische GAL verübte und die sich gegen die ETA richteten. Als illegaler Arm des spanischen Staates tötete er die Mörder von Antons Vater.

Mit vielen Rückblenden erzählt Javier de Isusi die Geschichte dieser drei Männer, wie ihre Leben direkt oder indirekt miteinander verwoben sind und von der Möglichkeit, im ehemaligen Feind ein menschliches Antlitz zu entdecken.

Die Art und Weise, auf die die Schicksale verflochten sind, ist dabei der Ausgangspunkt. De Isusi zeigt, wie wirkmächtig die Bande der inhaftierten Kämpfer selbst im Gefängnis noch sind. Auch hier scheint es kein Entrinnen aus den Feindschaften und Gräben zu geben, in denen die Beteiligten auf beiden Seiten auf Leben und Tod festsitzen. Niemand darf hier ausbrechen, bei Strafe der Verdammung durch die eigenen Kameraden.

Wie aber können die blutigen Auseinandersetzungen und die mit Blut geschriebenen Erzählungen davon jemals zu einem Ende kommen? Wie sollte Verzeihen möglich sein?

De Isusi erzählt die Geschichte ohne Vorwürfe in irgendeine Richtung. Er lässt seinen Figuren den Raum, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen. Der Stil, ein fast schon zarter Strich mit Aquarell eher zurückhaltend koloriert, fügt sich wunderbar in diese Erzählung, unterstreicht die Nuancen in der Entwicklung der Charaktere.

Nichts in dieser Geschichte ist leicht oder leicht verdaulich. Es gelingt dem Comic aber, das Ganze ohne unnötigen Pathos zu erzählen und damit den Menschen, um die es hier geht, die Möglichkeit zu geben, in all ihren Zweifeln und Ängsten, in ihrer Wut und Ohnmacht hervorzutreten.

Für mich ist dieser Band von Javier de Isusi eine echte Entdeckung!

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