Donnerstag, 21. Mai 2020

Walter Moers: Der Schrecksenmeister



„Stellt euch den krankesten Ort von ganz Zamonien vor!“ (Seite 9)

Die Rede ist von Sledwaya. Niesen, Husten, Röcheln, Leiden gehören hier zum guten Ton. Keine Krankheit, kein Zpperlein, das sich hier nicht fände. Der perfekte Ort für jemanden wie Succubus Eißpin, den Schrecksenmeister. Schrecksen, diese wundersamen Heilerinnen, gibt es kaum noch in der Stadt. Unerbittlich verfolgte Eißpin sie mit unerbittlichen Vorschriften. Obwohl das Amt des Schrecksenmeisters im Grunde nur Fassade ist. Denn eigentlich betreibt er seine finsteren, alchimistischen Wissenschaften, denen er gnadenlos jedes ihm nützlich erscheinende Lebewesen opfert – um die Essenz des Lebens zu brauchen.

Da kommt ihm die eigentliche Hauptfigur des Romans gerade recht. Echo, ein kleines Krätzchen. Als Kratze kann er selbstverständlich sprechen – alle Sprachen, auch die der Tiere. Als Echo nach dem Tod seiner Herrin verwahrlost und kurz vorm Hungertod Eißpin über den Weg läuft, bietet ihm der einen auf den ersten Blick annehmbaren Handel an. Bis zum nächsten Vollmond wolle er ihn aufs feinste verköstigen – und ihn dann töten und auskochen. Und hallo, warum sollte Echo, vermeintlich ohnehin dem Tode geweiht, da groß zögern?

Zunehmend aufgepäppelt erwachen auch Echos Lebensgeister wieder und mit ihnen sein Wunsch, das Leben möge doch etwas länger dauern. Immerhin soll es tatsächlich noch andere seiner Art geben, die zu sehen er andernfalls keine Chance mehr hätte. Doch Eißpin ist ein grausamer Gegner und anscheinend unschlagbar, was die Raffinessen angeht, mit denen er seinen Willen durchzusetzen versucht.

Echo braucht also Unterstützung und freundet sich mit allerlei wunderlichem Getier an, wie es halt in Zamonien so zu erwarten ist. Seine Geduld aber wird auf eine harte Probe gestellt.

Wie es sich für solch märchenhafte Geschichten gehört, verrate ich hier natürlich nicht, wie es ausgeht. Abgesehen davon sollte niemand das Buch mit hungrigem Magen aufschlagen, denn die Köstlichkeiten, mit denen Echo von Eißpin vertragsgetreu versorgt wird, klingen gar zu lecker.

Immer wieder muss ich mich ein wenig zusammenreißen, um die Zamonien-Romane nicht doch in einem Zug durch zu schmökern. Hildegunst von Mythenmetz ist und bleibt ein grandioser Schwafler, der kongenial von Walter Moers übersetzt wird.

Trotzdem bleibt es in der Abfolge der Zamonien-Romane für mich bisher der erzählerisch schwächste. Es passt schon alles gut zusammen und ist auch routiniert gut erzählt. Nur der Funke wollte hier nicht vollends überspringen. Ohne es so richtig packen zu können, kamen mir die Figuren, Motivationen und die sonst grandios fabulierten Abschweifungen etwas platter vor als in den Vorgängerbänden.

Die detaillierte Aufzählung der Speisen und ihrer Zubereitung zum Beispiel fand ich eher redundant als unterhaltsam. Während ich über manche Figuren mehr erfahren hätte. Damit wir uns aber nicht missverstehen, allen Freunden Zamoniens sei auch dieser Roman natürlich empfohlen.

Kurz und gut: Märchenhaft erleben wir ein weiteres Stück zamonischer Literaturgeschichte. Lesen und schon auf den nächsten Ausflug dorthin freuen!

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