Montag, 12. Juli 2021

Helmut Krausser: Geschehnisse während der Weltmeisterschaft


„Ich schlich mich aus den Scheinwerferkegeln, als hätte ich wen umgebracht und müsse untertauchen.“ (Seite 5)

Leon und Sally praktizieren Sex miteinander, quasi jeden Tag. Leon wünscht sich insgeheim mehr. Das wäre aber absolut unprofessionell, denn beide sind im überaus erfolgreichen Team Berlin und treiben Leistungssex.

Bevor jetzt schon jemand eine Augenbraue lüpft und die Nase rümpft, es handelt sich bei diesem Roman nicht um eine verschrobene Altherrenphantasie. Helmut Krausser präsentiert mal wieder eine rasante Mischung aus Dystopie, Satire, Thriller, Liebesgeschichte und Gesellschaftskritik.

Von den Bühnen verschämt belächelter Sexmessen hat es der öffentliche Akt in naher Zukunft eine Trendsportart zu werden. Doch die Gesellschaften entwickeln sich weiter und was ein ultraliberales Aushängeschild sein könnte findet sich immer weiter eingezwängt in Reglements. Von dem ursprünglichen Enthusiasmus bleibt alsbald nicht mehr viel und nur noch Dänemark findet sich bereit, die Weltmeisterschaften im Leistungssex auszurichten. Natürlich nur unter schwersten Sicherheitsvorkehrungen – gegen all die wütenden Proteste einer Phalanx an Gegnern, die sich sonst gern gegenseitig bekriegen, hier aber einmal sehr einig sind.

Leon ist der Star des Teams Berlin, doch seine Leistungsfähigkeit und Bereitschaft sind durch seine Gefühle stark beeinträchtigt. Also verschwindet er eine Zeitlang spurlos, um zu sich selbst zu finden.

Die Weltmeisterschaft selbst wird nicht nur von den Protesten überschattet, sondern auch von zwei Morden, handfesten Intrigen innerhalb des Sportverbandes und einen Stalker gibt es auch noch. Das Ganze wird durchaus angemessen lakonisch bis beißend spöttisch erzählt.

Ich liebe Kraussers Romane ja auch deshalb, weil sich keine zwei gleichen. So findet er auch mit dieser Geschichte wieder einen Tonfall, der mich aufhorchen ließ und – die Krausser-Lektüre genießen.

Ohne noch mehr von der unbedingt lesenswerten Geschichte zu verraten, will ich aber noch diesen Gedanken erwähnen. Egal wie scheinbar liberal und offen sich Gesellschaften geben, es braucht immer nur einen autoritären kleinen Funken, und das Rad wird ganz schnell zurückgedreht. Das müssen gar keine großen Verbote sein. Gesetze, die, nur zum Beispiel, die die Erwähnung von etwas anderem als Heterosexualität in Werbung, Filmen oder ähnlichem schon als kinder- und jugendgefährdende Manipulation deklarieren und unter Strafe stellen, reichen da vollkommen aus. Und große Verbände wie UEFA und Co sind sowieso der Tod aller Lust am Sport.

Kurz und gut: Es soll Menschen geben, die noch nie von Helmut Krausser gehört, geschweige denn etwas von ihm gelesen haben. Unerhört! Lesen!

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