„Marschland ist nicht gleich Sumpf.“ (Seite 11)
Ach, es hätte so schön sein können.
Eine idyllische, abgeschiedene Marschlandschaft, also Schwemmland an der Küste
North Carolinas. In einer kleinen, wackeligen und verwitterten Hütte lebt eine
Familie fernab der nächsten kleinen Stadt. Doch nach und nach verlassen alle
Kya, das jüngste Kind: erst die Geschwister, dann die Mutter und schließlich
der Vater, vor dem die anderen alle geflohen sind.
In Armut und
mit nur gelegentlichen Kontakten zu einem Händler lebt die kleine nun allein
und schafft es, mit ihrer besonderen Nähe zur Natur, den Pflanzen und den
Tieren, tatsächlich zu überleben. Für die Bewohner der kleinen Stadt ist sie
fast ein Geist, das Marschmädchen halt. Dass eine Zehnjährige ohne Familie,
ohne Schule oder sonst irgendjemanden mitten im Nichts aufwächst, scheint im
North Carolina der 60er Jahre niemanden weiter zu stören. Zu starr sind noch
die Trennungen in Weiß und Nichtweiß, in Arm und Reich. Wer sollte sich da um
das Gesindel in der Marsch kümmern?
Einen Freund
allerdings hat Kya – den etwas älteren Tate. Er weiß, dass sie Federn,
Muscheln, alles Mögliche in der Marsch sammelt und legt zunächst einfach nur
kleine Geschenke auf einem Baumstamm ab, wo sie sie in jedem Fall findet. Nach
und nach nähern sich beide an, werden enge Freunde, die die Liebe zur
Landschaft und ihren Bewohnern teilen. Da Kyla nicht mehr als nur einen Tag in
der Schule war, bringt Tate ihr Lesen und Schreiben bei, versorgt sie mit
Büchern, aus denen sie ihr Wissen über die Welt um sie herum ergänzt und
erweitert.
Er ist es
schließlich auch, der sie ermuntert, ihre Sammlungen und Zeichnungen dazu in
Form von Büchern zu teilen. So wird aus dem Marschmädchen eine bekannte Autorin
und Forscherin. Nur mit der Liebe bleibt es so eine Sache. Der, der für sie
bestimmt zu sein scheint, braucht einen langen Umweg zu ihr. Der, mit dem sie
stattdessen zunächst zusammenkommt, belügt, betrügt und benutzt sie.
Achja, einen
Tod, der möglicherweise ein Mordfall ist, gibt es auch noch. Es folgen
Ermittlungen, die Kya auf die Anklagebank bringen werden. Dort hängt ihr Leben
buchstäblich davon ab, dass die Geschworenen über die engen und engstirnigen
sozialen Grenzen dieser Zeit hinwegsehen können.
Es hätte so
schön sein können. Die Bilder im Buch zeichnen sich im Kopf ja quasi von
selbst. Und doch kann ich dem Hype, den der Roman eine Zeit lang erlebt hat,
nicht teilen.
Die
Geschichte begleitet die Hauptfigur ab einem Alter von vielleicht acht Jahren
bis zu ihrem Tod. Hauptsächlich werden ihre Kindheit, Jugend und die frühen
Erwachsenenjahre erzählt. Der Rest wirkt etwas wie drangebastelt. Insgesamt
empfand ich die Entwicklung der Figur nicht überzeugend. Zu viel blieb für
meinen Geschmack offen, was doch wirklich erzählenswert gewesen wäre. Dass eine
Zehnjährige es schafft, sich zu ernähren und zumindest genug Geld zu verdienen,
um sich das Allernotwendigste kaufen zu können, das bin ich ja gewillt einfach
mal hinzunehmen. Aber gerade ihr Aufwachsen in so viel Einsamkeit, die
Erfahrung der Natur in dieser Einsamkeit – das bleibt bei Postkartenkitsch
stehen. Und der ist nicht einmal besonders poetisch gelungen.
Natürlich
fällt einem Mädchen, das unter solchen Bedingungen und fern von sozialen
Einflüssen aufwächst, nichts Besseres ein, als sich dann doch irgendwie an die
breite Brust eines Sporthelden der Stadt zu wünschen – auch wenn sie ihm
letztlich den Laufpass gibt. Es bleibt beim Versuch die sepiagoldene
Vergangenheit so zu beschreiben, wie sie vermutlich nie war.
Selbst die
Verhandlung, in der die gesellschaftliche Spaltung dieser Zeit, die Vorurteile,
die Gewalt gut hätten verhandelt und gezeigt werden können, bleibt blass, nur
auf ein bisschen Effekt hin beschrieben, der dann auch nur klischeehaft
ausfällt.
Auch die
Dialoge wirkten auf mich unglaublich blutleer. Dazu passt, dass so viel im Buch
zwar behauptet aber gar nicht erzählt, gezeigt wird.
In den
90ern, meine ich mich zu erinnern, wurden nach erfolgreichen Filmen immer mal
wieder „Romane zum Film“ veröffentlicht. Das waren öfter geringfügig
aufbereitete Drehbücher, Merchandise halt. Dieses Buch erinnerte mich stark
daran. Schade, wirklich schade. Ich hätte es gern gut gefunden.
Kurz und gut: Nur die Verfilmung schauen geht
schneller und lässt mehr Zeit für andere Bücher. Muss man nicht lesen!
(Übersetzung: Ulrike Wasel/ Klaus
Timmermann)
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