Montag, 14. August 2017

Anna Tüne: Von der Wiederherstellung des Glücks. Eine deutsche Kindheit in Frankreich



„Alle nannten ihn Matté, er war so etwas wie der Dorfnarr. Er war Alkoholiker, jovial und laut. Fast immer, wenn die Kleine im Dorfladen stand und darauf wartete, bedient zu werden, hörte sie ihn nebenan in der Bar lärmen.“ (Seite 7)

Die Kleine ist die Tochter von ursprünglich aus Posen stammenden Eltern und wächst mit ihrer Familie in Südfrankreich auf. Ein Besiedlungsprogramm, von dem ich vor dem Buch noch nie etwas gehört hatte, führte die Aussiedlerfamilie dorthin. Anna Tüne, vermutlich „die Kleine“, nennt ihr Buch im Nachwort eine „hypothetische Autobiografie“.

In diesem Programm verpflichteten sich deutsche Familien, in vom Krieg entvölkerten Gebieten Frankreichs verlassene Höfe auf Zeit zu bewirtschaften. Anna Tünes Familie war eine davon und zog Anfang der 1950er Jahre in einem dieser Höfe ein. Hypothetisch bleibt dieser autobiografische Versuch, weil die Autorin zwar ihre Erinnerungen beschreibt, aber zugleich ein literarisches Puzzlespiel betreibt, in dem sie zwischen den Zeiten und den Personen hin und her wechselt und sich dabei natürlich auch Freiheiten in der Beschreibung erlaubt.

So gelingt es ihr, die eigenen Kindheitserinnerungen einzubetten in die Vorgeschichte ihrer Familie über die Zeit des Krieges hinweg und zugleich diese denkwürdige Form der Integration tief im eben noch verfeindeten Land zu beleuchten.

Für Leser*innen, die an biografischen Stoffen interessiert sind und die zugleich eine poetische Sprache zu schätzen wissen, kann ich das Buch bedenkenlos empfehlen. Das gilt natürlich auch für all jene, die sich für die merkwürdigen Geschichten interessieren, die so unglaublich große historische Verwerfungen wie der II. Weltkrieg gebieren.

Ich hatte das Vergnügen Anna Tüne im Gespräch über ihre Geschichte kennenzulernen. Fasziniert lauschte ich den Erinnerungen, die dies auch bei anderen Teilnehmer*innen der Gesprächsrunde auslöste.

Nur das Cover, das kann ich mir dann doch nicht verkneifen, passt mal so gar nicht. Der Inhalt des Buches ist nicht halb so kitschig, die das Foto auf dem Umschlag glauben macht. Das war nix, lieber Galiani Berlin Verlag. ^^

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