“Der Mann trägt einen
langen Schnauzbart zur Schau, so lang, dass er ihm oft in die Soße seines Lieblingsgerichts
– einen bei den Bauern dieser ländlichen Gegend traditionellen Brei aus weißen
Bohnen – hängt. Sein Appetit lässt erkennen, dass er ein bodenständiger Mann
ist: Er ist so versessen auf sein Leibgericht, dass in seinem langen Schnauzer
stets eingetrocknete Überreste von weißen Bohnen hängen.” (Seite 7)
Soviel kann ich ja
schon einmal verraten: Trotz seines in weißen Bohnen getränkten Schnauzers wird
der Bandit dann doch leider verhungern. Viel wichtiger ist aber ohnehin der
Fluch, mit dem er die Familie Marinescu noch rechtzeitig vor seinem Ableben belegt.
Genauer gesagt: Die männlichen Erstgeborenen jeder Generation. Über ein ganzes Jahrhundert.
So wird Familiengeschichte geschrieben.
Fantastisch fand ich an
den 141 Seiten, dass ich die ganze Zeit über eine kleine Blaskapelle im Ohr
hatte, die von einer irren Geige durch abstruseste Notenfolgen gepeitscht wird.
Dabei bin ich gar nicht sicher, ob diese Art Musik für das Rumänien, in dem die
Geschichte spielt, wirklich typisch ist. Aber was ist in diesem Roman schon
typisch?
Hach, diese Rumänen –
nein, irgendwie funktioniert der Gedankengang nicht. So leicht lässt sich diese
irre Geschichte nicht in eine Schublade packen. Ja, alles klingt so hübsch nach
einer fernen, exotisch anmutenden Welt, dort irgendwo im Südosten Europas. Es
ist alles sehr dörflich und einfach. Alle wirken ein wenig naiv, immer schon
rückständig und sehr impulsiv. Das Europa, das wir kennen, ist nicht nur viele
Jahre sondern auch viele Wegstrecken entfernt.
Und dann noch diese Familienclans,
in denen die Frauen so anheimelnde Namen tragen wie Maria die Zweitgeborene,
Maria die Versaute, Maria die Hässliche oder Margot die Schlange. So geht das natürlich
über Generationen hinweg. Während die männlichen Erstgeborenen vom Fluch des
schnauzbärtigen Banditen mit schöner Regelmäßigkeit hinweg gerafft werden,
dürfen die Frauen auf die ihnen je eigene Art hübsch daran leiden.
So sind sie halt, die
Marinescus. Je mehr ich aber darüber nachdenke, um so weniger exotisch kommt
mir allerdings diese Art der Familiengeschichte vor. Denn eigentlich kennen wir
das doch auch - diese auf Familiefeiern immer wieder erzählten Geschichten. Da
war der Opa, und der war so und so, und seine Frau, die Oma erst noch. Aber Jahre
später kam dann heraus. Das musst du dir mal vorstellen. Und selbst heute merkt
man das noch, wenn du nur an deinen Onkel denkst. Apropos, ob das mit der neuen
Flamme lange gut geht. Guck mal, wie die guckt. Die will bestimmt nur ans Familiensilber.
Ach, dass die Männer dieser Familie einfach nie ohne dieses Laster …
Irgendwie so wird doch
Sippengeschichte erzählt und familiäre Identität konstruiert. Komisch sind natürlich
immer die anderen, während in unserem eigenen Familienkosmos doch alles so
hübsch normal läuft.
Bevor das jetzt jemand
aus meinem Clan liest und womöglich in den falschen Hals bekommt: Nein, ich
meine natürlich nicht uns. Die Müllers, Meiers oder Marinescus vielleicht. Und Flüche
gibts bei uns gleich gar nicht.
Kurz: Ein herrlich
irrer Familienroman, keine Seite zu kurz oder zu lang. Lesen!
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