Sonntag, 5. November 2017

Tetsuya Tsutsui: Poison City (2 Bände)



Mitglieder der “Abteilung für Fragen der Kindheit und Zukunft” machen sich in Buchhandlungen auf die Suche nach möglicherweise jugendgefährdenden Schriften. Sie sammeln ein, was ihnen verdächtig erscheint.

Nun warden beim Durchblättern alle Seiten markiert, die einen eventuell “schädlichen” Inhalt aufweisen. Der Grad der Schädlichkeit des gesamten Werkes ergibt sich aus dem Verhältnis der “schlimmen” Seiten zur Anzahl der Seitenzahl insgesamt.

Die “Kommission für Erziehung und Schutz Minderjähriger” bekommt den Stapel der so herausgefilterten Werke zur abschließenden Begutachtung vorgelegt. Im Schnellverfahren und ohne Zeit, die Sachen auch wirklich zu lesen, wird nun abgeurteilt.

Welche Auswirkungen mag ein solches Zensurverfahren wohl auf die Urheber haben, die die Veröffentlichung ihrer Werke ja nicht gefährden wollen. Wie reagieren Verlage, um ihren verkaufbaren Ausstoß an Titeln nicht zu gefährden? Bis hierhin ist übrigens noch nicht die Story von “Poison City” geschildert worden, sondern nur der reale Anlaß für Tsutsui, diesen zweibändigen Manga zu schreiben und zu zeichnen. Diese reale Begebenheit aus dem Japan zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird im Anhang erzählt.

Die Story von “Poison City” dreht das Rad noch ein wenig weiter. Was wäre, wenn sich eine radikale Gruppe fände, die dieses Zensursystem nutzte, um mit einer willkürlichen Behauptung, was alles sittenwidrig und gefährdend wäre, unser Leben einzuschränken, uns gefügig zu machen. Wie weit würden wir es ertragen? Brächten wir den Mut zum Widerstand auf?

Ein junger Mangaka arbeitet an seiner Horrorserie, die er unbedingt veröffentlichen möchte, während die “Säuberungsfront” sich anschickt, das gesellschaftliche Klima zu bestimmen. Zunächst weiß er den Verlag auf seiner Seite. Gemeinsam versuchen sie auszuloten, wie weit sie die neuen Grenzen strapazieren können. Doch als sein Werk tatsächlich indiziert wird, steht der junge Mann vor existenziellen Entscheidungen.

Tsutsuis Manga nur als Thriller zu lesen, erscheint mir zu wenig angesichts der Tragweite, die er schildert. Seit einigen Jahren erleben wir in den hochgelobten Demokratien, wie schnell  oder unmerklich für ewig sicher geglaubte Freiheiten angreifbar werden und auch verloren gehen können. Es kommt dabei auf jede*n von uns an und darauf, wie weit wir bereit sind, dies klaglos hinzunehmen. Allein die Tatsache, wie wenig sich Autoren/ Zeichner wie Tsutsui manchmal zur Realität hinzudenken müssen, ist schon erschreckend.

Muss ich extra erwähnen, dass “Poison City” spannend aufgebaut, überzeugend erzählt und grafisch toll umgesetzt ist? ^^

Kurz: Eine überzeugende Lektüre auch für Manga-ferne Leser*innen. Lesen!

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