Mittwoch, 31. März 2021

Wolfgang Schorlau: Kreuzberg Blues. Denglers zehnter Fall


„Nachts, wenn er nicht gerade die Oranienstraße raufläuft oder am Kotti abhängt, ist Kreuzberg für ihn auch nur ein Kaff.“ (Seite 13)

Mal einen Tatort schauen, ok. Aber Krimis sind bei Büchern eigentlich nichts, was mich so sehr interessiert. Ich muss auch zugeben, dass mit weder der Ermittler Georg Dengler, die Verfilmungen und auch der Autor Wolfgang Schorlau bisher nichts gesagt haben. Puh. 😉

Zur Vorbereitung einer Veranstaltung mit einer Lesung von Wolfgang Schorlau aus dem aktuellen Buch und einer Diskussion zum Start der Sammelphase für das Berliner Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ landete der Band dann auf meinem Tisch. Also Krimi lesen!

Spannend war ja in diesem Fall, dass Politik, Alltagserleben und Fiktion hier komprimiert aufeinandertreffen. Denn Dengler ermittelt in einem Fall, bei dem es sich um das explosive Verhältnis von Berliner Vermieter:innen und denen, die in den Wohnungen leben, dreht.

Am Anfang steht natürlich eine Straftat, die im Folgenden aufgeklärt werden muss. Mitten in der Nacht werden in einem Mietshaus Ratten ausgesetzt, die besonders aggressiv sind und Menschen angreifen. Leider wird ein kleines Mädchen in seinem Kinderbett Opfer einer Rattenattacke. Brisant ist, dass der Wohnblock gerade im Blick des besitzenden Immobilienhais ist und saniert werden soll, wobei die dort Lebenden stören. Vor allem, weil es einfache Leute sind, die sich ganz sicher keine fetten Mieterhöhungen leisten können.

Der Verdacht liegt also reichlich nahe, in welcher Richtung die Ermittlungen wohl fündig werden könnten. Dengler, der eigentlich aus Stuttgart stammt, legt los.

In der Folge bietet sich ein Einblick in die Immobilienbranche dar anhand zweier Firmen und deren wichtigster Akteure. Ebenso deutet sich an, wie sich Menschen, die als Mieter:innen den Profitinteressen eben doch recht machtlos ausgeliefert sind, organisieren. Achja, Corona bekommt am Ende dann auch noch einen Auftritt. Aber dazu später noch einen Gedanken mehr.

Spannend am Setting der Story ist natürlich, dass es so dicht an aktuellen politischen Vorgängen angelegt ist. Der Autor hat folgerichtig auch in Berlin recherchiert und auf das Wissen der entsprechenden Bürger:inneninitiative um die Verhältnisse auf dem Berliner Mietenmarkt zurückgegriffen.

Gut und böse sind, das liegt sicher auch im Genre begründet, dabei im Roman recht eindeutig verteilt. Politisch will ich da gar nicht widersprechen. Erzähltechnisch ist mir die Funktion klar, mag ich als Leser aber Ambivalenzen doch deutlich lieber. Ich find es dann doch interessanter zu lesen, wenn der Böse nicht gleich auch noch richtig pervers sein muss.

Mit einer geheimen Geheimorganisation, die da in einem Seitenstrang vorgestellt wird, konnte ich ehrlicherweise nichts anfangen. Für meinen Geschmack blieb das zu wenig aufgelöst, um der Geschichte wirklich dienlich zu sein. Möglicherweise ist dies aber auch dem Seriencharakter geschuldet?

Ein anderer Punkt, der mir auffiel: Es lässt sich wirklich viel über das Berliner Immobiliengeschäft erfahren. Deutlich weniger war dann aber für meinen Geschmack über einzelne Figuren zu lesen. Während der Böse hübsch ausgeleuchtet wurde, blieb Dengler als Hauptfigur für mich recht blass. Das mag vielleicht auch dem geschuldet sein, dass es bereits neun Fälle gab, die ich aber nicht gelesen hab. Die typische Romanerwartung ans Personal wird im Krimi dann vielleicht doch auch einfach anders bedient.

Was das Handwerkliche angeht, hab ich allerdings nix zu meckern. Schorlau weiß offenbar recht gut, was er da macht und setzt die Effekte geschickt ein. Das Ganze lässt sich dann auch entsprechend gut lesen. Interessant war es vom Autor zu hören, dass Roman und Drehbuch in diesem Fall parallel entstanden – gerade in der Zeit, als Corona anfing unser aller Leben umzukrempeln. Auch wenn Schorlau beim Schreiben sicher noch nicht absehen konnte, wie lange und in welcher Art und Weise uns das Thema noch begleiten wird, war es dann doch schon mal Anlass genug, es hier anzuspielen.

Kurz und gut: Ein Krimileser werde ich auch nach diesem hier nicht. Wer aber Lust auf einen Krimi mit brandaktuellem, politischen Hintergrund hat, der wird hier bestens bedient. Kann man mal lesen!

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