Mittwoch, 2. Juni 2021

Andreas Speit (Hrsg.): Reichsbürger. Die unterschätzte Gefahr


„Zwei Jahre Haft. Im bayerischen Memmingen verurteilte das Amtsgericht einen Reichsbürger wegen gefährlicher Körperverletzung. Der 73-jährige Rentner hatte 2016 bei einer Durchsuchung einen Polizeibeamten mit Pfefferspray so attackiert, dass dessen Haut nachhaltig geschädigt wurde.“ (Seite 7)

Im Zuge der großen Querdenker-Demos im Spätsommer 2020 konnte man den Eindruck gewinnen, dass Reichsbürger (als weiter Begriff für Leute, die die Staatlichkeit der Bundesrepublik anzweifeln – mit allen möglichen Konsequenzen) ein total neues Phänomen seien. Dieser Sammelband mit Beiträgen dazu, wer sich so unter diesem Begriff fassen lässt, worauf sich diese Leute beziehen, in welche Kontinuitäten sie sich einreihen und was sie eigentlich wollen – dieser Band versuchte bereits 2017 eine Bestandsaufnahme.

Resümee der Fachleute, die hier zu Wort kommen, was bereits damals, dass es reichlich verwunderlich sei, dass die Behörden und auch die Politik dieses Spektrum so lange in komische Käuze und Einzelfälle kleinredete, obwohl die Bezüge eigentlich schon länger offensichtlich waren.

Wenn es überhaupt eine öffentliche Wahrnehmung gab, dann erschöpfte sie sich zumeist in dem Bild eigenbrötlerischer Querulanten, die Behörden mit einer Eingaben- und Beschwerdeflut überzogen. Dass es eine oder auch mehrere Szenen geben könnte, die vernetzt sind, und es ebenfalls einen ideologischen Hintergrund braucht, damit reichsbürgerische Ideen überhaupt greifen können, das blieb dann doch außen vor.

Wenig überraschend zeichnet der Sammelband nach, dass es diesen Szenen weniger darum geht, Staatlichkeit immer und überhaupt abzulehnen. Vielmehr wird die Souveränität des Einzelnen, einfach so einen Staat ausrufen zu können, dafür genutzt, nicht irgendeinen Staat abzulehnen, sondern eben genau diese Bundesrepublik als Nachfolgerin des Deutschen Reiches. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt.

Im Lichte des postfaktischen Zeitalters, in dem Querdenker, AfD und Co. behaupten, es sei ein Zeichen von Freiheit, sich einfach die Fakten selbst bauen zu können, die die vorgefasste eigene Meinung bestätigen, ist es nun alles andere als verwunderlich, dass sich bei den Protesten gegen die Anti-Corona-Maßnahmen eben nun diese krude Mischung aus den Obengenannten wiederfindet. Um die Rechtslastigkeit dieser selbstbehaupteten Bewegung oder wenigstens deren Offenheit gerade nach Rechts zu erkennen, braucht es dann nicht viel. Wer sehen und hören kann, der/die kann genau das auch wahrnehmen.

Kurz und gut: Um einen Überblick und Einblick in das zu bekommen, was hier unter „Reichsbürgern“ zusammengefasst wird, ist dieser Sammelband bestens geeignet. Lesen!

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