Freitag, 4. Juni 2021

Salman Rushdie: Golden House


(Übersetzung: Sabine Herting)

„Am Tag der Amtseinführung des neuen Präsidenten, als wir Sorge hatten, er könnte, während er Hand in Hand mit seiner außergewöhnlichen Frau durch die jubelnde Menschenmenge ging, ermordet werden, als so viele von uns wegen der geplatzten Hypothekenblase kurz vor dem wirtschaftlichen Ruin standen und als Isis noch eine ägyptische Göttin war, traf ein ungekrönter etwa siebzigjähriger König mit seinen drei mutterlosen Söhnen aus einem fernen Land in New York City ein, um einen Palast im Exil zu beziehen, dabei verhielt er sich, als gäbe es an dem Land oder an der Welt oder an seiner eigenen Geschichte nichts auszusetzen, und begann wie ein gütiger Herrscher, seine Nachbarschaft zu regieren – doch trotz seines charmanten Lächelns und der Fähigkeit, seine Guadagnini-Geige von 1745 zu spielen, trug er ein schweres, billiges Parfüm, den unverkennbaren Geruch von krasser, despotischer Gefahr, diese Art Duft, der uns warnt, hüte dich vor diesem Kerl, denn er könnte jeden Augenblick deine Hinrichtung anordnen, wenn du zum Beispiel ein T-Shirt anhast, das ihm nicht gefällt, oder wenn er mit deiner Frau schlafen will. (Seite 11)

Ja doch, das ist der erste Satz. Und er geht nicht über die ganze erste Seite. Aber nur fast. 😊

Der junge Filmemacher René wächst inmitten von New York wohlbehütet und angrenzend an einen traumhaft schönen, privaten Garten auf, der nur den Anwohner:innen Zugang gewährt. Seine Eltern gehören zur liberalen, akademischen Elite der Stadt, ohne sich sehr viel darauf einzubilden. Sie lassen ihrem Sohn Zeit und Raum seinen Weg zu finden und zu erkunden. Ihr jäher Unfalltod reißt Renè aus diesem Kokon.

Bereits vor diesem bitteren Moment seines Lebens gibt es in einem der an den Garten grenzenden Häuser einen neuen Bewohner. Nero Holden zieht dort mit seinen drei Söhnen ein, ein buchstäblicher Selfmade-Man, denn sein Name und die Namen seiner Söhne sind selbstgewählt – ebenso wie das beharrliche Schweigen darüber, aus welchem Land sie stammten, bevor sie sich in New York niederließen. Die Holdens sind unfassbar reich. Nero herrscht patriarchengleich über die mutterlose Familie. Zunächst über den Garten lernt René diese rätselhaften Leute kennen, freundet sich an und plant schließlich einen Film aus dem fantastischen Stoff zu machen, den diese Familie, ihre Geheimnisse und Verstrickungen, liefert.

Im Hintergrund vollzieht sich auf der politischen Bühne der Wechsel von dem guten Präsidenten hin zu dem Clown auf dem Thron. Damit ist auch der Kontext aufgespannt, in dem Rushdie René und die Holdens betrachtet. Beispielhaft prallen hier liberale Demokraten aus Überzeugung auf eine schier trumpistische Lebenswelt. Die ist mit genügend Geld ausgestattet, kennt kaum Skrupel und scheint nicht wahrnehmen zu wollen, wie viel sie vorspielt und vorspiegelt, während sie damit beschäftigt ist, dieses Spiel aufrecht zu erhalten. Der alte Nero Holden, der sich eine junge Russin zur neuen Frau nimmt, dirigiert dabei mit eiserner Faust. Aber auch keiner der Söhne, so tragisch ihre Geschichten auch jeweils klingen, ist ohne eigene Schuld. Achja, die neue junge Ehefrau ebenso wenig. Folgerichtig führt uns Rushdie eine Familientragödie vor, die im Desaster und im Untergang enden muss.

Ich kann, das muss ich gestehen, gegen einen Rushdie-Roman einfach grundsätzlich nichts sagen, weil er nach wie vor zu meinen persönlichen literarischen Heroen gehört. Aber die Begeisterung, die mir frühere Romane entlockt haben, blieb dieses Mal leider aus. Ich habe die Lektüre genossen und kann das Buch bedenkenlos weiterempfehlen. Nur der richtige Kick fehlte mir dieses Mal, ohne dass ich genau benennen könnte, was genau fehlt.

Kurz und gut: Es bleibt dabei: Rushdie geht für mich immer, auch mal ohne frenetischen Jubel. Lesen!

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