Donnerstag, 9. Dezember 2021

Flix: Spirou in Berlin


„Liebe Genossinnen und Genossen, wir sind PLEITE!“ (Seite 5)

Diese Erkenntnis in Ost-Berlin sollte in der Folge dazu führen, dass es Spirou und Fantasio, die beiden franko-belgischen Comichelden in den wilden Osten verschlägt – natürlich mitten in die spannende Zeit kurz vor der Wende 1989. Geschrieben und gezeichnet hat das rasante Abenteuer mit Flix erstmalig ein deutscher Zeichner. Wow.

Aber in aller Kürze von vorn: Graf Rummelsburg, ein guter Freund von Spirou, erhält im Sommer 1989 eine Einladung zum Ersten Internationalen Mykologenkongress – nach Ost-Berlin. Dass der dort gar nicht hinreisen will, dann aber auf einmal aus seiner Villa verschwunden ist, ruft Spirou und seinen Freund Fantasio auf den Plan. Auf der Suche nach dem Grafen landen sie unweigerlich – in Ost-Berlin.

Wie Spirou so ist, kann er nicht ruhen, bis er nicht seinem Freund, dem Grafen helfen konnte. Der eigensinnige Fantasio wittert dagegen seine große Chance al Reporter. Immerhin kann er hier von hinter dem Eisernen Vorhang berichten.

Und zu berichten gibt es dann recht schnell so einiges. Fantasio bringt sich mal wieder in Windeseile in Schwierigkeiten und landet auch noch prompt im Stasiknast. Derweil schließt Spirou Bekanntschaft mit einigen Bürgerrechtler:innen, die im Widerstand arbeiten.

Während der Suche nach dem Grafen werden die beiden belgischen Helden natürlich die ganze Zeit über von der Stasi beobachtet und verfolgt. Immerhin sind sie ganz ungeahnt einem weltverändernden großen Geheimnis des Regimes auf der Spur.

Puh, und am Ende geht es gerade noch mal gut aus. 😊

Insbesondere für Fans in Deutschland ist die Flix-Variation von Spirou natürlich ein echtes Highlight. Zum einen, weil Comicfans schon lange sehr neidisch ins Franko-Belgische schauen, wo Comics als Kulturgut ganz selbstverständlich dazu gehören – im Gegensatz zum eher unterentwickelten Deutschland in dieser Hinsicht. Zum anderen weil gerade dieses Abenteuer von Spirou mitten hinein führt, in die jüngere deutsche Geschichte.

Und Flix meistert das erzählerisch wie zeichnerisch wirklich grandios. Die Story ist rasant, witzig und herrlich abgedreht. Der Zeichenstil wirkt für diese inzwischen ja auch altehrwürdigen Figuren angenehm frisch. Alles bestens also.

Ok, ich muss zugeben, dass ich trotz aller Begeisterung dann doch irgendwie etwas gestutzt habe. Vielleicht war es der Ossi in mir, der da zuerst etwas trotzig geschnauft hat. Ich bin nicht sicher. Aber beim drüber nachdenken hakte dann doch etwas für mich.

Vollkommen klar, dass wir hier über ein kinder-/jugendkompatibles Comicabenteuer sprechen und nicht über eine historische Dokumentation. Aber andererseits hat sich Flix ja schon einige Mühe mit der Genauigkeit gemacht, wie verschiedene Rezensionen gern hervorgehoben haben.

Der Comic macht sich die Mühe, den Leser:innen kurz zu erklären, was die DDR war. Auf einer kleinen eingefügten Erklärseite (ja, immer noch als Comic) wird dieses lustige Land vorgestellt, in dem es gar nicht so lustig zuging. Immerhin handelt es sich hier, wie festgestellt wird, um eine kommunistische Diktatur. Passend zu dieser kleinen Einführung erlebt Fantasio, ganz der Reporter, zunächst die unglaublich friedliche und bunte DDR – bevor er dann flugs im Stasiknast landet, weil er mit der falschen Person gesprochen hat. Zur Ehrenrettung dieses offensichtlichen Schurkenstaats gibt es aber auch noch die Bürgerrechtler:innen, ganz dem Klischee verpflichtet natürlich ein wenig kauzig dargestellt.

Für das Erzählen eines solchen Abenteuers in diesem Genre ist das Böse natürlich passenderweise so richtig richtig böse. In diesem Fall funktioniert die humorige Action halt vor einem typischen Kalter Krieg Hintergrund. Als Mittel der Erzählung verstehe ich das und finde es auch wirklich gelungen. Und trotzdem grummelt da was in mir, weil ich mir denke, dass es schon noch eine DDR jenseits der Erklärseite gab und hier halt ein Narrativ für die Story verwendet wird, dass schon so lange auf Kosten der Ostdeutschen und ihrer Geschichte erzählt wird.

Und dann denke ich wieder: Aber es ist doch nur ein witziger Comic.

Und ich bleibe etwas hin und her gerissen zurück. Kann das jemand nachvollziehen?

Kurz und gut: Flotte Comicaction in und aus Berlin. Lesen!

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