Montag, 29. April 2019
Mosaik #521
Ich mach heut einfach weiter mit Wochenende! 🤜🤛
Und ihr so? 😉🍾
#lesefrühling #comic #abrafaxe #mosaik #abenteuer #geschichte #mittelalter #hanse #lübeck #nowgorod#comicmag #indiecomic #lesen #leselust #lesenswert #yesyoucomican
Donnerstag, 25. April 2019
Lukas Kummer: Die Verwerfung. Eine Geschichte aus dem Dreißigjährigen Krieg
„Seit Tagen stapfen wir durch das Eis und über die harten Äcker,
auf der Suche nach einem Quartier für den Winter. Zu dieser Jahreszeit ist das
Reisen sehr gefährlich, deshalb meiden wir die Straßen und Wege.“ (Seite 5)
Wir – das sind Johanna Krainer und ihr kleiner Bruder Jakob. Der
Winter ist der des Jahres 1646. Der Dreißigjährige Krieg dauert nun schon
länger an als die Anzahl an Lebensjahren, die das Geschwisterpaar zusammenbringt.
Ein Ende ist für sie nicht abzusehen oder auch nur vorstellbar.
Auf sich allein gestellt ziehen sie durch ausgezehrte
Landschaften, vorbei an menschenleeren Dörfern und Häusern. Einzig das Grauen,
das Menschen einander antun können wächst und gedeiht. Galgenbäume, zermarterte
Körper, Leichenteile, Verwesungsgeruch – all das schmückt die Welt der
Geschwister, die das kaum noch wahrzunehmen in der Lage sind. Etwas zu essen zu
finden, Dinge zum Eintauschen und die ständige Sorge um den eigenen Schutz vor
Soldaten oder anderen Hungerleidern – das bestimmt ihr Denken.
Die Geschichte, die Lukas Kummer bereits 2015 präsentierte, dreht
sich um die schier unendliche Vergeblichkeit mit der sich die beiden
Geschwister durch diese Welt des Krieges ihren Weg suchen. Erbaulich ist hier
gar nichts. Auf jeden erfreulichen Fund folgt ein hinterhältiger Angriff, eine
fast beiläufige Attacke, weil sie gerade da sind oder im Weg stehen.
Kummer illustriert so die alltäglich gewordenen Schrecken eines
Krieges, der Menschen und Länder auszehrt. Dem eine Sinn oder auch nur eine
fassbare Begründung zu verleihen ist Sache von Historikern. Für Johanna und Jakob geht es nur um eines:
irgendwie bis morgen überleben. Und dann bis übermorgen. Und immer so weiter.
Dabei können sie der Verrohung der Welt um sie herum nichts
entgegen setzen als die kurzen und seltenen Momente, in denen der kleine Jakob
sehnsüchtig zu den am nächtlichen Himmel blinkenden Sternen aufschaut. Johanna,
die allein die ganze Last zu tragen hat, fügt sich darein, indem sie als Junge
verkleidet für beide kämpft. Die Vergeblichkeit ihres Kampfes kroch mir beim
Lesen eiskalt den Rücken herauf, als ich versuchte mir vorzustellen, wie sie in
einer Zeit und an einem Ort nach dem Ende des Krieges ankommen könnten.
Vergeblich. Sie sind, im schlimmsten Sinne, Kinder dieses sinnlosen Krieges.
Lukas Kummer hat Bilder und einen Zeichenstil gefunden, die all
diese Trostlosigkeit widerspiegeln und einfangen. Es ist zutiefst beklemmend,
Johannas Stimme über diesen Bildern zu hören.
Nicht unerwähnt lassen will ich, dass ich die Aufmachung des
Comics durch den Indieverlag Zwerchfell wirklich toll finde.
Kurz und gut: Beklemmend und eine überzeugende, gelungene
Darstellung von Kriegsgräueln und Trostlosigkeit. Lesen!
Sonntag, 21. April 2019
Walter Moers: Die Zamonien-Romane (Bände 1 – 4)
„Ein Blaubär hat siebenundzwanzig Leben. Dreizehneinhalb davon
werde ich in diesem Buch preisgeben, über die anderen werde ich schweigen. Ein
Bär muß seine dunklen Seiten haben, das macht ihn attraktiv und mysteriös.“
(Die 13 ½ Leben des Käpt´n Blaubär, Seite 6)
Walter Moers als Teenie zu lesen geht voll klar, weil das keine Kinderbücher
mehr sind und noch kein dröger Erwachsenenstoff die Seiten beschwert. In den
Zwanzigern Moers zu lesen passt gut zur künstlich verlängerten Jugend und der Weigerung,
endgültig erwachsen zu werden. In den Dreißigern ist es eine kurze Zeitlang
grenzwertig. Moers in den Vierzigern zu entdecken verspricht den höchsten Genuss.
Vertraut mir, ich weiß, wovon ich rede! 😉
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als bei vielen um mich
herum in den ersten eigenen Wohnungen in den IKEA-Regalen Ausgaben der „13 ½ Leben
des Käpt´n Blaubär“ auftauchten. „Doch, das musst du mal lesen. Das ist voll
gut.“ Damals hab ich andere Bücher für mich entdeckt und war ziemlich genervt
von dem quietschigen Hype von Leuten, die nur keine richtigen Bücher lesen
wollten. Dachte ich mir damals jedenfalls. Und dieses damals ist jetzt auch
schon wieder fast zwanzig Jahre her. ^^
Lange hab ich also nur aus den Augenwinkeln wahrgenommen, dass da
immer mal wieder neue Moers-Romane aufgetaucht sind. Ob der Hype immer noch so
groß ist, weiß ich gar nicht zu sagen. Jedenfalls haben die Leute von damals
ohnehin schon ihre zweite oder eher dritte Wohnung, wenn nicht ein Eigenheim
und anständige Jobs, wohlerzogene Kinder und die meisten vermutlich eher nicht
mehr so viele Bücher im Regal. Es könnte aber auch sein, dass ich gerade
abschweife. Egal, es ist ja mein Text. ;p
Im letzten Jahr jedenfalls bekam ich ein hinterhältiges Geschenk
zum Geburtstag. Der erste von zwei Bänden der Comicadaption der „Stadt der träumenden
Bücher“ war bereits erschienen. Ich hatte ihn schon in der Hand gehabt, fand
aber immer wieder etwas, was mir interessanter erschien. Zum Geburtstag
schließlich kam ein Päckchen mit eben genau diesem ersten Band. Und es ist nun
wirklich hinterhältig, einem Leser mit Hang zum Sammeln und Horten von irgendetwas
den ersten Band zu schenken. Noch dazu, wenn dicht unter der Haut
Zwangsneurosen hausen wie die, gar nichts gegen Adaptionen zu haben, aber dann
wenigstens das Original zuerst lesen wollen zu müssen. Das letzte Mal zuvor
erhielt ich so ein wirklich schlimmes Geschenk anlässlich der Comicversion von
Stephen Kings „Dunklem Turm“. Und ja, die acht Bände des Romanzyklus stehen
durchgesuchtet im Regal. Ich hatte ja bereits darauf hingewiesen, dass dies
hier mein Text ist. Ich darf also abschweifen, wie und so oft ich will! ^^
Wenn das Original dann aber nicht einmal der erste sondern der
vierte Roman einer mehrbändigen Reihe ist und diese neben den nett gemachten,
günstigen Taschenbuchausgaben auch noch als liebevoll hergestellte und lustvoll
illustrierte Hardcoverausgaben zu haben ist – dann offenbart sich die ganze
Hinterhältigkeit eines solchen vergifteten Geschenks. Buhuuu …
Die Neurose säuselte mir also ins Ohr: Das ist sie, die bisher
ausgebliebene Gelegenheit. Nun hol sie dir schon, diese wunderschönen Bücher.
Am besten alle auf einmal. Sonst gibt es sie womöglich nicht wieder. Und schau,
„Die 13 ½ Leben des Käpt´n Blaubär“, die ursprünglich nur mit schwarz-weißen
Illustrationen erschienen waren, die gibt es nun sogar in einer aufwendig
kolorierten Ausgabe. Der Kolorist ist zugleich auch noch der junge Zeichner,
mit dem der Moers zusammen die Comicadaption schuf. Wie könntest du also nicht
zugreifen?
Alter, du nervst!
Ich habe die Zwangsneurose ausgetrickst. Von wegen alles auf
einmal kaufen. Ich habe mich auf die ersten drei Bände beschränkt. Band 4 war
dran, als ich Band 3 zu lesen anfing. Band 5 – das ergibt sich ja schon von
selbst. Nur damit die Neurose nicht so scheußlich selbstzufrieden grinsen kann,
habe ich die Bände 6 und 7 gleich zusammen gekauft. Den Weihnachtsband bekam
ich zu Weihnachten geschenkt. Aber Band 8 – den hebe ich mir jetzt einfach noch
auf. Nimm das, du doofe Neurose, und troll dich!
Da ich ja ohnehin vermutlich der Letzte bin, der die Route nach
Zamonien entdeckt hat, brauch ich euch auch nicht mit detaillierten
Inhaltsangaben zu langweilen. Viel mehr beschäftigt mich auch eigentlich die
Frage, was es ist, das diese Romane so
fürchterlich gut verschlingbar macht. Mit welchen teuflischen Tricks schreibt
dieser Moers? Welches so unglaublich süchtig machende Pulver streut er unter
die Worte und zwischen seine Sätze? Gibt es eine anerkannte Therapieform, und
warum sollte sich irgendjemand überhaupt aus Zamonien wieder heraustherapieren
wollen?
Meine erste und grundlegende Erkenntnis ist: Diese Bücher sind ernst
gemeint und darum sind sie echt. Jedes Wort ist wahr!
Das unterscheidet Moers’ Werk von unzähligen anderen Fantasywerken
mit und ohne pädagogischen Anspruch. Diese Romane wollen nicht belehren. Es geht
nicht um „Wir sprechen hier von Wolpertingern, meinen aber natürlich Menschen.
Und du, lesendes Menschlein, lerne nun daraus!“. Damit war der Weg zu einem
x-beliebigen Kinder- und Jugendbuchverlag schon grundlegend verbaut. Puh, ein
Glück aber auch. ^^
Wer bisher glaubte, Walter Moers würde sich als Autor nur hinter den
Erzählstimmen von Käpt´n Blaubär oder von Hildegunst von Mythenmetz verstecken,
dem sei versichert: Wenn eine Welt wie Zamonien so echt ist, dann braucht sie
keine Versteckspiele oder literarischen Rochaden, sondern nur ein Medium mit
der Fähigkeit, bisher Unsichtbares sichtbar zu machen, in Worte zu fassen. Wir
sollten Walter Moers dafür danken, dass er sich dafür hergegeben hat und
hoffentlich weiter hergibt. Schließlich kann sich all diese Gestalten und
Kreaturen und deren Abenteuer ja kein Mensch einfach so ausdenken, oder?!
Ich hab es schon bei den ersten Zeilen des ersten Romans gespürt.
Es kribbelte in der Nase, vibrierte tief in mir drin, so in der Gegend um das
Zwerchfell herum. Wie auf einem silbernen Faden aufgefädelt und durch einen
sanften Wind angepustet tanzte Seite um Seite vor meinen Augen, wirbelten
Volten, Wendungen, schöne Sätze und die Ahnung von monströsem Monstergeschrei
vorbei.
Für die Superskeptischen unter der Leserschaft sorgte Moers mit
den Querverweisen auf das lexikalische Werk von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller vorsorglich
für eine hinreichende und nachweisliche Faktenlage. Wie ich schon erwähnte:
Jedes Wort ist wahr!
Meine zweite Erkenntnis erschüttert jedes postmodern-ironische
Gefüge: Es gibt es noch, das Gute in der Verlagswelt.
Großformatig hergestellte, liebevoll und aufwendig illustrierte,
mit angemessen viel Raum für den Satz versehene, auf elegantem Papier gedruckte
Bücher gibt es nur, wo auch das Gute noch ein Zuhause hat.
Nach Zamonien als Teenager zu reisen macht das Herz weit und weitet
den Blick auf das, was da vor einem liegt und entdeckt werden will. In den Zwanzigern
sorgt eine solche Reise dafür, dass die magischen Kräfte aus Kindheit und
Jugend nicht einfach so verschwinden. In den Dreißigern ist es eine kurze
Zeitlang grenzwertig. Aber Zamonien in den Vierzigern zu entdecken, bedeutet zu
verstehen, dass es nie zu spät ist.
Kurz und gut: Leider hatten alle recht. Würde Walter Moers nicht
von Zamonien berichten, müsste sich dringend jemand finden, der oder die das
nachholt. Lesen! 😉
Mittwoch, 17. April 2019
Volker Weiß: Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes
"Die 'Neue Rechte' wird breit diskutiert - der Begriff dabei immer diffuser. Der Historiker und Journalist Volker Weiß ermöglicht mit diesem Band tiefenscharf und auch für Laien verständlich einen Überblick: über Akteure, Ideen, Begriffe und deren Geschichte. [...] Neben den Strategien der Neuen Rechten analysiert Weiß ihre häufig auf intellektuelle der Konservativen Revolution zurückgehenden ideologischen Grundlagen und deren Aneignungsgeschichte. Schließlich plädiert Weiß für ein konsequentes Eintreten zugunsten des zentralen Feindbildes der Neurechten: den Universalismus. Dieser dürfe auch keinem Kulturrelativismus geopfert werden." (Umschlagtext)
Für die Auseinandersetzung mit der Neuen Rechten gibt's viel Material. Die Arbeit von Volker Weiß erschien bereits 2017.
#lesefrühling #sachbuch #volkerweiß #bpb #cottascheverlagsbuchhandl
Dienstag, 16. April 2019
Naoki Urasawa: 20th Century Boys. Band 3 ULTIMATIVE EDITION
"Der Megaroboter wurde Beweis gebaut und wartet auf seinen scheinbar unaufhaltsamen Einsatz, der Freund wurde jedoch noch immer nicht identifiziert. Gleichzeitig rückt der 31. Dezember 2000, der Tag, an dem die Erde zerstört werden soll immer näher ...
Die 'neun Freunde', die in ihrer Kindheit das 'Buch der Prophezeiungen' geschrieben haben, sind die einzigen, die dieses Schicksal jetzt noch abwenden können. Kann die Welt Welt gerettet werden?" (Umschlagtext)
Den dritten Band der Ultimative Edition habe ich mir als Mitbringsel von der #lbm2019 gegönnt. Jetzt heißt es warten bis auf Band 4, der im Juni erscheinen soll. Dann noch Band 5 und 6 und ... *seufz* 😅🤓😘
#lesefrühling #comic #manga #naokiurasawa #paninimanga #endzeit #japan #mystery #dystopie #japan #lesen #leselust #lesenswert #literatur #yesyoucomican
Montag, 15. April 2019
Walter Moers: Wilde Reise durch die Nacht. Nach einundzwanzig Bildern von Gustave Doré
"Der zwölfjährige Gustave bricht zu einer wahrlich fantastischen Reise auf: Er fliegt über den Mond hinweg, kämpft gegen Riesen und befreit eine Jungfrau aus den Klauen eines Drachen. Er trifft auf höchst sonderbare Kreaturen und schaut sogar dem Tod bei der Arbeit zu. In einer einzigen Nacht muß Gustave von der Erde zum Mond, einmal quer durch das ganze Universum und wieder zurück reisen. Denn er hat eine Wette abgeschlossen, bei der sein Leben und seine Seele auf dem Spiel stehen ..." (Umschlagtext)
Moers, illustriert und mal nicht Zamonien. Aber ehrlich, kann da irgendwas schiefgehen? 😉😅
#lesefrühling #roman #waltermoers #goldmann #fantasy #scifi #abenteuer #esgibtkeinzualt #lesen #leselust #bücher #literatur
Samstag, 13. April 2019
Ulrich Teusch: Lückenpresse. Das Ende des Journalismus, wie wir ihn kannten
„Die Politiker sagen uns nicht die Wahrheit! Die Politik lügt uns
an, heute mehr denn je! Wir glauben denen da oben gar nichts mehr!“ (Seite 9)
Ulrich Teusch ist Publizist und Autor für Hörfunkfeatures. Die
ersten Sätze seines Vorwortes beschreiben eine Haltung von Bürger*innen, der er
während der Recherchen für ein Feature zu Lügen in der Politik oft begegnete.
Medien braucht es als Mittler, um Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Teusch
findet, dass das Mediensystem krankt und so seine Aufgabe nicht mehr erfüllen
kann.
Medienkritik also. Zunächst stellt Teusch klar, dass er den
Begriff „Lügenpresse“ für falsch hält. Auch weil der Begriff der Lüge so schwer
zu fassen sei. Die Erläuterung, warum er „Lückenpresse“ die geeignetere
Formulierung findet, fußt auf der nicht so sehr aufsehenerregenden Erkenntnis,
dass bei allen journalistischen Bemühungen der Blick der Einzelnen eben auch
wertebasiert, interessengeleitet ist, wie auch die Rahmenbedingungen der Medien
selbst. Aus der schieren Masse an Informationen muss ausgewählt werden. Dies
geschieht nach Kriterien, die zwangsläufig dazu führen, dass über Eines
berichtet wird über Anderes aber eben nicht.
Diesen Mechanismus an sich beklagt Teusch weniger als die Art und Weise
der Auswahl. Hier bezieht er sich im Wesentlichen auf die Mainstreammedien –
also die Leit- und Qualitätsmedien – und insbesondere auf den Mainstream des
Mainstreams. Auch wenn er hier letztlich doch schwammig in seiner Definition
bleibt, lässt sich aus seinen immer wieder angeführten Beispielen
schlussfolgern, dass er damit hauptsächlich die Öffentlich-Rechtlichen meinen
dürfte.
Soweit, so gut. Ab da lässt mich Teuschs Buch aber ehrlicherweise
recht unbefriedigt zurück. Er führt zahllose Beispiele für Sendungen,
Kommentare etc. an, in denen seiner Ansicht nach, tendenziös, manipulierend,
meinungsmachend und eben nicht berichtend gearbeitet wird. Der Vorwurf, dass
Öffentlich-Rechtliche Medien zu sehr der Schmissigkeit privater bzw. der
Konzernmedien hinterherlaufen und auf Quote statt auf Qualität bauen – nunja,
der ist nicht neu und wenigstens in Teilen so richtig wie banal.
Was mich aber beim Lesen richtig geärgert hat, ist Teuschs Art der
Beweisführung. Die besteht zum überwiegenden Teil darin, die Leser*innen aufzufordern
sich vorzustellen, dieser oder jener Bericht oder Kommentar hätte einen anderen
Schwerpunkt gehabt oder eine andere Aussage. Daraus, dass der konstruierte
Konjunktiv so unwahrscheinlich ist oder sei, schließt Teusch messerscharf –
tja, dass etwas ganz schlimm und schief sei.
Gemischt mit einem Thema, dass sich ebenso als roter Faden durch
das Buch zieht, seine Kritik an der Berichterstattung über Russland, bekommen
seine ja nicht falschen Beispiele leider einen genauso tendenziösen Schlag wie
der, den er den Mainstreammedien gerade vorwirft. Er findet, dass in
manipulativer Absicht über Russland nur das Schlechte berichtet wird und
dahinter ein transatlantischer Klüngel stecken müsse. Leider argumentiert er
selbst hier insgesamt so oberflächlich, dass ich mich streckenweise gefragt
habe, ob Teuschs Kritik nicht nur die ist, dass die Mainstreammedien nicht für
wichtig halten, was er selbst für wichtig hält.
Immerhin betont er immer wieder, dass es natürlich genügend Journalist*innen
gibt, die einen guten Job machen und outet sich auch als grundsätzlicher Befürworter
öffentlich-rechtlicher Medien.
Bedauerlich bis ärgerlich empfand ich, dass der Autor eigentlich
übers Raunen nicht hinausgeht und im Grunde auch nicht wirklich Ross und Reiter
als Ziel seiner Kritik benennt. Ebenso unterkomplex kommen die Bedingungen zur
Sprache, unter denen journalistische Arbeit geleistet wird. Was ließe sich
nicht alles über konkrete Arbeitsbedingungen, Prekarität, Outsourcing, die
Übermacht der PR, Kommerzialisierung bis in den letzten Winkel und
Besitzverhältnisse in der Medienbranche, Verquickungen und Verflechtungen berichten
und daraus schlussfolgern? Leider spricht Teusch an der Stelle dann lieber
ausführlich über den amerikanischen Markt als über die Medienbranche
hierzulande.
So bleibe ich nach der Lektüre zurück mit vielen Fragezeichen,
weil ich nicht wirklich entschlüsseln konnte, was genau die Absicht dieses Buches
war. Für die Schlussfolgerung, dass das Publikum mehr Mediennutzungskompetenz
braucht, um emanzipierter Medien nutzen zu können, dafür hätte es dieses Buch
nicht gebraucht.
Kurz und gut: Zuviel Raunen und Konjunktiv für eine brauchbare und
weiterführenden Analyse. Am Ende irgendwie doch nur ein Meinungsstück zwischen
Buchdeckeln, wo ein paar Kommentarspalten es vielleicht auch getan hätten.
Schade!
Mittwoch, 10. April 2019
Sarah Khan/ Isabel Kreitz: Den Nachfolgern im Nachtleben
"Die Regeln für eine Gruselgeschichte werden scheinbar eingehalten: ein unheimlicher Ort, finstere Figuren, ein überraschendes Ende. Und doch bröseln, ja verschwimmen sie bei Khan & Kreitz auf interessant-vertrackte Art. So lernen wir früh: Das Grauen hat viele Gesichter, und manche davon kennt man aus der Wirklichkeit!" (Umschlagtext)
"Die Unheimlichen" heißt die kleine Reihe, in der Schauergeschichten auf Comic neu interpretiert werden. Das ist doch eine nette - äh gruselige Idee. 😱😉
(Aber den Graphic-Novel-Stempel find ich für diesen feinen, kleinen Comic echt unnötig. ^^)
#lesefrühling #comic #sarahkhan #isabelkreitz #carlsencomics #gruselig #schauergeschichen #dieunheimlichen #adaption #lesen #leselust #bücher #yesyoucomican
Montag, 8. April 2019
Fernanda Melchor: Saison der Wirbelstürme
"La Matosa, eine gottverlassene Gegend in der mexikanischen Provinz. In der brütenden Hitze bewegt sich eine Gruppe von Kindern durchs Zuckerrohrdickicht. Zwischen Plastiktüten und Schilf stoßen sie auf eine Tote, ihr Gesicht ist zu einer Grimasse entstellt: La Bruja, die Hexe, eine von den Dorfbewohnern so gefürchtete wie fasziniert umkreiste Heilerin. [...]
Fernanda Melchor schafft eine brodelnde Atmosphäre, in der jede Geste der Zärtlichkeit im nächsten Augenblick in Brutalität UK knacken kann, gegen die kein Kraut, kein Zauberspruch mehr hilft." (Klappentext)
Das Hexenthema verweist schon deutlich darauf, dass es um Gewalt gegen Frauen geht, eine unheimliche Spirale, die sich unerbittlich dreht.
Das ist mein Fundstück vom #indiebookday 2019. Wollte ich noch nachtragen.

#lesefrühling #roman #fernandamelchor #wagenbachverlag #mexiko #gewalt #frauen #hexen #gesellschaft #indiebook #lesen #leselust #bücher #literatur
Samstag, 6. April 2019
Mosaik #520
Himmelnocheins, dieses Frühlingswetter macht ja ganz kirre im Kopf und ließ mich fast verpassen, das nächste Abenteuer der #abrafaxe zu posten. Tztztz ... 🙈🤷♂️😅
#lesefrühling #comic #mosaik #mittelalter #hanse #lübeck #nowgorod #abenteuer #indiecomic #lesen #leselust #lesenswert #yesyoucomican
Freitag, 5. April 2019
Christian Fuchs/ Paul Middelhoff: Das Netzwerk der Neuen Rechten. Wer sie lenkt, wer sie finanziert und wie sie die Gesellschaft verändern
"Rechts zu sein galt in Deutschland lange Zeit als Ausschlusskriterium: zu verstaubt, zu ewiggestrig, zu nah an Neonazis und Hitler-Verehrung. Das hast sich in fern vergangenen fünf Jahren geändert. Heute sitzen Rechte in den Parlamenten, bringen Tausende auf die Straße, beeinflussen den Diskurs und sorgen für einen Rechtsruck in der Gesellschaft. Das ist kein Zufall. Den Neuen Rechten ist es gelungen, in dieser kurzen Zeit eine eigene Gegengesellschaft zu erschaffen - mit Verlagen, Trollarmeen, Modemarken, Politikern, Denkfabriken, Künstlern, Jugendbewegung und einer Gewerkschaft. Das Milieu ist gut vernetzt und hat mächtige Unterstützer. Darum wird die Gefahr, die vom rechten Rand der Gesellschaft ausgeht, so schnell nicht wieder verschwinden." (Umschlagtext)
Ich bin sehr gespannt, wie tief diese Analyse zweier Reporter der ZEIT reicht. Gerade wenn die Schlussfolgerung richtig ist, dass dieser Rechtsruck so schnell nicht wieder verschwinden wird, sollten die tragenden Strukturen, Köpfe und Finanziers klar benannt werden.
#lesefrühling #sachbuch #christianfuchs #paulmiddelhoff #rowohlt #politik #gesellschaft #rechtsruck #demokratie #debatte #aufklärung #rechtenetzwerke #lesen #leselust #bücher
Donnerstag, 4. April 2019
Elena Ferrante: Meine geniale Freundin. Band 1 der Neapolitanischen Saga
„Heute
Morgen hat mich Rino angerufen, ich dachte, er wollte wieder einmal Geld, und
wappnete mich, es ihm zu verweigern. Doch der Grund seines Anrufs war ein
anderer. Seine Mutter war unauffindbar.“ (Seite 17)
Jaja,
natürlich hatten alle Recht, die in der ersten Welle vom #ferrantefieber erfasst
wurden. 😉 Dass ich all den gesungenen Lobliedern gar nicht
widersprechen möchte, zeigt vielleicht das Foto. Immerhin fand Band 2 der Saga,
gleich als ich den ersten beendet hatte, den Weg auf meinen Lesestapel – nach ganz
oben. ^^
Ferrante
schafft es tatsächlich auf angenehm-leichtfüßige Weise sowas wie Binge Reading
zu provozieren, dass ich neidlos anerkennen muss: Die Frau kann echt
unglaublich gut erzählen.
Gibt
es eigentlich noch jemanden, der oder die eine Inhaltsangabe braucht? 😉
Na
gut, vielleicht so viel: Im Neapel der fünfziger Jahre wachsen zwei Mädchen in
einem Viertel auf, in dem rohe Umgangsformen, Armut, Ausbeutung und eine sehr
traditionelle Lebensweise vorherrschen. Aus der zögerlich wachsenden Zuneigung
der Mädchen wird – so viel ist bei den insgesamt vier Bänden kein Geheimnis –
eine lebenslange Freundschaft.
Aber
diese Freundschaft hat es doch ziemlich in sich. Elena, die Erzählerin,
beschreibt sich selbst als die weniger Begabte, weniger Attraktive, als die Gewöhnlichere
von den beiden. Lila hingegen ist ein nicht zu bändigender Wildfang,
willensstark und unbeugsam, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat.
Die
Kinder- und frühen Jugendjahre, um die es im ersten Band geht, sind geprägt von
ständigem Wettkampf zwischen den beiden, der keine großen Erklärungen braucht.
Ob in der Schule oder bei Mutproben – was Lila mühelos zuzufallen scheint, muss
sich Elena hart erarbeiten, blüht aber dabei auf, wenn sie die Zweite nach Lila
sein kann.
So
richtig klar, warum genau die beiden Mädchen und jungen Frauen eigentlich
befreundet sind, ist mir immer noch nicht klar. Diese Faszination, die Menschen
auf andere ausüben können, auch wenn es keine letztgültige Erklärung dafür
gibt, die kenne ich aber wohl. Vielleicht ist auch das ambivalente im Verhältnis
der Mädchen zueinander, das angezogen und auch wieder abgestoßen werden, die wechselseitigen
Nadelstiche beim Wetteifern – vielleicht ist es auch genau diese Ambivalenz,
die die Geschichte dieser Freundschaft so anschlussfähig macht.
Auf
vier Bände wäre Ferrante sicher nicht gekommen, wenn sie ihre Coming-of-Age-Geschichte
nicht auch mit hinreichend Hintergrund und Nebenfiguren gespickt hätte. Binnen kürzester
Zeit gelingt ihr ein erzählerischer Sog, der das Viertel, in dem die beiden
leben, lebendig werden lässt. Um die Charaktere greifbar werden zu lassen,
braucht sie nicht viele Worte.
Das
Anekdotenhafte Erzählen bietet genügend Möglichkeiten, das gesamte Personal
durch sein alltägliches Agieren sehr real werden zu lassen. Die Familienverhältnisse,
die Rolle der Mütter, die Art und Weise wie sich die Kinder von klein auf und in
die tradierten Rollenbilder fügen und dennoch glauben, sie würden es so viel
anders machen als ihre Eltern – all das lebt, krakeelt und schimpft und liebt
herrlich bunt und durcheinander.
Ferrantes
Art, all die vielen kleinen Situationen und Anekdoten zu verknüpfen, gekonnt
zwischen Handlungssträngen hin und her zu schreiben, und am Ende eines fast
jeden Kapitels einen Cliffhanger zu platzieren – doch, doch, das macht schon
mächtig Spaß beim Lesen.
Dabei
verzichtet die Autorin auf langatmige Reflexionen, in der die Handlung und die
Spielräume der Figuren ausgeleuchtet werden. Sie lässt die Erzählung ganz dicht
an ihrer Erzählerin Elena. Einerseits sorgt das für den erzählerischen Sog,
andererseits sind manche der Anekdoten im Grunde aber auch nicht mehr als das
und damit noch nicht zwingend große Literatur – um meinen Beitrag fürs Phrasenschwein
beizubringen. ^^
Wenn
ich das eben Beschriebene als ein Wandeln auf einem Grat verstehe, dann schafft
es Ferrante aber tatsächlich nicht zu schwanken und die Balance zu halten. Ich
würde das, ich stecke gerade mitten im zweiten Band, als ihre große
erzählerische Stärke beschreiben.
Zu
guter Letzt sei noch angemerkt, dass ich die Gestaltung und Ausstattung der
Taschenbuchausgabe vom Suhrkamp Verlag wirklich sehr gelungen finde.
Suchtfaktor beim Lesen, und ich nehme die Bände auch noch sehr gern in die
Hand. Alles richtig gemacht. 😊
Kurz
und gut: Schon Staffel – ähem Band 1 reicht aus, um wirklich süchtig zu werden.
Der einzige Nachteil ist, dass ich jetzt schon weiß, dass nach Band 4 Schluss
ist. Und ich sehe dem Serienfinale – ähem Band 4 mit gemischten Gefühlen
entgegen. Hoffentlich bald, hoffentlich nicht zu bald. 😉
Mittwoch, 3. April 2019
Vojin Saša Vukadinović (Hrsg.): Freiheit ist keine Metapher. Antisemitismus, Migration, Rassismus, Religionskritik
"Die Literaturwissenschaftlerin
Die Debatten gehen also weiter. Identitätsfragen und die Frage, wie gehen wir eigentlich progressiv und konstruktiv damit um, sind weiter aktuell. Ich bin gespannt.
Ein dickes Danke geht an den Querverlag für das Rezensionsexemplar von der #lbm. 🤓😘
#lesefrühling #sachbuch #vojinsasavukadinovic #querverlag #debatte #feminismus #emanzipation #antirasismus #antisemitismus #migration #religionskritik #indiebook #lesen #leselust #bücher
Abonnieren
Posts (Atom)