„Ich wärme meinen neuen Zahnschutz in der Hand an. Wende ihn mit
den Fingern und presse ihn etwas zusammen. So mache ich es vor jedem Kampf.“
(Seite 7)
Der Kampf, auf den sich die Hauptfigur vorbereitet, ist eine
verabredete Schlägerei zwischen zwei Hoolgruppen irgendwo auf einer Wiese. Ein
Haufen Kerle prügelt wild aufeinander ein, auch wenn es Regeln zu beachten gilt
wie die, dass jemand, der wehrlos auf dem Boden liegt, in Ruhe gelassen wird.
Irgendwas hat das Ganze auch mit Fußball zu tun, zumindest aber
mit den Mannschaften der Städte, aus denen auch die Hools stammen. Heikos
Mannschaft ist aus Hannover. Hier ist er selbst aufgewachsen, bevor seine
Eltern mit ihm und seiner Schwester in eine kleinere Stadt in der Umgebung
Hannovers zogen. Von da führte, so würde Heiko es vielleicht selbst
beschreiben, ihn sein Weg direkt auf diese und andere Wiesen, mitten rein ins
Getümmel.
Heiko erzählt seine Geschichte selbst und immer wieder mit
Rückblenden, die seine Entwicklung beschreiben. Der erste Besuch im Stadion mit
seinem Vater. Die Mutter, die die Familie ohne Erklärung verlässt, als er noch
zu klein ist, um zu verstehen. Der Job beim Bruder des Vaters im Gym, das
gleichzeitig Dreh- und Angelpunkt der Hoolgruppe ist, in der Heiko selbst
langsam aufsteigt …
In Heikos Vorstellung könnte alles einfach so seinen Gang gehen.
Er wird nach und nach zum neuen Anführer der Hoolgruppe, hat ein schäbiges,
aber immerhin ein Dach über dem Kopf und seine Freunde um sich. Doch weder in
den Rückblenden noch im Hier und Jetzt läuft es gut. Und dann erklären ihm auch
noch enge Freunde, dass sie aussteigen und bei den blutschwangeren Ausflügen
der Hools nicht mehr dabei sein werden. Heikos Welt gerät ins Schwanken. Immer
stärker spürt er, dass eigentlich seit seiner Kindheit nichts festgefügt und
sicher war.
Gut lesbar ist Heikos Geschichte, umgehauen hat sie mich aber
nicht. Das lag zum einen an der Erzählstimme. Philipp Winkler lässt Heiko als
Erzähler fluchen, rumknödeln aber eben auch beschreiben. Dabei nervte mich die
betont schnodderige Stimme Heikos schon ziemlich. Natürlich ist der Versuch,
Heiko auch authentisch sprechen zu lassen, nur recht und billig. Ich hab auch
keinen Vorschlag, wie das besser zu bewerkstelligen sei. Aber beim Lesen fand
ich das maulfaule Formulieren von Sätzen und auch das Herumfluchen ziemlich
nervig.
Die Charaktere bleiben für meinen Geschmack recht
holzschnittartig. Schwere Kindheit, der Vater ein Säufer, fußballgestählte Männlichkeitsrituale,
Drogenhandel im Gym – all das lässt sich hübsch in die Klischeekästchen im
Hinterkopf einsortieren. Nur worin die Faszination besteht, sich gegenseitig
die Fressen blutig zu schlagen, das bleibt für mich nebulös.
Auf dem Backcover wirbt der Verlag mit einem Ausriss aus einer
Rezension in der FAS. Hier würde von der deutschen Wirklichkeit erzählt. Und
natürlich gibt es so viele Wirklichkeiten in einem so großen Land wie
Deutschland, dass es schwer ist, sich das am heimeligen Schreibtisch
vorzustellen. Ich suche noch vergeblich nach dem, was es genau ist, was mich
Figuren und Tonfall eben nicht als authentisch empfinden lässt. Vielleicht ist
alles eine Spur zu bemüht, und ich spreche jetzt nur von der literarischen
Umsetzung, um mich wirklich „deutsche Wirklichkeit“ erkennen lassen zu können.
Vielleicht sind aber auch Beschreibung und Ankündigung des Romans
selbst ein Missverständnis. Die Wut, der Hass, das Gewalttätige jedenfalls
bleibt unergründet und nur notdürftig erklärt stehen. Das ist mir für einen
Roman aber eigentlich zu wenig.
Kurz und gut: Kann man lesen, muss man aber nicht. Und ich hätte
gern was Netteres über den Roman gesagt.
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