Dienstag, 2. August 2016

William T. Vollmann: Europe Central



„Ein plumpes schwarzes Telefon, in Tintenfisch, wollte ich sagen, der Gott unserer Fernmeldetruppe, hat einen Schlupfwinkel in Berlin (wahrscheinlicher noch in Moskau, das von einem deutschen General das Herz Russlands, das Herz eines großen Volkes getauft worden ist).“

„Weltkriegsroman“ und „Krieg und Frieden des 20. Jahrhunderts“ - Suhrkamp hält sich mit der Eigenwerbung für diesen dicken Packen Literatur nicht zurück. Solche Superlative schrecken mich bei dicken Büchern ja gern auch mal ab. In diesem Fall war ich neugierig und hab mich über viele Wochen durch die über 900 Seiten geschmökert, zu denen noch etliche Seiten mit Anmerkungen und Anhänge hinzukommen.

Beim Lesen traf ich auf zahlreiche fiktive wie historische Figuren wie Käthe Kollwitz, Feldmarschall Friedrich Paulus, General Wlassow oder auch Dimitri Schostakowitsch. Die verschiedenen Handlungsstränge ziehen sich im Wesentlichen durch die Zeit des Russlandfeldzuges des Dritten Reiches. William T. Vollmann zeichnet intensive Beschreibungen seiner Figuren und spürt ihren Motiven, ihren Ängsten und Hoffnungen nach.

Zugleich entsteht insbesondere um die eigentliche Hauptfigur, den Komponisten Dimitri Schostakowitsch, ein verworrenes und verwirrendes ideologisches Geflecht, das die bedrückende Atmosphäre in der Sowjetunion während des Krieges kennzeichnet; bedrückend durch die Belastungen des Krieges und die zeitgleichen Repressionen im Inneren des Landes.

Vollmann drechselt Sätze und zeichnet Bilder, die sich mir nicht immer beim ersten Lesen gleich erschlossen. Er schaffte es aber auch immer wieder, dass ich mich einfach dem Rhythmus des Textes hingeben konnte. Am ehesten verlor mich der Text in den Passagen, in denen Schostakowitschs Kompositionen literarisch reflektiert und gleichsam in Text übersetzt wurden. Ich kann mir aber vorstellen, dass diese Stellen für Liebhaber und Kenner von dessen Werken ein großer Gewinn sein können.

Bei allem Genuss beim Lesen ahne ich aber, dass es kein Buch ist, das in mir lange nachhallen wird. Möglicherweise ist es aber auch eines der Werke, das man nach Längerem erneut zur Hand nehmen sollte, um neue und weitere Facetten entdecken zu können.

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