Donnerstag, 25. August 2016

Jean-Michel Guenassia: Eine Liebe in Prag



„Bei den Kaplans aus Prag war man seit vielen Generationen Arzt.“ (Seite 9)

Besser als die Beschreibung auf dem Umschlag lässt es sich eigentlich kaum auf den Punkt bringen:
„Eine Geschichte von Liebe und Verrat, von Argwohn und Enttäuschung, von Überleben als Lebensprinzip. Vom Prag der Zwischenkriegszeit nach Paris über Algerien zurück ins Prag der Nachkriegswirren und zum Untergang des Sozialismus.“

Josef Kaplan ist ein Frauenheld, allerdings weniger aus eigenem Antrieb sondern eher, weil der begnadet Tango tanzende Arzt Frauen wie mit magischer Kraft anzieht. Seine große Schwäche ist, dass er Gesichter nur schwer wiedererkennen kann. Damit allein hätte mich das Buch ja schon so gut wie gewonnen.

Josefs Lebensweg zu verfolgen und über seine Schulter blickend mehr als ein halbes Jahrhundert europäische Geschichte vorbeiziehen zu sehen – da kann ich persönlich dann ja gar nicht mehr widerstehen. :)

Guenassia bewahrt als Erzähler eine angemessene Distanz zu seinen Figuren und schafft es zugleich, die verschiedenen und so unterschiedlichen Orte der Handlung atmosphärisch nachzuzeichnen. Beim Lesen konnte ich den Tabakduft in Pariser Jazzlokalen schnuppern, die flirrende Hitze Algeriens auf der Haut spüren, den Frost im verschneiten Tschechien über der Landschaft klirren hören.

Die Handlung entwickelt sich eher episodenhaft, wodurch eine angenehme Leichtigkeit entsteht, die vielen unter die Haut gehenden Momenten die sonst womöglich pathetische Schwere nimmt. Auch diesen zweiten Roman von Guenassia habe ich mit Begeisterung gelesen und wehmütig beendet. Ich bin gespannt auf weitere Werke.

Eindeutig eine Leseempfehlung. :)

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