„Es war Juli.
Dem Geruch nach zu urteilen, war ich bereits vor drei Wochen
auf tragische Art und Weise verstorben.“ (Seite 7)
André hat in einer kleinen Stadt in Sachsen-Anhalt gerade
sein Abi bestanden und ist bereit, sich in den nächsten drei Monaten kein Stück
mehr als nötig zu bewegen, bis dann das Studium in Potsdam beginnt. Allein
seine Mutter reißt die Tür zu seinem Zimmer auf, um ihm nicht nur einen bunten
Schal zu schenken, sondern ihn auch an die feierliche Zeugnisübergabe zu
erinnern.
Dies ist der Auftakt zu einem alljährlich stattfindenden
Ritual, das im Winter des Jahres 2005 einsetzt, und dem André in jedem der
folgenden zehn Jahre zu entgehen versucht. Das Klassentreffen.
Recht schnell schmeißt André das Studium in Potsdam und
wechselt das Fach, die Uni und die Stadt und zieht nach Leipzig. Jahr für Jahr wäre
er eigentlich mit dem Abholen von ein paar Geschenken zu Weihnachten zufrieden,
landet aber immer wieder auf dem ebenso verlässlich immer abstruser geratenden
Klassentreffen.
Während André irgendwie so studiert und beginnt, erstes Geld
mit dem Schreiben und Vortragen von Selbstgeschriebenem zu verdienen,
durchlaufen die ehemaligen Mitschüler merkwürdige Metamorphosen, bis es immer
schwerer wird, in ihnen die zu erkennen, die sie früher mal waren.
André Herrmann beschreibt also das typische Grauen, das wir
doch alle irgendwie kennen. Älterwerden halt. Oder das, was man so Erwachsenwerden
nennt.
Die zunehmend überzeichneten Figuren machen viel Spaß beim
Lesen. Herrmann gelingen immer wieder Schilderungen von Situationen, bei denen
ich prustend loslachen musste.
Trotzdem überwog am Ende zumindest bei mir das Gefühl, dass
irgendetwas fehlt. Nach dem Lachen blieb wenig haften, also weiter zur nächsten
Episode, zur nächsten Pointe.
Es ist nicht schwer, Videos im Netz zu finden mit
Leseauftritten von André Herrmann, der mit Poetry Slam Auftritten bekannt
wurde. Ich kann nicht ausschließen, dass hier das Vorurteil des Romanlesers
gegenüber dieser Form von Literatur spricht, aber ich finde, dass die Texte
Herrmanns hier erst wirklich wirken. Als Roman bleibt es für mich irgendwie
unfertig.
Ich mag das Buch aber dennoch, auch weil der Verlag schlicht
eine gut gemachte Klappenbroschur daraus gemacht hat. Soviel Buchliebhaberei
darf schon sein. J
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