Samstag, 1. Dezember 2018

Omar El Akkad: American War



„Die Sonne brach durch einen Pilgerzug aus Wolken und schaute mit unerbittlichem Auge herab auf das Mississippimeer.“ (Seite 17)

Wenn man eine Reihe Artikel über die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft liest und eine Idee davon gewinnen will, wie die Entwicklung womöglich weiter verlaufen könnte, dann lohnt sich ein Griff zu diesem 2017 in den USA erschienen Roman. Ich verrate sicher nicht zu viel, wenn ich jetzt schon schreibe: Das Buch bietet eine verstörend dystopische Version der Zukunft.

Am Ende des 21. Jahrhunderts wurde unübersehbare Realität, was das Amerika von Trump nicht wahrhaben will. Das Klima hat sich radikal gewandelt. Ein steigender Meeresspiegel lässt weite Küstengebiete untergehen. Die Menschen müssen sich in einer Welt zurechtfinden, die immer weniger dem ähnelt, was sie lange für unveränderbar hielten.

Die Spaltung der Gesellschaft führte zu zwei Bürgerkriegen, die sich unter anderem entlang der Frage entzündeten, wie die Energie der Zukunft gewonnen werden soll. Alle weiteren Zerwürfnisse zwischen Arm und Reich, konservativ und liberal, im Umgang mit Migration, Rassismus etc. schwelen weiter und brechen immer wieder in offenen Kampfhandlungen aus. Dabei steht ein konservativer, geschrumpfter Süden im Südosten der USA, wie wir sie kennen, dem Rest des Landes gegenüber.

Aber auch der Rest ist weit entfernt davon, noch Sehnsuchtsort und Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu sein. Der Status als Weltmacht oder auch nur als Regionalmacht hat sich erledigt. Andere Länder und Regionen haben die Führung übernommen, während die USA heillos in innere Konflikte und Kämpfe verstrickt ist.

Flüchtlingslager, Hoffnungslosigkeit, Hunger, Selbstmordattentate, Anschläge, rohe Gewalt – Amerikaner gegen Amerikaner – das ist die Realität am Ende des Jahrhunderts.

Der Roman erzählt die Geschichte einer Flüchtlingsfamilie im Süden, deren Kinder nach dem unsinnigen Tod des Vaters in einem der zahllosen Camps aufwachsen. Der Sohn schließt sich den Rebellen an, und die Hauptfigur Sarat Chestnut wird in ihrem Kampf ums Überleben selbst zur Waffe.

Die Geschichte ist trost- und hoffnungslos durch und durch. Den Atem anhaltend hab ich beim Lesen zugeschaut, wie das eigentlich Vorhersehbare erbarmungslos entfaltet. Mein zivilisiertes Wohlstandsgewissen rebellierte, weil wir doch sehr wohl um die Spirale von Gewalt, Hunger und Perspektivlosigkeit wissen. Leider agieren die Figuren in der Geschichte genauso kurzsichtig, rachsüchtig, gewalttätig und irrational wie wir Menschen offenbar noch immer sind.

Der Roman bleibt immer dicht seiner Hauptfigur auf den Fersen. Die großen Zusammenhänge liefern den Hintergrund, die Begleitmusik. Intensiv gezeichnet entfaltet sich das durch und durch vermurkste Leben von Sarat Chestnut. Obwohl sie selbst das Ausmaß ihres zerstörten Lebens immer klarer sieht, kann und will sie letztlich nicht mehr umsteuern. Ihr Leben ist eine Warnung in Sachen Ausweglosigkeit und davor, wozu Menschen ohne Perspektive sich getrieben fühlen können.

Kurz und gut: Passend für nasskalte, trübe Herbsttage – intensiv, verstörend, dystopisch und schnörkellos erzählt.

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