„Meine Kindheit endete unversehens an einem ganz
gewöhnlichen Frühsommertag des Jahres 1991.“ (Seite 5)
Der elfjährige Vladan freut sich unbändig auf die
Sommerferien und auf das Meer. Doch von einem Tag auf den anderen muss die
Familie plötzlich ins Landesinnere umziehen. Mehr, als dass dies mit der Arbeit
seines Vaters zu tun hat, der Offizier in der jugoslawischen Volksarmee ist,
weiß der Junge, der hier seine Geschichte erzählt, lange Zeit nicht.
Er findet sich wieder auf einer Reise durch
verschiedene Städte, zunächst in Serbien und schließlich in Slowenien. Während
es anfangs darum geht, die Offiziersfamilie in Sicherheit vor möglichen
Übergriffen zu bringen, entfremdet sich der eigentlich nur noch abwesende Vater
zusehends von seiner Frau. Die zieht sich immer mehr in sich zurück, sodass der
doppelt verlassene Vladan um die Aufmerksamkeit seiner Mutter ringt und
zugleich mit der verblassenden Erinnerung an einen liebevollen Vater, der seine
Familie für seinen Dienst in der Armee verließ.
Die Reise durch das durch Krieg zerbrochene Land endet
vorerst in Slowenien. Hier wuchs Vladans Mutter auf, hier leben noch ihre
Eltern. Der Junge wächst auf in einem ihm irgendwie unbekannten Land mit einer
Sprache, die er erst erlernen muss. Vom geeinten Jugoslawien, in dem seine
Eltern sich fanden und verliebten, ist da schon nichts mehr übrig.
In Ljubljana bleibt seine Mutter ein Schatten für
Vladan, der ihre Zurückgezogenheit mit demonstrativer Distanz beantwortet. In
einer ihm fremd bleibenden Stadt voller fremder Menschen versucht er sich zu
behaupten, wird aber nie das Gefühl los, nirgendwohin zu gehören. Der Vater, so
teilt ihm seine Mutter eines Tages mit, sei gestorben. Näheres erfährt der Junge
nicht.
Erst viele Jahre später, es muss um 2007 herum sein,
stößt Vladan als junger Mann im Internet auf den Namen seines Vaters im
Zusammenhang mit Kriegsverbrechen. Er wird nach wie vor gesucht, muss also noch
am Leben sein. Ohne recht zu wissen, was und wen er zu finden hofft, bricht
Vladan auf zu einem Roadtrip in die Vergangenheit.
Goran Vojnović, der 1980 in Ljubljana geboren wurde,
erzählt die Geschichte auf verschiedenen Ebenen. Erinnerungen an das abrupte
Ende der Kindheit, die Jugendjahre in Slowenien und die Suche des jungen Mannes
nach dem verschollenen Vater wechseln sich ab mit Szenen, die weiter in die
Geschichte seiner Eltern zurückreichen.
Das alles erzählt Vojnović mit einer intensiven, immer
wieder bitter-ironischen Sprache und ohne Angst vor zu lang geratenen Sätzen.
Das ist nicht immer angenehm zu lesen, auch weil die Stimmung oft so
unglaublich trostlos und düster ist. Die sonnendurchflutete Kindheit endete für
Vladan im Frühsommer 1991 unwiederbringlich.
Der Text ist ein eindringliches Zeugnis davon, was
Kriege, Bürgerkriege mit Menschen anrichten und für die nachkommenden
Generationen hinterlassen. Gemessen daran, was alles an Patriotischem,
Heroischem zur Rechtfertigung gern erzählt wird, beantwortet sich die Frage
ganz von selbst, was solche Gewalt unter Menschen, die eben noch Nachbarn
waren, denn rechtfertigen könnte. Aus Vladans Sicht verspielten diese Kriege um
die Vergangenheit seine Zukunft.
Angesichts zunehmender rechter und nationalistischer
Rhetorik in zu vielen Ländern braucht es neben den politisch notwendigen
Antworten auf solches kurzsichtiges Gebaren immer wieder auch Romane wie
diesen, die uns nicht nur daran erinnern, wohin das führen kann, sondern auch,
was wir damit für die kommenden Generationen verspielen.
Kurz und gut: Das ist keine Bettlektüre, aber
lohnenswert für alle, die sich Sorgen um unsere Zukunft machen. Dazu gehört es
auch, die jüngste Geschichte nicht aus den Augen zu verlieren.
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