Dienstag, 8. Dezember 2020

Benedict Wells: Spinner


 „Ich habe diese eiskalten Hände. Menschen schrecken immer zurück, wenn sie mir die Hand geben.“ (Seite 11)

Ihr kennt das sicher, wenn man ein Buch wirklich gern gemocht hätte. Aber irgendwie wird das nix, man kommt mit der Story oder den Figuren einfach nicht zusammen. Es will einfach nicht passen. Tja, das ist kurze Zusammenfassung meines ersten Lesetreffens mit Benedict Wells erstem Roman.

Worum geht es? Jesper Lier ist zwanzig Jahre alt und sitzt in einer Berliner Kellerwohnung an seinem ersten Roman. Dabei läuft sein Leben zusehends aus dem Ruder. Die Story begleitet Jesper eine Woche lang, während er mit sich darum kämpft, ob er es schaffen wird, sich in den Zug nach München zu setzen. Dort lebt seine Mutter, dort starb sein Vater.

Jesper lebt nahezu verwahrlost, hat im Grunde nur noch einen Freund. Wie im Traum wandelt er durch die Woche, trifft ein Mädchen, verliert sie wieder. Komische, russische Typen stehen vor seiner Wohnungstür, halten ihn für seinen Vormieter und verstehen irgendwie keinen Spaß. Ein sträflich vernachlässigter Freund aus Kindertagen braucht ungefragt seine Hilfe, ist plötzlich auch noch schwul und bandelt mit seinem einzigen Freund an. Und ob das alles wirklich passiert oder nur seinem malträtierten Hirn entspringt, das ist noch eine ganz andere Frage.

Ich sagte ja schon, dass ich den Roman wirklich gern gemocht hätte. Mich stört auch gar nicht, wenn ich eine Hauptfigur nervig und unsympathisch finde. Aber in diesem Werk passte für meinen Geschmack so vieles nicht zusammen.

Die Figuren empfand ich als eine ziemliche Ansammlung von Klischees. Überzeichnungen, zumal vor dem Hintergrund dieser fiebrig-abgedrehten Woche des Möchtegern-Autors, wären ja ok. Dann hätten sie, wenigstens für meinen Geschmack aber besser sitzen müssen.

Die eine oder andere Ungereimtheit in Abläufen ärgerte mich so umso mehr, wenngleich sie vielleicht auch genau dem hypnotischen Zustand des Erzählers geschuldet sein mögen. Auch die Dialoge konnten das für mich nicht retten.

In Blurbs auf dem Umschlag steht der unvermeidliche Hinweis zu lesen, diese Story stünde für eine orientierungslose Generation. Ich halte diese Behauptung für viel zu inflationär gebraucht bei Romanen, die zwar von Talent zeugen, aber noch viel zu unausgereift daherkommen. Authentizität entsteht nicht nur dadurch, dass der Autor im selben Alter ist, wie die Figur, deren Geschichte er erzählt.

Ich fand es, das sollte ich dann doch erwähnen, nicht schlimm genug, die Lektüre abzubrechen. Es hat mich aber doch einige Mühe gekostet, den Roman bis zum Ende zu lesen – während ich schon im Geiste den Bücherstapel durchging, mit welchem Roman ich mich im Anschluss belohnen könnte.

Kurz und gut: Wie die späteren Romane von Benedict Wells geraten sind, kann ich nicht einschätzen. Dieser erste bleibt für mich eine unnötige Veröffentlichung. Das war nix!

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