Freitag, 11. Dezember 2020

Cyril Pedrosa: Jäger und Sammler



(Übersetzung: Marion Herbert) 

„Kommt ein bisschen näher…

Sehen wir uns dieses Pastellgemälde einmal genauer an.“ (Seite 22)

 

Ich kann es ja gleich vorweg sagen: Ich bin ein Fanboy, wenn es um Cyril Pedrosa geht. Spätestens seit „Drei Schatten“. Und jedes weitere Werk gibt mir recht. So! ;)

 

Die Jahreszeiten leihen dem Band „Jäger und Sammler“ seine Struktur. Herbst, Winter, Frühling und Sommer bestimmen die Stimmung, Farbgebung und beeinflussen natürlich auch das Leben der Figuren, die in diesem Episodencomic anzutreffen sind.

 

Schon bei der ersten Episode, die in ein Museum führt, konnte ich fast die herbstliche Kühle riechen, die noch in den Kleidern der Besucher:innen steckt. Eine Schulklasse drängelt und quängelt sich um die Lehrerin. Jacken, die hier drin viel zu warm sind, rascheln und knistern. Die Bilder folgen der Klasse mit etwas Abstand von Gemälde zu Gemälde. Immer wieder ist eine junge Frau zu sehen, die eine Kamera bei sich trägt. Sie wird wenig später auf eine der Schülerinnen treffen, die in einem der Säle allein auf einer Bank mitten im Raum sitzt, selbstvergessen.

 

Einem Kamerazoom gleich fahren die Bilder an die Schülerin heran, bis sie sich in ihr verlieren und zu Buchstaben gerinnen, die dem Mädchen eine Stimme geben.

 

Es ist ein bisschen wie eines dieser Spiele, die ich zumindest als Kind immer wieder gern mochte und auch einfach mit mir selbst spielte. Beobachte Menschen und denk dir eine Geschichte zu ihnen aus, die sie mit ihrer eigenen Stimme erzählen.

 

Die junge Frau mit der Kamera und der sich in den Figuren verlierende Zoom führen durch die Jahreszeiten und die verschiedenen Episoden. Die Wege der Menschen, die sie hier trifft, werden sich im Verlauf dieses Jahres kreuzen.

 

Obwohl Gymnasiastin, Rentner, Zeitarbeiterin und Kieferorthopäde so scheinbei weit entfernt voneinander zu existieren scheinen, verbindet sie doch das Element des Suchens, das die Fotografin mit ihrer Kamera und die sich daraus ergebenden Texte einfangen.

 

Es entsteht ein literarisches Gewebe, das erzählerisch so angenehm locker geknüpft scheint, dass ich beim Lesen tief darin versinken konnte. Zugleich braucht Pedrosa hier keine fantastische Story um zu fesseln. Es sind Menschen, wie sie uns tagtäglich auf der Straße, beim Einkaufen, an der U-Bahn oder vor einem Imbiss begegnen könnten.

 

Sie alle trifft Pedrosa meist mit wenigen Strichen ganz präzise. Die Farbgebung stärkt die erzählten Momentaufnahmen und die Stimmungen wie immer perfekt. Hier stimmt einfach alles.

 

Kurz und gut: Das ist Literatur – erzählerisch wie grafisch. Lest Cyril Pedrosa! Und Weihnachten ist auch bald. ;)

 

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