Sonntag, 31. August 2025

Anne Rabbe: Das M-Wort. Gegen die Verachtung der Moral


„Moral ist nicht en vogue: Sie ist unter Verdacht geraten – von der Spaßbremse bis zum gesellschaftlichen Klotz, der den Fortschritt aufhält. Sie ist zum Unwort verkommen, dem M-Wort, das niemand mehr gern in den Mund nimmt. Anhand konkreter Beispiele – wie dem Umgang mit Armut, Migrations- und Klimapolitik, der Gleichberechtigung der Geschlechter und steigender Radikalisierung – beleuchtet Anne Rabe auf persönliche Weise die gefährlichen Folgen der Verächtlichmachung von Moral; und zeigt, wie Moral in einer unübersichtlichen Weltlage eine Leitplanke sein kann, um die Zukunft zu gestalten und ihr nicht länger bloß ausgeliefert zu sein.“ (Umschlagtext)

Dass die Welt aus den Fugen geraten scheint, ist ja schon eine zum Allgemeinplatz geratene Feststellung, die gern auch – mindestens gefühlt – mitunter eigentlich auch gar nichts mehr auszusagen scheint – auf der einen Seite. Auf der anderen erlebe ich immer mal wieder Menschen, die im persönlichen Umgang nett und auch sympathisch sind. Äußern sie sich dann zu Gesellschaft und Politik frage ich mich dann oft genug in einer Art, dass ich mich frage, wann deren Kompass im Leben kaputt gegangen ist.

Diese Frage nach dem Kompass, die mich immer wieder umtreibt, ließ mich dann umstandslos auf den Titel dieses Buches reagieren. Denn eigentlich ist es ja das: Moral, Wertvorstellungen – die die Eichung unseres persönlichen Kompasses bestimmen.

Wenn Leute dann einerseits sowas wie Gerechtigkeit einfordern und das auch ernst meinen, gleichzeitig aber Ungerechtigkeiten das Wort reden, sowie es andere Menschen/Menschengruppen betrifft, dann scheint mir die Eichung des Kompasses deutlich gestört zu sein. Die Frage, wie das passiert sein könnte, ist die eine. Warum der Kompass selbst oder dessen Verwendung und Inbezugnahme so in Misskredit geraten scheinen und die Auswirkungen davon, ist eine andere Frage.

Auf Letztere hoffe ich hier ein paar Hinweise und Denkanstöße zu finden. Zur Stärkung des eigenen Gutmenschenmuskels! 😉

„‘Die Verachtung der Moral ist nicht neu. Sie ist immer wieder Motor reaktionärer und auch gewalttätiger Bewegungen. Sie ist aber auch Teil der Überlegenheitsbehauptung derjenigen, die mit zynischem Schulterzucken andeuten wollen, dass sie sich keine Illusionen mehr machen. Oder auch Teil derer, die unter dem Deckmantel des Realismus ihre Privilegien verteidigen. Warum sollten wir uns dem ergeben? Wie haben die Möglichkeit, die Welt mit unseren Gedanken zu verändern. Nichts war einfach, wie es war. Nicht muss bleiben, wie es ist. Das macht Angst, aber darin liegt auch Hoffnung.‘ Anne Rabe“ (Klappentext)

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Samstag, 30. August 2025

Helmut Krausser: Alles wird gut



„Existiert eine ‚manipulative Musik‘?
Dem verkannten Komponisten Marius Brandt werden Notenblätter zugespielt, die für ihn alles verändern. Doch wer hält wirklich den Taktstock in der Hand?
Helmut Krausser nimmt sein großes Thema aus ‚Melodien‘ wieder auf und spinnt es weiter zu einem furiosen, selbstironischen Finale.“ (Umschlagtext)

Der Krausser hat mir ja schon wirklich viele herrliche Lesestunden beschert. Und immer wieder stelle ich irritiert fest, wie viel von seinem nicht enden wollenden Werk ich noch gar nicht zur Hand hatte. Erschütternd, aber natürlich auch schön, weil noch genug zum Entdecken übrig ist und noch mehr wird. 😉

‚Melodien‘, das Buch, an das dieser Roman offensichtlich anschließt, war tatsächlich der erste Krausser-Roman, den ich gelesen habe. Vor sehr vielen Jahren und mit sehr viel Genuss. Wenn das nicht die Vorfreude steigert, dann weiß ich es auch nicht. 😉

„Marius Brandt versucht im Musikbetrieb Fuß zu fassen, doch kein Intendant eines Opernhauses zeigt Interesse an seinen neotonalen Werken, die der Gattung neue gesellschaftliche Relevanz verleihen sollen.
Zunehmend frustriert, von Mordphantasien geplagt, gerät Brandt an Jahrhunderte alte, verschlüsselte Musikaufzeichnungen, die er nach und nach enträtselt. Teile davon baut er in eine Auftragskomposition ein, die er ‚Alles wird gut‘ nennt. Bei der Uraufführung kommt es zu rätselhaften Schwächeanfällen im Publikum. Einer der Zuhörer stirbt sogar. Er bleibt nicht der einzige Tote. Doch niemand kommt auf den Gedanken, Brandts Musik könnte dafür verantwortlich sein. Der Komponist selbst begreift zwar, dass etwas Absonderliches in seine Welt gefunden hat, das er für seine Zwecke nutzen möchte. Die Konsequenzen aber überblickt er nicht.
Er wird zum Spielball dubioser Figuren, deren Absichten im Dunkel liegen. Mit ‚Alles wird gut‘ spinnt Helmut Krausser ein Grundmotiv seines Erfolgsromans ‚Melodien‘ weiter – zu einem ebenso faszinierenden wie überraschenden Ende.“ (Klappentext)

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Freitag, 22. August 2025

Patricia B. McConnell: Das andere Ende der Leine. Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt


„Alle in diesem Buch beschriebenen Menschen und Hunde beruhen auf lebenden Personen und Hunden.“ (Seite 4)

Puh, Ratgeber sind ja echt so eine ganz eigene Sparte von Büchern. Und an die komme ich ehrlicherweise nicht so richtig ran. Vielleicht fühlt sich das Kind in mir entweder bevormundet oder aber nicht hinreichend für voll genommen. Ok, darüber muss ich mal in einer stillen Minute nachdenken.

Eigentlich fällt dieser Band schon unter die Ratgeber. Umso erleichterter war ich dann beim Lesen, dass der Text doch deutlich anders daherkam. Und darum mochte ich es am Ende. 😊

Als der MM und ich Anfang 2019 entschieden, dass wir zu unserem schon älteren Kater auch gern unser Leben noch mit einem Hund teilen wollten, lag erst einmal eine ganze Menge Recherche vor uns. Mit Hunden hatten wir beide bis dahin wenig zu tun, waren aber wirklich angefixt, nachdem wir zweimal einige Zeit auf den Hund eines Freundes aufpassen durften.

Eine Unmenge an Fragen lagen da auf dem Tisch. Angefangen damit, ob Kater und Hund denn überhaupt miteinander auskommen würden. Wo würde die Fellnase die ganze Zeit über bleiben, wenn wir zu arbeiten hatten. Gäbe es genügend Zeiten und passende Orte in unserer Umgebung für einen angemessenen Auslauf. Die Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen. Hundefreund:innen wissen sicher, wovon ich hier rede. 😊

Im Ergebnis wollten wir uns gern darauf einlassen und fanden die beste Hundine. Oder sie fand uns. So genau lässt sich das ja immer nicht sagen. Gefunkt hat es auf jeden Fall wechselseitig. Und nun wird die Dame auch schon Sieben.

Beim Debattieren, was uns so alles wichtig wäre in der Hundehaltung, stellte sich für uns schnell heraus, dass wir eigentlich in weiten Teilen über unser eigenes Verhalten, und unsere Erwartungen daran sprachen. Die beste Entscheidung war es auch, recht früh eine Hundetrainerin hinzuzuziehen. Die Stunden mit ihr bestätigten unseren Eindruck. Denn die Lehrstunden galten vorrangig uns.

In erster Linie mussten wir, so ganz ohne Vorerfahrungen, sehr viel darüber lernen, wie Zeichen und Gesten bei der Hundine zu lesen wären. Die meiste Arbeit, und dafür danken wir der Trainerin noch heute, hatten wir zu leisten. Entscheidungen, wo und wie wir die Hundine führen wollten, was wir von ihr erwarteten, welches Verhalten für uns akzeptabel wäre und eine unendliche Menge mehr.

Und im Alltag – nun, da war es nett, sich vorher etwas zu überlegen und immer wieder zu erleben, dass in so vielen Momenten gar keine Zeit blieb, erst nachzudenken. Hundebegegnungen im Kiez, Menschen auf der Straße, Großstadt überhaupt – jeder Gang war erstmal irgendwie ein Hindernisparcours. Und was haben wir helikoptert. Schlimm. Es gibt da dieses Meme im Netz mit den zehn Sätzen, die alle Hunderhalter:innen sagen. „Das hat er ja noch nie gemacht. Er will nur spielen etc.“ Ehrlich, wir haben keinen Monat gebraucht, um alle diese Sätze automatisch in der einen oder anderen Situation runterzurasseln.

Die Trainingsstunden halfen uns dabei schnell genug zu merken, wie viel vom Verhalten unserer Hundine schlicht von uns abhing. Waren wir aufgeregt, war sie es auch. Wussten wir nicht wohin mit der Leine, versuchte die Hundine einzuspringen, was es nicht besser machte. Viele von euch werden all die Anfängerfehler kennen. Und auch den Moment, in dem dir erst hinterher auffällt, dass du gerade einfach gemacht hast, ganz ohne Rumgrübeln und Aufregung, und deine Fellnase war dankbar dabei und benahm sich ganz zauberhaft.

Sechseinhalb Jahre leben wir nun schon mit der Hundine zusammen und haben, wie die meisten Hundehalter:innen, auch schon einiges durchgemacht. Einen Rattenkampf, ein Flugversuch vom Balkon … Aber bei allen Herausforderungen ist das schönste, wenn die Bindung zwischen der Hundine und uns sich mal wieder als immer fester erweist, wechselseitiges Vertrauen tatsächlich eine wichtige Schlüsselgröße ist.

Mit diesem Buch hab ich lange gewartet, weil meine Erwartungen tatsächlich andere waren, als das Buch dann tatsächlich eingelöst hat. Die Autorin beschreibt ihr Leben mit Hunden in einer Art, die sehr viel Herzblut verrät und sich an so vielen Punkten mit unseren eigenen Erfahrungen deckt, dass ich den tieferen Erläuterungen zu Verhalten und etlichem anderen wirklich gern gefolgt bin.

Der Text kommt ohne „tue dies, lasse das“ aus und wirkt viel stärker mit der reflektierenden Haltung des eigenen Verhaltens der Autorin. Und es entsteht beim Lesen nicht dieses unangenehme Gefühl alles falsch gemacht zu haben, aber dafür keimen Ideen, was man noch selbst einfach mal ausprobieren könnte. Ich bilde mir gern ein, dass es mir beim Verstehen, wie unsere Hundine so tickt, durchaus auch ein gutes Stück geholfen hat. Allein dafür hat sich das Lesen gelohnt.

Kurz und gut: Ratschläge sind auch nur Schläge – aber nicht hier. Toll, auf die Art mehr über das Zusammenleben mit Hunden zu erfahren. Lesen!

(Übersetzung: Gisela Rau)

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Sonntag, 17. August 2025

Phil Klay: Den Sturm ernten


„ABEL 1986-1999

Mein Dorf befand sich auf einem kleinen Hügel am Fluss, an dessen Ufern nichts als Sand lag.“ (Seite 9)

Dass Krieg und die Gewalt, die er hervorbringt, von Übel sind und nichts als Elend und zerstörte Menschenleben hinterlässt, wissen wir – theoretisch. Was diese Gewalt noch bevor Kriegshandlungen einsetzen und auch jenseits der Kriegsschauplätze, die es in die Nachrichten schaffen, aber alles beinhaltet, wie sie Herzen und Köpfe vergiftet, das scheint uns unbegreiflich und sehr weit weg. Dieser Roman schickt uns direkt in die vermeintliche Vorhölle, obwohl die Hölle schon längst ausgebrochen ist.

Phil Klay, ein US-amerikanischer Ex-Soldat, erzählt anhand der Lebenswege verschiedener Charaktere von der schier ausweglosen Lage in einer kolumbianischen Grenzregion, in der vermutlich niemand, auch nicht die Beteiligten, sagen kann, wer hier auf der guten oder der bösen Seite steht. Und was Gut und Böse hier überhaupt noch für eine Aussagekraft hätten.

Da ist der kleine Junge aus einem Dorf, der damit aufwächst, dass Jahr für Jahr mal die eine, mal die andere Kampftruppe im Dorf auftaucht, Leute erschießt, andere zwangsrekrutiert und wieder abzieht. Die Bevölkerung hat sich, wenn sie nicht ohnehin irgendwann in eine ruhigere Region flüchtet, dem für sie unerklärlichen Machtspiel längst ergeben. Es geht nicht um sie, nicht um ihre Belange, Interessen oder ihr Wohlbefinden, auch wenn jede der kämpfenden Seiten irgendwie behauptet.

Wie wird der Lebensweg des Jungen aussehen? Wird er mangels anderer Perspektiven auch irgendwann bei einer der Gruppen anheuern? Oder wird er zwangsrekrutiert, ideologisiert und gehirngewaschen, bis er selbst all die wirren Phrasen glaubt, die da alle Seiten vor sich hertragen?

Oder die amerikanische Journalistin, die so viel auf Kriegsschauplätzen dieser Welt unterwegs war, dass ein Leben in der friedlichen Welt, in der wir, die wir dieses Buch in aller Ruhe lesen können, inzwischen weit ihrer eigenen Vorstellungskraft liegt. Darum zieht es sie unnachgiebig ins nächste Krisengebiet. Die stille Hoffnung, mit ihrer Berichterstattung auch nur irgendwas bewirken zu können, geht ihr nicht aus dem Kopf. Dazu muss sie keine Aktivistin sein, nur an die Macht der Wahrheit glauben. Aber was bedeutet die Wahrheit, wenn sie mit ihrer Arbeit selbst von verschiedenen Seiten instrumentalisiert wird und ihr Bericht eben auch echte Gefahr für reale Menschen bedeutet?

Da wäre auch noch die Tochter eines kolumbianischen Armeegenerals (beim Dienstrang bin ich mir gerade nicht sicher), die wohlbehütet als Privilegierte des Systems aufwächst, aber dennoch Gutes tun will. Also wendet sie sich einem Projekt zu, dass wissenschaftliche Interviews führen will – mitten im Kriegsgebiet, das gar nicht offiziell so bezeichnet werden muss, weil dieser Krieg so viele Seiten hervorgebracht hat, dass ohnehin kaum noch jemand durchblickt. Mit ihrer prominenten Herkunft bringt sie Menschen in Gefahr, denen sie eigentlich eine Stimme geben wollte – und kann das nicht mal klar erkennen. Ihr bisherigen Leben jedenfalls war von all dem in diesem Dschungel mindestens so weit entfernt wie wir als Leser:innen.

Ein paar Figuren mehr spielen mit ihrem Weg in diesem Roman eine Rolle. Sie kommen abwechselnd zu Wort. Und wenig überraschend sind diese Leben am Ende miteinander verwoben. Nur dass es hier kein versöhnliches Ende gibt oder auch nur geben kann.

Es bleibt die alte Wahrheit, dass Krieg und Gewalt solange weiter stattfinden werden, wie es Gruppierungen oder Einzelne gibt, die in irgendeiner Form davon profitieren. Ob es der Soldat ist, der seine Befehle befolgt und mit dem Ergebnis seiner Karriere seine Familie gut versorgen will, ob es Politiker:innen sind, die machtpolitische oder einfach nur wirtschaftliche Interessen verfolgen, ob es Kämpfer:innen aus einfachsten Verhältnissen sind, denen ideologische Erzählungen einen Sinn zu geben scheinen, wo es doch oft genug einfach nur ums Überleben geht – oder ob es eine Großmacht wie die USA ist, die Konflikte anderswo nutzt, um ihren Status als Global Player unter Beweis zu stellen und ganz nebenher auch gute Geschäfte zu machen, ob mit Waffen oder Rohstoffen oder was auch immer.

Man sollte meinen, es gäbe genügend Antikriegsgeschichten, ob in Büchern oder Filmen. Anscheinend reicht all das aber immer noch nicht aus – gegen die Hilflosigkeit und die Resignation.

Klays Geschichte ist hart und er erzählt sie mit aller Härte. Inhaltlich und sprachlich hat dieses Buch in jedem Fall ein großes Publikum verdient. Zumal es Klay gelingt, den Menschen, von denen er erzählt, angemessen zu begegnen. Niemand ist per se und von Natur aus böse. Aber die Welt, in der diese Figuren leben und zu überleben versuchen, formt sie entscheidend. Und daran haben wiederum andere Menschen, ob in guter oder welcher Absicht auch immer, regen Anteil.

Kurz und gut: Die Story schmerzt und ist ungeschönt erzählt. Aber so ist Krieg. Lesen!

(Übersetzung: Hannes Meyer)

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Samstag, 16. August 2025

Ramar: DIGGER


„In einem abgelegenen Gefängnis, irgendwo an einer windumtosten Steilküste, sitzt DIGGER seine Strafe ab. Er glaubt, dass er sich mit seinem Schicksal abgefunden hat, weil er ein Geheimnis in sich trägt.

Angeregt durch die Erfahrungen des Lockdowns in der Corona-Zeit, erzählt Ramar hier eine transformative und feinsinnige Geschichte vom Alleinsein, unerwarteter Freundschaft, der eigenen Stärke und der Chance zur Veränderung.“ (Umschlagtext)

Seit 2024 war dieser Comic immer wieder in aller Munde – also derer, die sich für Comics und insbesondere hierzulande entstandene interessieren. Auf Social Media springt der Band bis heute immer mal wieder ins Auge. Grund genug also, dass er dann doch auch endlich mal auf meinem Lesestapel landet. Yippieh! 😉

Jetzt bin ich aber wirklich mal gespannt, mag das Artwork aber schon vom Durchblättern. 😊

DIGGER sitzt ein. In einem Gefängnis an der Küste und das ist für ihn auch okay so. Er gehört hierher.
Eines Tages wird diese Ruhe gestört durch einen heimtückischen Angriff und DIGGER verliert das, was ihm am Wertvollsten erscheint. Sein Geheimnis.
Dieses Ereignis, und die Freundschaft zu einem anderen Insassen, setzen eine Kette an Ereignissen in Gang, deren Sog man sich nur schwer entziehen vermag.

Das bemerkenswerte Erstlingswerk von Ramar exklusiv in einer erweiterten und definitiven Version im Hardcover.“ (Verlagstext)

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Freitag, 15. August 2025

Thomas Biebricher: Mitte/Rechts. Die internationale Krise des Konservatismus


„Stabilitätsorientierter Pragmatismus oder polarisierender Kulturkampf? Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben Mitte-rechts-Parteien, die in der Regel ersteren Kurs verfolgten, die Entwicklung westlicher Demokratien entscheidend geprägt. Das gilt nicht nur für die CDU/CSU in Deutschland, sondern auch etwa für die Tories in Großbritannien, die Christdemokraten in Italien oder republikanische Parteien in Frankreich. Doch seit den 1990er-Jahren sei der gemäßigte Konservatismus international zunehmend in eine Krise geraten, so der Politikwissenschaftler Thomas Biebricher. Anhand der Beispiele Italiens, Frankreichs und Großbritanniens diskutiert er Gründe und Gestalt dieser Krise, indem er den Wandel des Parteiengefüges der rechten Mitte in diesen Ländern nachzeichnet. So habe die durch Korruptionsskandale bedingt Auflösung der Democrazia Cristiana in Italien ein Vakuum entstehen lassen, in das Berlusconis Forza Italia, aber auch weit rechts stehende Parteien wie die Postfaschisten und die Lega (Nord) vordringen konnten. Die Tories haben vor allem im Zuge des Brexit-Referendums und der darauffolgenden Aushandlung und Umsetzung des EU-Austrittsabkommens eine deutlich destruktive Dynamik offenbart, während die einst mächtigen französischen Republikaner angesichts der zunehmenden Konkurrenz von rechts und links nahezu in Bedeutungslosigkeit versanken. Biebricher sieht in diesen Entwicklungen eine Gefahr, hätten gemäßigt konservative Parteien doch lange Zeit eine wichtige Integrationsfunktion in liberalen Demokratien übernommen, die verloren zu gehen drohe.“ (Umschlagtext)

Was ist nur los mit den Konservativen? Die Frage stellt sich ja schon seit längerem, in Deutschland auf jeden Fall erst recht seit dem mindestens fahrlässigen gemeinsamen Abstimmen im Bundestag mit der #fckafd kurz vor der Bundestagswahl in diesem Jahr.

So erfreulich der darauffolgende Zulauf an neuen Mitgliedern und Wähler:innenstimmen für die Linke war und ist, die Entwicklung, die konservative Parteien europaweit nehmen, wenn es sie denn überhaupt noch gibt, muss uns alle bestürzen. Denn wenn wir Demokratie, wie wir sie kennen, ernstnehmen, brauchen natürlich auch konservative Stimmen in der Gesellschaft eine Vertretung.

Was also kam ins Rutschen, wenn Konservative nicht nur mit rechts und Rechtsextremen flirten, sondern sich auch deren Kulturkampf ergeben und wenigstens zum Teil zum Eigenen machen?

Mal schauen, was der Autor dazu zu sagen hat.

‘Damit alles bleibt, wie es ist, muss sich alles ändern.‘ Der berühmte Satz aus dem Roman Der Leopard ist so etwas wie das inoffizielle Motto des gemäßigten Konservatismus. Parteien wie die CDU arrangierten sich mit Veränderungen und erwiesen sich als Anker der Stabilität. Heute ist nicht mehr sicher, ob die rechte Mitte hält: Setzen ihre Vertreter weiterhin auf Ausgleich und behutsame Modernisierung? Oder auf polarisierenden Kulturkampf?

In der Bundesrepublik waren die letzten Merkel-Jahre von unionsinternen Richtungsstreits geprägt. Doch nicht zuletzt der Aufstieg Donald Trumps hat gezeigt, dass die Identitätskrise der rechten Mitte kein exklusiv deutsches Phänomen ist: In Italien füllten Berlusconi und radikal rechte Parteien wie Giorgia Melonis Fratelli d’Italia das durch die Implosion der Democrazia Cristiana entstandene Vakuum. In Frankreich spielen die Républicains zwischen Macron und Le Pen kaum noch eine Rolle. Und die Tories versinken nach dem Brexit-Chaos in Unernst und Realitätsverweigerung.

Thomas Biebricher widmet sich dieser internationalen Dimension und zeichnet die turbulenten Entwicklungen seit 1990 nach. Seine Befunde sind auch deshalb brisant, weil sich am gemäßigten Konservatismus die Zukunft der liberalen Demokratie entscheidet.“ (Verlagstext)

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Donnerstag, 14. August 2025

Colson Whitehead: John Henry Days


„In einem Kaff in West Virginia findet ein Festival zu Ehren des legendären amerikanischen Volkshelden John Henry statt. Als der junge Schwarze Journalist J. Sutter und seine Freunde dort erscheinen, treffen zwei Welten aufeinander. Ein witziges und zugleich beunruhigendes Porträt der amerikanischen Gesellschaft.“ (Umschlagtext)

Mit „Underground Railroad“, dem Roman, der inzwischen auch als Serie verfilmt wurde, erlangte der Autor hier so richtig Bekanntheit. Und zurecht, wie ich nach dem Lesen seiner „Nickel Boys“ sagen würde.

Ihr kennt das sicher auch, dass manchmal ein Buch ausreicht, um sicher zu sein, hier eine großartige literarische Stimme gefunden zu haben. 😉

Das Original erschien übrigens bereits 2001. Hoffen wir, dass Trumps Kulturkampf nicht verhindern kann, dass auch weiterhin solche Stimmen Gehör finden.

„John Henry, der Mann mit dem Hammer in der Hand, ist der Held unzähliger Volkslieder und Balladen und wurde zum amerikanischen Gründungsmythos. Der Legende nach siegte der schwarze Tunnelarbeiter mit Körperkraft im Wettstreit gegen eine Bohrmaschine, doch bezahlte er diesen Triumph mit dem Leben. Mehr als hundert Jahre später wird ihm zu Ehren in einem Kaff in West Virginia ein Festival gefeiert und eine neue Briefmarke ausgegeben. Eine ganze Horde von Journalisten trifft in dem einstigen Sklavenstaat ein, und der einzige Schwarze unter ihnen, J. Sutter, ist dabei, einen neuen Rekord im Spesenrittertum aufzustellen. Dabei freundet er sich mit einer jungen New Yorkerin an, die die John-Henry-Devotionalien ihres Vaters loswerden will. Und was hat es mit dem scheinbar harmlosen Briefmarkensammler auf sich, der ihm gleich am ersten Abend das Leben rettet?“ (Verlagstext)

(Übersetzung: Nikolaus Stingl)

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Dienstag, 12. August 2025

Joris Kern: Konsenskultur. Gemeinsam größer denken


„Zu erkennen, wo wir untereinander versuchen, Konflikte auszutragen, die uns durch äußere Einflüsse aufgebürdet werden, ist extrem wichtig. Sie solidarisch gemeinsam anzugehen auch. Dass das nicht unser Default-Modus ist, lässt sich durch Patriarchat und Kapitalismus gut erklären. Aber wir brauchen ein Gegengift, um auch in widrigen Umständen groß und solidarisch zu denken. Dieses Zaubermittel heißt Konsenskultur.“ (Umschlagtext)

Ein wirklich kleines, schmales Bändchen, auf das ich bei einer Lesung im #prinzeisenherz neugierig geworden bin. Politisch und auch als Kommunikationstrainer bin ich gespannt, welche Gedanken Joris Kern hier in diesen knackigen Essay gesteckt hat – und ob ich Anknüpfpunkte für meine Arbeit finde. Hach, ich liebe meinen Job. 😊

„Als queere Menschen haben wir mit Ausgrenzung und Diskriminierung zu tun. In der Hoffnung, endlich dazuzugehören, verhalten sich viele ‚szenekonform‘, was unsere Kreise oft zu exklusiven Clubs werden lässt, die sich immer wieder als gnadenlos denen gegenüber erweisen, die nicht sexy genug oder politisch auf Linie sind. Wie können politische Räume und ‚safe spaces‘ liebevoller und inklusiver, aber dabei trotzdem nicht beliebig werden?“ (Klappentext)

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Sonntag, 10. August 2025

Alan Moore: Jerusalem


„Der Jahrhundertroman von einem der bedeutendsten Erzähler unserer Zeit

Michael Warren kann sich an das wichtigste Ereignis seines Lebens nicht erinnern: Im Alter von drei Jahren verschluckt er ein Hustenbonbon – und droht daran zu ersticken. Zehn Minuten soll er, so heißt es, nicht geatmet haben, und während dieser zehn Minuten wird Michael hinfortgerissen in eine andere Welt, wo er als Ehrenmitglied der ‚Bande der Todtoten‘ zahlreiche fröhliche wie furchterregende Abenteuer erlebt.

Dabei erfährt er am eigenen Leibe, dass unsere Vorstellungen von Raum und Zeit, von Leben und Tod kaum an der Oberfläche der Realität kratzen: Unsere Wirklichkeit ist nur die unterste Ebene eines mehrstöckigen Weltengebäudes, das von ganz anderen Gesetzen beherrscht wird als jenen, die wir für unumstößlich halten. Und zwischen diesen höheren Gefilden und Michaels Zuhause in den Boroughs von Northampton besteht eine geheimnisvolle Wechselwirkung …

Mit Jerusalem hat Alan Moore ein verstörendes, berauschendes Romanepos über die Tragik und das Glück des menschlichen Daseins verfasst, ein Monument, das in seiner brillanten Vielfalt von tiefschürfender Gesellschaftskritik bis zu extravaganter Phantastik alle Register zieht.“ (Umschlagtext)

Vor zwei Jahren war es, glaube ich, dass am Stand vom Carcosa Verlag auf der Leipziger Buchmesse ein unscheinbarer Zettel die Übersetzung dieses als unübersetzbaren Kloppers ankündigte. Das klang nach einem wirklich unglaublichen Unternehmen. Und sie haben es tatsächlich geschafft.

Vielleicht kennt ihr das ja, wenn es Autor:innen gibt, die ihr richtig grandios findet. Aber dann gibt es dieses eine Buch aus deren Feder, das euch so viel Respekt einflößt, dass ihr es nur aus der Ferne bewundert. Tja, bei Alan Moore und diesem Buch gilt das für mich.

Wenn die besten Freunde dann befinden, man sollte dieses Buch doch lesen und einen zum Geburtstag damit überraschen. Nun ja, dann werde ich mich also trauen müssen. 😊

(Übersetzung: Hannes Riffel/ Andreas Fliedner/ Alex „molosovsky“ Müller/ Ralf Gnosa)

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Sonntag, 3. August 2025

Ernst Haffner: Blutsbrüder

 

„Anfang der 1930er Jahre, Weltwirtschaftskrise. Willi und Ludwig, zwei aus der Fürsorgeanstalt geflüchtete Jugendliche, leben in Berlin auf der Straße. Sie kämpfen ums Überleben und schließen sich der ‚Blutsbrüder‘-Bande an. Erst glücklich, dort aufgenommen worden zu sein, merken sie bald, dass sich die ‚Blutsbrüder‘ immer mehr zu einer professionellen Bande entwickeln und mit Kriminalität und Prostitution ihre Existenz sichern. Willi und Ludwig versuchen auszusteigen …“ (Umschlagtext)

Es ist doch wirklich unglaublich, wie viele Schriftsteller:innen und Werke der Furor der Nazis damals aus dem kulturellen Gedächtnis löschen konnte. Unglaublich auch, dass auch heute noch immer wieder Werke wiederentdeckt werden, die damit der Vergessenheit entrissen werden – und damit immerhin einige der unendlichen vielen Verfolgten und Opfer ihren Namen und ihre Stimme zurückerhalten.

Gut, dass diese Arbeit weitergeht. Offen bleibt, ob es uns gelingen wird, daraus etwas zu machen.

Und damit zurück zum Angeberstapel der feinen Buchgeschenke zum Geburtstag. 😉

„Ernst Haffner arbeitete zwischen 1925 und 1933 als Journalist und Sozialarbeiter in Berlin. Mit der Machtergreifung der NSDAP verliert sich seine Spur. Sein 1932 unter dem Titel ‚Jugend auf der Landstraße Berlin‘ erschienener und einziger Roman wurde von den Nazis verboten und öffentlich verbrannt. In Vergessenheit geraten, erschien das Buch nun 80 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung ein zweites Mal: unter dem Titel ‚Blutsbrüder‘.

‚Berlin, Berlin … Der Name klingt ihm wie Musik. Als ob ausgerechnet in Berlin ein gedeckter Tisch und ein weiches Bett auf Willi Kludas warten.‘
Anfang der 1930er Jahre lebten in Berlin und anderen deutschen Großstätten infolge der prekären wirtschaftlichen Verhältnisse tausende Jugendliche auf der Straße. Sie verdingten sich als Tagelöhner und Laufburschen, aber häufig führte ihr Weg sie auch in die Kriminalität oder Prostitution. Zuflucht und ein wenig Sicherheit und soziale Wärme fanden sie in selbstorganisierten Gruppen. In stillgelegten Fabrikbaracken traf man sich, trank, tanzte und vergaß für einen Augenblick das Elend, das einen täglich umgab.
Poetisch und mit einem tieftraurigen Realismus folgt Ernst Haffner der Jugendbande ‚Blutsbrüder‘, lässt den Leser teilhaben an ihrem oft grausamen Überlebenskampf und schildert den unbändigen Freiheitswillen der Jugendlichen.“ (Verlagstext)

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