Freitag, 15. August 2025

Thomas Biebricher: Mitte/Rechts. Die internationale Krise des Konservatismus


„Stabilitätsorientierter Pragmatismus oder polarisierender Kulturkampf? Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben Mitte-rechts-Parteien, die in der Regel ersteren Kurs verfolgten, die Entwicklung westlicher Demokratien entscheidend geprägt. Das gilt nicht nur für die CDU/CSU in Deutschland, sondern auch etwa für die Tories in Großbritannien, die Christdemokraten in Italien oder republikanische Parteien in Frankreich. Doch seit den 1990er-Jahren sei der gemäßigte Konservatismus international zunehmend in eine Krise geraten, so der Politikwissenschaftler Thomas Biebricher. Anhand der Beispiele Italiens, Frankreichs und Großbritanniens diskutiert er Gründe und Gestalt dieser Krise, indem er den Wandel des Parteiengefüges der rechten Mitte in diesen Ländern nachzeichnet. So habe die durch Korruptionsskandale bedingt Auflösung der Democrazia Cristiana in Italien ein Vakuum entstehen lassen, in das Berlusconis Forza Italia, aber auch weit rechts stehende Parteien wie die Postfaschisten und die Lega (Nord) vordringen konnten. Die Tories haben vor allem im Zuge des Brexit-Referendums und der darauffolgenden Aushandlung und Umsetzung des EU-Austrittsabkommens eine deutlich destruktive Dynamik offenbart, während die einst mächtigen französischen Republikaner angesichts der zunehmenden Konkurrenz von rechts und links nahezu in Bedeutungslosigkeit versanken. Biebricher sieht in diesen Entwicklungen eine Gefahr, hätten gemäßigt konservative Parteien doch lange Zeit eine wichtige Integrationsfunktion in liberalen Demokratien übernommen, die verloren zu gehen drohe.“ (Umschlagtext)

Was ist nur los mit den Konservativen? Die Frage stellt sich ja schon seit längerem, in Deutschland auf jeden Fall erst recht seit dem mindestens fahrlässigen gemeinsamen Abstimmen im Bundestag mit der #fckafd kurz vor der Bundestagswahl in diesem Jahr.

So erfreulich der darauffolgende Zulauf an neuen Mitgliedern und Wähler:innenstimmen für die Linke war und ist, die Entwicklung, die konservative Parteien europaweit nehmen, wenn es sie denn überhaupt noch gibt, muss uns alle bestürzen. Denn wenn wir Demokratie, wie wir sie kennen, ernstnehmen, brauchen natürlich auch konservative Stimmen in der Gesellschaft eine Vertretung.

Was also kam ins Rutschen, wenn Konservative nicht nur mit rechts und Rechtsextremen flirten, sondern sich auch deren Kulturkampf ergeben und wenigstens zum Teil zum Eigenen machen?

Mal schauen, was der Autor dazu zu sagen hat.

‘Damit alles bleibt, wie es ist, muss sich alles ändern.‘ Der berühmte Satz aus dem Roman Der Leopard ist so etwas wie das inoffizielle Motto des gemäßigten Konservatismus. Parteien wie die CDU arrangierten sich mit Veränderungen und erwiesen sich als Anker der Stabilität. Heute ist nicht mehr sicher, ob die rechte Mitte hält: Setzen ihre Vertreter weiterhin auf Ausgleich und behutsame Modernisierung? Oder auf polarisierenden Kulturkampf?

In der Bundesrepublik waren die letzten Merkel-Jahre von unionsinternen Richtungsstreits geprägt. Doch nicht zuletzt der Aufstieg Donald Trumps hat gezeigt, dass die Identitätskrise der rechten Mitte kein exklusiv deutsches Phänomen ist: In Italien füllten Berlusconi und radikal rechte Parteien wie Giorgia Melonis Fratelli d’Italia das durch die Implosion der Democrazia Cristiana entstandene Vakuum. In Frankreich spielen die Républicains zwischen Macron und Le Pen kaum noch eine Rolle. Und die Tories versinken nach dem Brexit-Chaos in Unernst und Realitätsverweigerung.

Thomas Biebricher widmet sich dieser internationalen Dimension und zeichnet die turbulenten Entwicklungen seit 1990 nach. Seine Befunde sind auch deshalb brisant, weil sich am gemäßigten Konservatismus die Zukunft der liberalen Demokratie entscheidet.“ (Verlagstext)

#lesesommer #sachbuch #thomasbiebricher #bpb #suhrkamp #politik #konservatismus #mitterechts #rechts #europa #gesellschaft #debatte #polbil #trainerlife #lesen #leselust #leseratte #bücher

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen