Montag, 13. Oktober 2025

Heidi Kastner: Dummheit


„Über die Dummheit zu schreiben ist immer ein prekäres Unterfangen.“ (Seite 9)

Ey, bist du dumm? Ich Dummerchen! Dummdreist. Dumm wie Brot. Dummbatz!

Ok, „dumm“ gehört offenbar nicht zu den ganz arg schlimmen Kennzeichnungen von Menschen, lässt aber auch genügend Spielraum für Nuancen von vollkommenem Unverständnis bis hin zur koketten Verniedlichung. Wie gut, dass sich die forensische Psychiaterin Heidi Kastner einer kleinen Untersuchung der Dummheit angenommen hat.

Das schöne bei einem solchen Thema ist, dass wir Alltagsbeispiele am laufenden Band einsammeln. Dieses Büchlein geht über reine Erfahrungsevidenz natürlich weit hinaus. Aber der Abgleich im Hinterkopf beim Lesen war schon recht unterhaltsam.

Zunächst scheint Dummheit nicht zwingend etwas über das Wissen auszusagen, über das jemand verfügt sondern eher über die Fähigkeit (oder den Willen) dieses auch einzusetzen. 

Ganz praktisch könnte das beschreiben, dass ich bei handwerklichen Fragen im Kopf schon ganz sicher bin, wie etwas zu sein oder zu funktionieren hat. Nicht unbedingt kommt dann der Nagel deswegen auch gerade in die Wand oder ins Holz. Sich dumm anstellen ist ja quasi auch eine wirklich hohe Disziplin.

Persönlich nutze ich ja gern, dass das sich Dummstellen sprachlich nicht so weit davon entfernt ist und mitunter hilfreich dabei, ungeliebten Tätigkeiten nicht nachgehen zu müssen. (Ich sehe direkt vor mir, wie der MM da mit den Augen rollt, gelle. 😉)

Dummheit hat, so würde ich hier schon mal dazwischenschieben, also womöglich etwas mit blinden Flecken zu tun. Seien sie im eigenen Auge zu finden oder vielleicht auch im Auge anderer zu provozieren. Aber das klingt ja erstmal immer noch recht putzig.

Das sich Dummstellen führt, finde ich, durchaus hin zu einem Punkt, den Heidi Kastner in ihrem Band auch aufmacht – nämlich die Ausprägung, in der jemand bewusst Fakten leugnet bzw. ignoriert. Und jenseits des ganz Alltäglichen wird es, wenn es dann um Politik, Gesellschaft, Debatten geht doch nicht nur anstrengend, sondern schon auch gefährlich.

Seit geraumer Zeit müssen wir ja nun schon im politischen Raum erleben, wie das dummdreiste (sic!) Leugnen und Ignorieren von Fakten einfach zur Methode erklärt wird. Faktenchecks hin oder her. Die Rechtspopulisten in allen möglichen Ländern liefern dafür tagtäglich unschöne Beispiele. Leider versuchen manche dem Nachzueifern – eigentlich auch eine Form der Wissens- oder Handlungsverweigerung, also sich Dummstellen.

Spannend in Kastners Ausführungen und Überlegungen fand ich auch das Kapitel über Gefühlsdummheit. Ein Wort, bei dem ich sofort aus Alltagserlebnissen frei assoziieren kann. 😉

Damit das alles nicht salopper wirkt, als der Anspruch des Büchleins aus der Reihe „Übermorgen“ des Wiener Indieverlags Kremayr & Scheriau, sei darauf hingewiesen, dass auch in dieser Ausgabe durchaus ernsthaft wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde gelegt werden, um Facetten des titelgebenden Phänomens zu beleuchten. Und das ist definitiv bestens gelungen.

Kurz und gut: Informativ, anregend und soooo anschlussfähig. Lesen!

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Freitag, 10. Oktober 2025

Zoran Drvenkar: Asa


„Sechs Jahre hatte man sie wegsperren können, aber nun ist die Zeit der Rache gekommen. Asa macht sich auf den Weg, um eine Tradition zu zerstören, die das Leben einer Gemeinschaft seit hundert Jahren beherrscht und zum Tod unzähliger Unschuldiger geführt hat. Und bald wird sie ihrem größten Feind gegenüberstehen – ihrer eigenen Familie.

ASA ist ein gewaltiger Roman voller Tragik, Liebe, Gewalt, Freundschaft und Verrat. Ein virtuos geschriebener Thriller, eine düstere Familiensaga, ein atemberaubender Racheroman – rasant und mit ungeheurer Wucht erzählt.“ (Umschlagtext)

Die Farbgestaltung, gelber Spotlack auf dem Cover und Farbschnitt obendrein – ich musste ja mehrfach hinschauen, um mich zu vergewissern, dass ich mich beim Verlag nicht verlesen habe. 😉

Ok, Suhrkamp ist schon seit Längerem auch jenseits der literarisch angestammten Domänen unterwegs. Aber die Gestaltung ist dann doch auffälliger als alles, was ich sonst so aus dem Haus kenne.

Da gut gemachte Thriller ja durchaus ihren Reiz haben und einfach alle wichtigen Schlagworte auftauchen: Tragik, Liebe, Gewalt, Verrat, Familiensage – hey, hier bin ich. Das ist doch, was sich seit jeher durch die Literatur zieht. Also, seien wir gespannt, was hier eingelöst wird. 😉

„Sechs Jahre konnten sie sie wegsperren und bei dem Gedanken an sie beruhigt aufseufzen, Sechs Jahre konnten sie des Nachts ruhiger schlafen und mussten des Tags nicht nervös über die Schulter blicken, ob sie ihnen nicht doch auf den Fersen ist. Aber diese Zeit ist jetzt vorbei, weil sie wieder da ist: Asa, die Legende, Asa, die Unbezwingbare, die große Jägerin, deren Feinde sie ehrfurchtsvoll ‚MIR‘ nennen, Frieden.
Und sie wissen: Ihr Frieden wird ein endgültiger sein, Asa hatte sechs Jahre Zeit für ihren Racheplan. Denn Rache wird sie nehmen. An all jenen, die die unbarmherzige und grausame Tradition, die ‚Prüfung‘, weitergeführt und ihr damit das Liebste genommen haben.
Bei ihrem Kampf findet Asa loyale Verbündete, erfährt niederträchtigen Verrat, trifft auf mächtige Gegner und stellt sich schließlich ihrem größten Feind – ihrer eigenen Familie.

ASA ist ein gewaltiger Roman voller Tragik, Liebe, Gewalt, Freundschaft und Verrat, ein virtuos geschriebener Pageturner, eine düstere Familiensaga, ein atemberaubender Racheroman – rasant und mit ungeheurer Wucht erzählt.“ (Verlagstext)

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Donnerstag, 9. Oktober 2025

Mal in eigener Sache


Manchmal lösen ja ganz unspektakuläre, fast schon banale Momente ganz schön was aus. Etwas über 25 Monate ist es jetzt her, dass Fahrrad, Tramgleis, Schwerkraft und ich eine denkwürdige Begegnung hatten. Denkwürdig zumindest für mich. 😉

Nach über zwei Jahren bin ich nun endlich das hilfsweise eingebaute Metall wieder los und bin einfach mal optimistisch, was die Zukunft angeht. Und ja, ich saß inzwischen wieder auf dem Fahrrad und es war grandios.

Da ich mit Unfällen und einer derart intensiven Art des Umganges mit dem Gesundheitssystem ein echter Neuling bin, hab ich sehr schnell doch einiges lernen dürfen und müssen. Dabei weiß ich, wie viel Glück ich hatte mit einzelnen Menschen, denen ich begegnet bin, und mit den Institutionen, mit denen ich zwangsweise so zu tun hatte. Und ich traf genügend andere Leute, für die es nicht annähernd so lief.

Spannend ist die Erfahrung mein Verhältnis zu meinem Körper neu mit mir aushandeln zu müssen, weil „die Maschine“ schlagartig eben nicht mehr einfach da war und tat, was sie doch immer einfach so getan hat. Plötzlich musste ich Schmerzgrade bestimmen und beschreiben und Unmengen an Fragen beantworten, die für Menschen im Gesundheitswesen halt Alltag sind, mich aber erstmal ganz schön ins Grübeln brachten. „Sei doch mal locker und Atmen nicht vergessen!“ Unvergessen der Satz und sicher auch einigen hier ein Begriff. 😉

In zwei Krankenhäusern konnte ich zwei Betreuungen erleben, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Und das lag beileibe nicht an den einzelnen Mitarbeitenden dort. Heute kann ich sagen, wie viel wert es ist, wenn die Pflegekräfte ansprechbar sind und unter Bedingungen arbeiten, die es ihnen ermöglichen für die Patienten da zu sein. Kein freundliches Wort an sie ist verschwendet und kein Danke.

Ganz große Hochachtung habe ich inzwischen vor der Arbeit all der Therapeut:innen, mit denen ich ja letztlich die meiste Zeit verbrachte und verbringe. Die Leistung der Ärzte will ich damit gar nicht schmälern, ab die hab ich ja nicht halb so viel gesehen. 😊 Es ist so beeindruckend, wie viel an Kommunikationsarbeit zu diesem Beruf gehört. Da kommt so ein Patientenmensch an mit der eigenen Geschichte und redet, jammert vielleicht. Neben Smalltalk, der auch fürs Gesehenwerden enorm wichtig ist, die all die therapeutischen Fragen zu klären. Und dann noch wie nebenher mit den Körpern auf der Liege zu kommunizieren, um all den Auas nachzugehen, Blockaden zu lösen, Fehlstellungen zu erkennen und und und. Nein, das ist wirklich unendlich beeindruckend.

Mein Weg wird ja noch etwas weitergehen, bis diese leidliche Geschichte dann endlich mal als abgeschlossen gelten kann.

Mein vorläufiges Fazit:

Unfälle einfach nicht machen. Und wenn schon, dann nur Arbeitsunfälle. Alles andere lohnt sich ja mal gar nicht. Ist schon nicht so schlecht, sich auch mal Zeit für den eigenen Körper zu nehmen und wahrzunehmen vor allem. Und am wichtigsten eigentlich: So ein Lächeln und ein freundliches Wort hat noch niemanden überanstrengt und retten jemand anderem vielleicht gerade den Tag oder auch nur den Moment.

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Mittwoch, 8. Oktober 2025

Maria Kanitz/ Lukas Geck: Lauter Hass. Antisemitismus als popkulturelles Ereignis


„Galt Popmusik einst als Medium der Emanzipation, scheint davon seit dem 07. Oktober nicht mehr viel übrig zu sein. Es werden offene Briefe unterschrieben, die das Massaker der Hamas verharmlosen, beschweigen oder gar leugnen. Es wird zu Boykotten aufgerufen, Konzerte werden zu israelfeindlichen Kundgebungen.
Anhand zahlreicher Beispiele zeigen Maria Kanitz und Lukas Geck, in welchem Ausmaß Antisemitismus im popkulturellen Repertoire verankert ist und wie breit und bereitwillig dieser zelebriert wird.“ (Umschlagtext)

Wenn es jemals so etwas wie einen gesellschaftlichen Kompass gab, der es auch Einzelnen erleichterte, die Welt und was in ihr und um uns herum geschieht zu deuten, dann scheint dessen Eichung in den letzten Jahren ziemlich ramponiert worden zu sein. Sei es vom vielen gebotenen Gebrauch, sei es, dass der Gebrauch nicht mehr so gebräuchlich oder gar missbräuchlich geschieht oder willentlich unterlassen oder sabotiert wird. Sofern dieses Bild vom Kompass nicht als gänzlich naiv zu verwerfen ist.

Leider gibt es unendlich viele Gründe immer wieder genau hinzuschauen und an der Justierung dieses Kompasses zu arbeiten – am besten gemeinsam. Lautes Nachdenken und Analysieren mit Veröffentlichungen gehört dazu. Ich bin also gespannt auf diesen Beitrag.

„Galt Popmusik einst als Medium der Emanzipation, scheint davon seit dem 07. Oktober nicht mehr viel übrig zu sein. Es werden offene Briefe unterschrieben, die das Massaker der Hamas verharmlosen, beschweigen oder gar leugnen. Es wird zu Boykotten aufgerufen, Konzerte werden zu israelfeindlichen Kundgebungen, Musiker:innen inszenieren sich als Freiheitskämpfer:innen.
Maria Kanitz und Lukas Geck nehmen dies zum Anlass, antisemitische Entgleisungen in der Popkultur genauer unter die Lupe zu nehmen. Anhand zahlreicher Beispiele aus den letzten Jahren – etwa Roger Waters, Kanye West oder Macklemoore – zeigen sie, in welchem Ausmaß Antisemistismus ins popkulturelle Repertoire eingesickert ist und wie breit und bereitwillig dieser zelebriert wird.“ (Verlagstext)

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