Sonntag, 19. August 2018

Igort: Berichte aus Japan [Eine Reise ins Reich der Zeichen]



„Ich will nicht behaupten, dass alles aus heiterem Himmel gekommen wäre.
Bevor ich 1991 zum ersten Mal in Japan war, hatte ich schon über zehn Jahre von diesem Land geträumt. So lange war es her, dass ich Japan zum ersten Mal gezeichnet habe, beinahe unbewusst, und aus diesen Zeichnungen sollte mein erster Comicband werden: „Goodbye Baobab“.
Wonach habe ich gesucht? Diese Frage stelle ich mir seit 25 Jahren. Und mit der Zeit ist mir dieses geheimnisvolle Land unter die Haut gekrochen. Bis meine Sehnsucht in den Neunzigerjahren so groß wurde, dass ich mich dazu entschloss, eine gewisse Zeit dort zu leben.
Dieses Buch erzählt vom Verfolgen eines Traums und der Einsicht, dass man Träume nicht erreichen kann.“ (Seite 7)

Nach Igorts Berichten aus der Ukraine und aus Russland war ich wirklich sehr gespannt auf den Band, in dem er aus und über Japan berichtet. Seine kollagenartige Erzählweise, in der viele kleine und größere Geschichten miteinander verwoben werden und auch die Panel sich nicht in ein festes durchgängiges Raster pressen lassen, begeisterte mich schon beim ersten dieser drei Bände.
Mit den „Berichten aus Japan“ legt Igort für mich noch einmal kräftig nach. Es ist die persönlichste Sammlung an Berichten, da er hier einige Jahre lebte und als einer der ersten westlichen Comicautoren auch in der japanischen Mangaindustrie arbeitete. Er verwebt einerseits seine eigenen Erfahrungen und berichtet davon, wie inspirierend und zugleich erbarmungslos eine Maschinerie wie die des Verlags Kodansha arbeitet, und lässt die Leser*innen andererseits tief in sein Herz schauen auf dem Nachspüren dessen, was ihn an diesem Land so begeistert.

Das Japan, das Igort vorstellt und beschreibt, ist nicht geprägt von der kribbelbunten und hyperaktiv flimmernden Metropole, nicht von J-Pop oder Hightech. Speedlines sucht man dementsprechend in diesem Band vergeblich.

Gerade in Japan angekommen, sieht er zunächst wenig von Land und Leuten. Sein Betreuer bei Kodansha erwartet schier besinnungslose Akkordarbeit, für ein europäisches Selbstverständnis als Künstler wirklich unglaubliche Mengen an Mangaseiten und Ideen. Igort ist der Erschöpfung nahe, quält sich und gibt nicht auf. Er bringt es zu einer eigenen Serie. Und bei alldem bleibt diese Neugierde darauf, zu ergründen worauf dieses „Reich der Zeichen“ beruht.

Wo wir in Europa eher ganze Folgen von Gesten oder Posen benötigen, existiert in Japan eine unendliche Vielzahl an zu Zeichen geronnener Symbolik. Igort stürzt sich in diese Welt und entdeckt Anime ebenso wie die Kunst alter japanischer Meister. Die Art, uns das in Form vieler kleinerer Szenen, Illustrationen und kurzer Geschichten nahezubringen, macht wirklich Lust auf dieses Land, auf die Menschen, die dort leben und auf deren Kultur.

Igorts Zeichnungen sind dabei eine Augenweide, auch weil er in diesem Band nicht nur in den Erzählformen variiert sondern auch in den Zeichenstilen, die er verwendet. Es bleibt aber immer erkennbar Igort.

Ich hoffe sehr, dass dies nicht die letzte Sammlung an Berichten war und würde mich riesig freuen, noch mehr Regionen mit Igort zu bereisen.

Kurz und gut: Dieser Augenschmaus taugt für eine Entdeckungsreise für Japanfreunde, egal ob ihr Zugang nun J-Music und Cosplay oder japanische Gartenkunst ist. Bei diesem Band würde sogar ich Tee trinken. ;)

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