Freitag, 26. Mai 2017
Heinrich Geiselberger (Hrsg.): Die große Regression. Eine internationale Debatte über die geistige Situation der Zeit
"Die internationale Debatte über Rechtspopulismus, die Verrohung der politischen Kultur, den Aufstieg autoritärer Demagogen - und darüber, was wir dagegen tun können." (Umschlagtext)
International ist die Debatte durch Beiträge von Nancy Fraser, Paul Mason und Oliver Nachtwey bis hin zu Slavoj Žižek und dadurch, dass das Buch zeitgleich in 13 Sprachen erschien.
Wann gab es eigentlich das letzte Mal soviel weltweite Unsicherheit und soviel breiten Bedarf an auch theoretischer Auseinandersetzung damit?
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Donnerstag, 25. Mai 2017
Javier de Isusi: Ich habe Wale gesehen. Eine Freundschaft im Baskenland
Spanien, Baskenland. Nach einer wahren Begebenheit aus den Achtzigerjahren.
Der Priester Anton verlor vor 25 Jahren seinen Vater. Der
fiel einem Attentat der baskischen Separatisten von der ETA zum Opfer und
hinterließ seinen Sohn als Waisen. Als junger Seminarist erklärte er
öffentlich, dass er den Tätern verzeihe. Das war eine mutige, eine
weitreichende Geste, die sein weiteres Leben prägen sollte.
Josu kämpfte für die ETA und ist dafür seit Jahren
inhaftiert. Seine Frau und sein Sohn besuchen ihn, der im Gefängnis im Kreise
ehemaliger Mitkämpfer seine Tage fristet. Er ist mit Anton seit der Jugendzeit
befreundet. Josu war am Attentat auf Antons Vater nicht beteiligt, aber es
waren seine Genossen.
Ebenfalls im Gefängnis sitzt Emmanuel. Er verbüßt seine
Strafe für Auftragsmorde, die er für die paramilitärische GAL verübte und die
sich gegen die ETA richteten. Als illegaler Arm des spanischen Staates tötete
er die Mörder von Antons Vater.
Mit vielen Rückblenden erzählt Javier de Isusi die
Geschichte dieser drei Männer, wie ihre Leben direkt oder indirekt miteinander
verwoben sind und von der Möglichkeit, im ehemaligen Feind ein menschliches
Antlitz zu entdecken.
Die Art und Weise, auf die die Schicksale verflochten sind,
ist dabei der Ausgangspunkt. De Isusi zeigt, wie wirkmächtig die Bande der
inhaftierten Kämpfer selbst im Gefängnis noch sind. Auch hier scheint es kein
Entrinnen aus den Feindschaften und Gräben zu geben, in denen die Beteiligten
auf beiden Seiten auf Leben und Tod festsitzen. Niemand darf hier ausbrechen,
bei Strafe der Verdammung durch die eigenen Kameraden.
Wie aber können die blutigen Auseinandersetzungen und die
mit Blut geschriebenen Erzählungen davon jemals zu einem Ende kommen? Wie
sollte Verzeihen möglich sein?
De Isusi erzählt die Geschichte ohne Vorwürfe in irgendeine
Richtung. Er lässt seinen Figuren den Raum, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen.
Der Stil, ein fast schon zarter Strich mit Aquarell eher zurückhaltend koloriert,
fügt sich wunderbar in diese Erzählung, unterstreicht die Nuancen in der
Entwicklung der Charaktere.
Nichts in dieser Geschichte ist leicht oder leicht
verdaulich. Es gelingt dem Comic aber, das Ganze ohne unnötigen Pathos zu
erzählen und damit den Menschen, um die es hier geht, die Möglichkeit zu geben,
in all ihren Zweifeln und Ängsten, in ihrer Wut und Ohnmacht hervorzutreten.
Für mich ist dieser Band von Javier de Isusi eine echte
Entdeckung!
Mittwoch, 24. Mai 2017
Jonathan Littell: In Stücken
An das dicke Ding mit dem Titel "Die Wohlgesinnten" habe ich mich bisher nicht getraut. Aber ich bin fest gewillt, Jonathan Littell mit diesem zarten Band eine erste Chance zu geben.
Ein "rauschhaftes Glanzstück" wird auf dem Umschlag versprochen. Auch ist die Rede von Erotik und Erscheinungen. ;)
Also, willkommen Jonathan Littell. ^^
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Dienstag, 23. Mai 2017
Dietlind Falk: Das Letzte
„Doktor Mabuse und ich kennen einander seit sechs Jahren.
Ich weiß nichts über ihn, und er weiß nichts über mich. Das weiß er natürlich
nicht, sein Job besteht schließlich darin, Dinge über Menschen zu wissen. Er
ist mein Therapeut […].“ (Seite 7)
Als Ordnungsfanatiker würde ich mich nun nicht gerade
beschreiben. Aber ich mag es schon, wenn die Dinge im Leben ihren Platz haben.
Wie wohl die meisten anderen Menschen auch will ich, dass alles in halbwegs
geordneten und übersichtlichen Bahnen verläuft. Und wenn die Stimmung mal
morgens schon im Keller ist und die Tür fest hinter sich verschlossen hat – nun
ja, dann stehe ich halt auf und fange an. Das wird dann schon. Das fügt sich
alles.
In ihrem Debütroman erzählt Dietlind Falk von einer jungen
Frau, für die sich nichts einfach fügt. Schon das Aufstehen ist eine
Bestätigung des immerwährenden Scheiterns. Nichts ist anstrengender als das
Leben. Sie hat sich eingerichtet in einer WG von Außenseitern und komischen
Käuzen, schräge Figuren allesamt – und dazwischen Leo, in den sie zwar verliebt
ist, es aber irgendwie nicht sein soll.
Dann ist da noch ihre Mutter, die sie regelmäßig besucht, um
ebenso regelmäßig von der Wucht der Vergangenheit schier erdrückt zu werden.
Ihre Mutter trinkt und hortet die unmöglichsten Dinge in ihrer aus allen Nähten
platzenden Wohnung. Die Besuche rauben der Erzählerin die ohnehin schon kaum
vorhandene Kraft, so etwas wie Alltag herzustellen, geschweige denn zu
bewältigen. Ideen, Wünsche, Hoffnungen – keine Spur davon.
Doch wie so oft passieren Dinge, ungefragt und ohne
Vorwarnung. So tauchen lange übersehene Briefe plötzlich auf und fordern dann zum
Beispiel, dass die vollgestopfte Wohnung geräumt werden müsse. Sofort und ohne
Verzug. Als wäre das dann nicht ohnehin schon zu viel auf einmal, landet die
Mutter auch noch im Krankenhaus. Wie aber soll die junge Frau neben ihrem
alltäglichen Kampf mit sich selbst auch noch die Räumung der mütterlichen
Wohnung bewerkstelligen, ganz zu schweigen davon, dass sie eine neue Bleibe finden
muss? Und die Sache mit Leo und der Liebe wird dadurch auch nicht einfacher.
Die Mutter ein Messie, Chaos im eigenen Kopf, eine
Vergangenheit, die als Alb die Gegenwart heimsucht – Dietlind Falk hat sich mit
diesen Konstellationen ganz schön was vorgenommen.
Es gelingt ihr, die Abgründe ihrer Figuren auszuloten, ohne sie
zu einem Panoptikum aufzureihen. Mit genau dem richtigen Gefühl für die auch
der größten Trostlosigkeit immer wieder innewohnende Komik beschreibt Falk die
so heftig ins Wanken geratende Welt ihrer Hauptfigur. Dabei gibt es immer
wieder wunderbare Perlen zu entdecken – kleine Formulierungen, Gedanken, die
dem Text Balance verleihen und Raum für einen Funken Hoffnung lassen.
Zugegeben sei, dass ich bei diesem Roman hoffnungslos
parteiisch bin, nachdem ich die Autorin persönlich kennenlernen durfte und von
der zurecht immer größer werdenden Begeisterung des Lektors beim Entstehen des
Buches angesteckt wurde. Das Ergebnis kann sich mehr als nur sehen lassen.
Liebe Dietlind, ich mag deinen Sound beim Erzählen, den
Rhythmus und deinen Blick auf die Figuren und ihren Weg. Und ich freue mich
unbändig darauf, mehr von dir zu lesen. ;)
Vollkommen objektiv kann ich kurz zusammenfassen: Kaufen und
lesen! ^^
Montag, 22. Mai 2017
Vladimir Sorokin: Der Zuckerkreml
Sorokin vor autoritärer Landschaft.
"Russland im Jahr 2028: ein neues Mittelalter, geprägt von Informationstechnologie und Massenarmut. Das Moskauer Volk wird mit unerbittlicher Härte regiert, der Alltag ist geprägt von Angst und Gewalt." (Umschlagtext)
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Donnerstag, 18. Mai 2017
Jenny Erpenbeck: Gehen, ging, gegangen
Ich weiß gar nicht, wie lange der MM und ich jetzt schon diesen Buchtitel, verhohnepipelnd zumeist, immer wieder zitiert haben. Natürlich ohne je einen Blick hineingeworfen zu haben.
Und weil wir uns für solch infantiles Getue auch ein bisschen schämen, haben wir das Buch nun zuhause aufgenommen. Versprochen, jetzt wird es auch gelesen werden. ^^
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Dienstag, 16. Mai 2017
Helmut Krausser: Einsamkeit und Sex und Mitleid
"Einsamkeit und Sex und Mitleid" - das kann doch nur ein Berlin-Roman sein. ^^
Melodramatisch soll er sein, ironisch, überraschend und lakonisch, und verfilmt worden soll er auch noch sein, der Roman von Krausser. Von dem kann im Übrigen niemand genug gelesen haben. Weile ich nur mal sagen. ^^
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Samstag, 13. Mai 2017
Wolfgang Herrndorf: Die Rosenbaum-Doktrin und andere Texte
"Ein Interview mit einem Kosmonauten, der nie im All gewesen ist. Die Erinnerung an einen Roman, obwohl man ihn vergessen hat. Eine dreiste Lügenreportage aus dem Literaturbetrieb. Bekenntnisse zum Thema Scham & Ekel. Und ein wunderbares Kapitel aus `Tschick`, das es nicht ins Buch geschafft hat." (Umschlagtext)
63 Seiten Herrndorf to go. ;)
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Donnerstag, 11. Mai 2017
James Turek: Motel Shangri-La
Merkwürdige Gestalten geistern, reiten, fahren mitten durchs
Nichts irgendwo im Mittleren Westen. Mittendrin liegt das Motel Shangri-La. Ein
aufkommender Sandsturm wirbelt mächtig herum und zwingt die verschiedensten
Gestalten, hier innezuhalten und abzuwarten. Merkwürdige Laienprediger,
supercoole Polizisten, Gefängnisausbrecher, zwielichtige Mechaniker … und
ringsherum nichts als karge bis sandig verwehte Gegend.
Es war für mich die bisher kürzeste Comic-Lesung, bei der
ich im letzten Jahr James Turek in Berlin live erleben konnte. Knapp zwanzig
Minuten lang lief für meine Ohren nicht definierbare Musik im Hintergrund,
während sich der Zeichner vorn von Panel zu Panel klickte. Er versicherte, kaum
Deutsch zu sprechen, und las trocken den im Comic sehr sparsam verwendeten Text
vor.
Das klingt nun wenig mitreißend, zumal die Lesung auch so
schnell vorbei war. Aber ich muss gestehen, ich hab mich bei dieser
Präsentation des Latzhosen tragenden Amerikaners aus Leipzig ganz köstlich
amüsiert.
Schon in der Veranstaltung stieg in mir ein ganz
unwiderstehliches „Out of Rosenheim“-Gefühl herauf. Nur ohne Marianne
Sägebrecht.
Zugegeben, der Zeichenstil ist für ungeübte Comic-Leser*innen
vermutlich etwas gewöhnungsbedürftig. Da sich aber hierzulande herumgesprochen
hat, dass es ganz sicher künstlerisch ist, wenn nicht so augenschmeichelnd
gezeichnet wird, muss man sich einfach nur auf den Fluss der Erzählung
einlassen – und vielleicht den „Out of Rosenheim“-Soundtrack anwerfen.
Kurz: schon geiler Scheiß.
Montag, 8. Mai 2017
John Burnside: Glister
Nach und nach verschwinden Kinder in einer Stadt, und niemanden scheint es zu kümmern. Aber ein Junge will nicht glauben, dass sie alle abgehauen seien, um eine bessere Zukunft zu finden.
"... ein verstörend ehrliches Buch über Einsamkeit und moralische Verwahrlosung." (Umschlagtext)
Ich begrüße einen Schotten in der Sammlung. ^^
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Dienstag, 2. Mai 2017
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